Immer nach den Sternen greifen. Alexander Reeh
und Blumen, das Meer und die Leute fehlen einem doch sehr. Statt dessen gab es nun Eisblumen, Schnee, Kälte und ein stürmisches Wiedersehen mit meinen Mops, der es bei seinen Pflegeeltern sehr gut gehabt hatte. Und der Wiedereinzug unserer Meerschweinchen machte unsere Familie dann komplett.
Besonders gefreut habe ich mich beim Heimkommen über eine Weihnachtskarte von Papst Benedikt und eine Einladung zum Ministrieren unseres früheren Diakons Thomas Brei, der jetzt Priester ist. Er war schon früher bei unseren Ministrantenstunden dabei gewesen und ist sehr nett. Anfang Mai habe ich dann auch bei ihm in einer Messe in Neufraunhofen bei Velden ministriert. So eine hübsche kleine Kirche mitten in einer Schlossanlage habe ich noch nie gesehen.
Ganz toll war, dass mich sogar die Mönche von St. Ottilien zum Ministrieren eingeladen haben. An einem Sonntag im August fuhr ich mit meiner Mama dort hin. Moppy war wie immer dabei, und als wir dann in der Kirche die Sakristei suchten, gab es zum ersten Mal Ärger, und Moppy flog aus der Kirche. Dabei ist er ein sehr erfahrener Mops, was die Kirche angeht und liegt immer schön ruhig und versteckt unter der Bank.
In diesem Jahr war ich noch einige Male zum Ministrieren im Pfarrverband Velden eingeladen. Pfarrer Brei ist mittlerweile ein sehr guter Freund, und ich werde ihn ziemlich vermissen, wenn er nach Afrika geht. Mitte Oktober war ich dann bei Kardinal Wetter in der Münchner St. Michaelskirche und durfte im Pontifikalamt den Dienst am Bischofsstab verrichten. Und Anfang November stand ich neben dem jetzigen Erzbischof von München und Freising, Dr. Marx im Münchner Liebfrauendom am Altar.
Im Mai des gleichen Jahres haben wir dann unsere italienischen Freunde in Gussago besucht. Wie immer freuten sie sich sehr, dass wir kamen. Dort geht es sehr lustig zu und ich versuche immer, mich etwas auf Italienisch zu unterhalten.
Zum Abschied drückte Mamma (so wird Mama auf Italienisch geschrieben) mir diesmal einen großen, ganz echt aussehenden Stoffaffen in den Arm und fragte immer wieder: „Ti piace, ti piace?“ Natürlich gefiel er mir. Wir bekamen auch noch eine Riesentüte „Dolci“ (das sind Süßigkeiten), Obst und Wein mit. Ja, so sind eben die Italiener! Ich freue mich schon sehr darauf, wenn wir mit ihnen im September nach Venedig fahren, denn dort war ich noch nie und Mamma will mir die Stadt unbedingt zeigen.
Leider hatte ich in diesem Frühjahr auch wieder viele Krampfanfälle, einmal sogar mitten auf einer viel befahrenen Straße. Zufällig waren wir gerade auf dem Weg zu einer Untersuchung bei meinem Neurologen und es passierte kurz vor seiner Praxis.
Meine Mama zog mich über die Straße und setzte mich dann mit dem Hund auf den Gehweg um den Arzt zu holen. Der kam auch gleich heruntergerannt und brachte mich in die Praxis. Das war das erste Mal, dass ich am Nachmittag einen Anfall hatte, sonst kamen sie ja immer nach dem Mittagessen.
Im September 2009 war es soweit und wir fuhren mit unseren italienischen Freunden, Elena und ihrer Mamma nach Venedig. Der Tag begann sehr früh mit einem traumhaft schönen Sonnenaufgang über dem Gardasee, den wir sonst sicher nicht gesehen hätten. Pünktlich waren wir in Desenzano am Bahnhof und ebenso pünktlich fuhr der Zug nach Venedig ein, in dem Mamma und Elena bereits saßen. Und das war es dann auch erst einmal, nichts ging mehr und keiner wusste warum. Moppy sprang laut bellend auf dem Bahnsteig umher und wäre zu gern mitgefahren. Leider sind aber in Italien Tiere in öffentlichen Verkehrsmitteln verboten. Als sich nach anderthalb Stunden Wartens – wegen eines Maschinenschadens wie wir später erfuhren – der Zug endlich in Bewegung setzte, mussten wir unseren Plan auch die Insel Murano zu besuchen bereits aufgeben, da es dazu schon viel zu spät war.
Ich staunte als wir die Bahnhofshalle verließen und direkt am Canale Grande, der wuseligen „Hauptstraße Venedigs“ mit seinen vielen Booten, Vaporettos (Dampfern), Wassertaxis und Gondeln standen. Die Wasserstraße windet sich in doppeltem Bogen zwischen zahlreichen Palästen vom Bahnhof bis zum Markusplatz. „ Nichts da, zum Markusplatz wird erst einmal gelaufen“, lachte Elena. Und dann ging es los, Treppe hoch, Treppe runter, über unzählige große und kleine Brücken. Unsere Freunde zeigten uns bekannte Sehenswürdigkeiten wie die Rialto- und Seufzerbrücke, den Dogenpalast, den Uhrenturm oder die Markuskirche. Diese haben wir allerdings nicht besichtigt, man hätte zwei Stunden anstehen müssen um hineinzugelangen. Mamma wäre keine typisch italienische Mamma gewesen, wenn sie mir nicht an jedem Eisstand ein Eis, Getränk oder sonstige Süßigkeiten hätte kaufen wollen. Ein wunderbares Picknick für Mittag hatte sie auch mitgenommen, so ließen wir uns irgendwo mitten in Venedig auf Stufen zum Essen nieder, denn Bänke waren nirgends mehr frei.
Gestärkt ging es danach wieder Brücken hoch und runter bis wir endlich den Markusplatz erreichten. Mit seinen Marmorplatten gilt er als einer der schönsten Plätze der Welt und wird zu jeder Tageszeit von unzähligen Tauben und Touristen bevölkert. Der Blick von hier aus über das Wasser begeisterte mich sehr und nun kauften wir uns auch Tickets für eine Fahrt auf dem Canale Grande. Das Boot war zunächst so voll, dass wir eingequetscht in einer Ecke standen, aber nach und nach bekam jeder einen Sitzplatz und wir konnten die Fahrt genießen. Mamma streikte, als wir in Bahnhofsnähe ausstiegen und ihr mitteilten, dass wir noch Souvenirs kaufen wollten. Auf einer sauberen marmornen Brücke holte sie das Giornale di Brescia, ihre Lokalzeitung hervor, legte sie auf den Boden, strich ihren schönen Rock glatt und setzte sich auf die – fast noch druckfrische – Zeitung! Wir hatten es recht eilig wegen der Abfahrt des Zuges und rannten daher die Stufen einiger Brücken nochmals auf und ab bis wir die Souvenirgeschäfte in einer Seitengasse erreichten.
Elena drängte zum Aufbruch, nachdem ich eine kleine Schweinchen-Familie aus Muranoglas erstanden hatte. Und plötzlich wussten wir nicht mehr wo wir waren, die Seitengassen sahen alle ähnlich aus. Vom vielen Stufenlaufen taten mir und meiner Mama schon die Beine weh, aber jetzt ging es erst richtig los. Mit viel Glück erreichten wir schließlich den Bahnhof, zehn Minuten vor Abfahrt unseres Zuges. Wir hielten Ausschau nach Mamma; kam sie doch tatsächlich auf den letzten Drücker gemächlich angeschlendert, nachdem sie sich noch in aller Ruhe in einer Bar einen Espresso gegönnt hatte!
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