Auf einer Finca. Hannes Sonntag
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Hannes Sonntag
Auf einer Finca
Literatur der Zukunft
Inhaltsverzeichnis
1
Mit einem ihrer langbeinigen Schritte schob sie sich an mir vorbei. Üppige Oleander links und rechts warfen zusätzlich Schatten über die Tür. Aber Ria, die im Dunkel weit besser sieht als ich, hielt den Schlüssel ausgestreckt zwischen den Fingern und traf das Schloss gleich beim ersten Mal. Hand in Hand traten wir ein.
Es nahm uns den Atem. Durch ein vierfach betttuchgroßes Fenster, das sich bis zum Boden senkte, blickten wir über die Bucht. Das Meer tauschte gerade die Farbe. Was am Horizont unter den Resten der Sonne noch wie eine saphirgetränkte Silberhaut aussah, hatte sich in der Mitte und vorn in eine schwarzblaue Masse gestaucht. Die Schönheit der Perspektive war so überwältigend, dass wir erschraken und so ein Spalt von Wachheit unser völliges optisches Ertrinken verhinderte. Einige Boote bewegten sich draußen noch, während im weit gegenüber liegenden Yachthafen die ersten künstlichen Lichter flackerten.
Wir ließen die Koffer ungeöffnet stehen, übergingenden ausladend großen Raum und drängten durch die Glastür am Rand des Riesenfensters hinaus auf die Terrasse. Einige Stufen tiefer und angemessen entfernt von einem nierenförmigen Pool standen dicht nebeneinander zwei Sessel, kolonial verspielter Bast, in den wir uns gleich fallenließen. Nach einer stummen Weile fingerte ich nach Rias Hand, entdeckte sie schlaff und kalt am Korbgeflecht herunterhängen. Und nahm sie an mich, ummantelte sie mit meiner eigenen, größeren und wärmeren. Eine Anordnung, in der wir lange reglos hielten. Meine Augen wurden hinunter in die Bucht gezogen oder ertasteten in flachem Halbkreis die gegenüberliegende Landzunge, kahle kalkgraue Berge, die in bizarren Kurven in den Abendhimmel schnitten.
Ein plötzlicher kleiner Wind am Ohr stieß mich vor Ort. Ich drehte mich zur Seite und fand Rias Kopf auf die Schulter gesunken. Ihre Augenlider hingen pflaumenweich über der Iris, undeutlich offen nur ein wimperngesäumter Schlitz. Ich rief sie an, und ein zögernd gutturaler Laut sagte mir, dass sie noch nicht ganz eingeschlafen war.
Wir erhoben uns. Als ich das leichte Schwanken bemerkte, griff ich ihr unter den Arm. Schwerer als erinnert hing sie sich bei mir ein. Ich brachte sie gleich zu Bett, streifte ihr Sandalen und Kleid vom Körper und empfing einen Hauch des mondischen, geistesabwesenden Lächelns, das mich oft so erregte. Dann – wie immer meine Aufgabe – räumte ich das Nötigste aus den Koffern und legte mich, ohne noch Licht zu machen, halbnackt neben sie. Rias eintöniger, arbeitsamer Schlaf steckte mich an.
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