Die germanische Blutsbrüderschaft. Leopold Hellmuth

Die germanische Blutsbrüderschaft - Leopold Hellmuth


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      Mitbegraben mit dem toten „Bruder“: Asmund und Asvit bzw. Ásmundr und Árán – eine altirische Parallele: CúChulainn und Ferdiad – Totenfolge nach Ausweis des völkerkundlichen Materials offenbar keine typische Konsequenz der Blutsbrüderschaft – ein vereinzeltes Beispiel symbolischen Mitbegrabens – Schlußfolgerung

       c) Friedenstiftende bzw. Frieden bewahrende Funktion der Blutsbrüderschaft

      „Fostbrodersituation“- Beispiele für die „Fostbrodersituation“ mit unentschiedenem Kampfausgang – die zweite Art der „Fostbrodersituation“: Verbrüderung mit dem besiegten Gegner – Fälle, in denen die Situation durch den „fóstbroðir“ eines der beiden Kämpfenden herbeigeführt wird – völkerkundliche Belege für die friedenstiftende Funktion der Blutsbrüderschaft – Blutsbrüderschaft zwischen Bluträcher und Mörder – Blutmischung vor Racheexpeditionen und Verschwörungen – friedenstiftende Funktion der Blutsbrüderschaft kann als typisch gelten

       d) Gütergemeinschaft (zur Frage der Frauengemeinschaft und des Erbrechtes)

      félag und fóstbrœðralag – völkerkundliche Gegenstücke zur Gütergemeinschaft von Blutsbrüdern – Frauengemeinschaft – gegenteilige Belege – zur Problematik des Erbrechts – Resümee

       e) Verbindlichkeit der Blutsbrüderschaft

      südslawische, keltische und außereuropäische Beispiele – Verwünschungen und Beschwörungen als Teil des Verbrüderungsrituals – „automatische“ Bestrafung im Falle eines Treuebruchs – Blutsbrüderschaft enger als die natürliche Brüderschaft – Vererbung der Blutsbrüderschaft – nicht gehaltene Blutsbrüderschaften – auch zufällig entstandene Blutsbrüderschaft ist gültig – Beispiele aus Irland, Zentralafrika und Australien – absoluter Charakter des nordgermanischen fóstbrœðralag

       f) Blutsbrüderschaft und Familie

      zum Verwandtschaftscharakter der Blutsbrüderschaft – Heiratsverbot zwischen den nächsten Verwandten von Blutsbrüdern – vereinzelte Ausnahmen – „brüderlicher“ Charakter des Blutbundes – Mitglieder derselben Familie können nicht Blutsbrüder werden – Heiratsverbot auch für die Kinder von Blutsbrüdern – südslawische Beispiele für den Verwandtschaftscharakter der Blutsbrüderschaft und das daraus entspringende Heiratsverbot – irische Beispiele für das Heiratsverbot und den verwandtschaftlichen Charakter der Blutsbrüderschaft – das nordgermanische fóstbrœðralag zog keine Heiratsbeschränkungen nach sich

       IV. ZUR DEUTUNG DER GERMANISCHEN BLUTSBRÜDERSCHAFT

      fóstbrœðralag kein Hineingeborenwerden in die Familie – Familiennähe oder Familienferne des nordgermanischen Blutsbrüderschaftsverhältnisses – Konfliktsituationen zwischen Sippe und fóstbrœðralag: Hamletsage, Njörfi und Viking, Nibelungenkreis – Ergebnis: Blutsbrüder standen einander näher als ihren Verwandten – Rachepflicht betraf nur die Blutsbrüder selbst – Fehlen des Heiratsverbotes in Skandinavien – germanische Beispiele für Ehen mit der Schwester des Blutsbruders – Blutsbrüderschaft zwischen natürlichen Brüdern und nahen Verwandten – deutliche Familienferne des fóstbrœðralag – zum Begriff der „kultischen“ Brüderschaft – Beispiele für Brüderschaftsverhältnisse aufgrund der Teilnahme an denselben Kulthandlungen – cognatio spiritualis – Tod und Neugeburt beim Abschluß von Blutsbrüderschaften: bei englischen Zigeunern, in Angola und auf Madagaskar – Blutmischung bei Initiationen in Kultbünde – „Passage“-Charakter gewisser Blutriten – volkskundliche Parallelen zum Rasengang: Heilriten des Durchkriechens etc. – Rituelle Neugeburt aus der Erde auf dem Balkan – Auflegen von Rasenstücken in magischen Praktiken des Volksaberglaubens und in Sagen – Fähigkeit, Unsichtbares zu sehen – grundlegende Wandlung durch den Eintritt unter die Erde: höhere Begabung – Verstehen der Vogelstimmen – Eintritt unter die Erde als Eintritt in eine höhere Seinsform – fóstbrœðr als Söhne einer spirituellen Macht – Odin und das fóstbrœðralag – Odin als Stifter und Beschirmer von Blutsbrüderschaften – zur Strophe 9 der Lokasenna – fóstbrœðralag nicht nur ein individuelles Verhältnis – vorchristliche skandinavische „Brüder“-Bünde: Rökstein, Bären-Brüder der Gesta Danorum, andere Runensteine – Odin, Gott der Bünde – unterschiedliche Anzahl von fóstbrœðr – die Teilnehmerzahl gestattet keine Trennung zwischen dem fóstbrœðralag und umfassenderen Brüderscharen – Anführer von Brüderscharen zugleich Bruder unter Brüdern – Odin als Patron von Einzelmenschen – Odin als „fóstri“ der fóstbrœðr – Bedeutungsambivalenz von an. „fóstbroðir“ – Etymologie der entsprechenden Wortfamilie – Beispiele für die Doppelbedeutung – Versuche, sie zu erklären – fóstbrœðralag als Brüderschaft „in“ Odin? – Christliche Entsprechungen – Gründe für die Familienferne des fóstbrœðralag und das Fehlen von Heiratsbeschränkungen – Zusammenfassung

       Bibliographie

       Sachverzeichnis

       Autorenverzeichnis

       Weitere Bücher

       Anmerkungen

      I.

      EINLEITUNG

      Es besteht kein Zweifel, daß auch die Germanen der frühen, vorchristlichen Zeit eine Einrichtung kannten, die in der völkerkundlichen Literatur im allgemeinen als „Blutsbrüderschaft“ bezeichnet wird und bei der durch das Vermischen einiger Blutstropfen der Beteiligten eine Art „künstlicher Verwandtschaft“, ein „verwandtschaftsähnliches“ Verhältnis geschaffen wird.

      Alle Belege für die Existenz der germanischen Blutsbrüderschaft stammen aus dem Norden; bei den Kontinentalgermanen scheinen sich keine Spuren dieser urtümlichen heidnischen Institution gehalten zu haben. Von einem global-vergleichenden Standpunkt aus betrachtet ist dies eine höchst merkwürdige und schwer zu erklärende Tatsache, die meines Wissens bisher völlig unbeachtet geblieben ist. Dieser Frage weiter nachzugehen, wäre für die Kenntnis der germanischen Blutsbrüderschaft zweifellos von großer Bedeutung.

      Es wäre also – streng genommen – nicht von der germanischen, sondern von der altnordischen oder altskandinavischen Blutsbrüderschaft zu sprechen. Wenn im folgenden dennoch von der „germanischen“ Blutsbrüderschaft die Rede sein wird, so ist das nicht dahingehend zu verstehen, daß „skandinavisch“ und „germanisch“ gleichgesetzt werden, sondern es soll damit in erster Linie die – wenn auch nur in einem bestimmten Teil der Germania belegte – „germanische“ Institution von den entsprechenden Einrichtungen anderer Völker abgehoben werden.1

      In Skandinavien, wo das Christentum erst um die Jahrtausendwende Fuß zu fassen vermochte, hatte sich die Erinnerung an diese höchst altertümliche Form der Verbrüderung noch bis in jene Zeit hinein erhalten, in der auf Island die Sagas verfaßt wurden. Blutsbrüderschaft nach überliefertem heidnischen Ritual wird damals aber auch in Skandinavien wohl schon seit langem nicht mehr geschlossen worden sein.

      Aus einigen Belegen allerdings geht deutlich hervor, daß die Institution der Blutsbrüderschaft in den Jahrhunderten zwischen der Landnahmezeit und dem endgültigen Durchdringen des Christentums auf Island noch lebendig gewesen sein muß.


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