Der Kaiser schickt Soldaten aus. Janko Ferk
Juni 1914
Die Rechtschreibung der Originalzitate wurde – für die leichtere Lesbarkeit – der geltenden angepasst.
Der Anführer eines großen Heeres kann besiegt werden. Aber den festen Entschluss eines einzigen kannst du nicht wankend machen.
Konfuzius
Ich glaube und bekenne, dass ein Volk nichts höher zu achten hat als die Würde und Freiheit des Daseins.
Carl Philipp von Clausewitz
2. August. Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. – Nachmittag Schwimmschule.
Franz Kafka, Tagebücher 1914
28. JUNI 1389
Jedem Serben ist der Sankt-Veits-Tag, der Vidov dan, heiliger als alles andere.
Serbiens Freiheit ging an diesem Tag im Jahr dreizehnhundertneunundachtzig verloren.
Am Sankt-Veits-Tag fand die Schlacht auf dem Amselfeld, dem Kosovo polje, statt. Das serbische und bosnische Heer standen dem osmanischen gegenüber.
Bis zum achtundzwanzigsten Juni dreizehnhundertneunundachtzig erstreckte sich Serbien über den größten Teil der westlichen Hälfte der Balkanhalbinsel. An diesem Tag wurde es zerstört. Fürst Lazars Armee wurde von den Osmanen aufgerieben. Beide Heerführer kamen ums Leben.
Sultan Murad der Erste wurde in seinem Zelt ermordet.
Fürst Lazar fiel.
Danach war Serbien mehr als vierhundert Jahre ein Paschalik, das Amtsgebiet eines Paschas, beziehungsweise eine osmanische Provinz, sowie das größte Schlachtfeld in den Kriegen zwischen den Habsburgern und Türken.
Die Schlacht am Amselfeld im Jahr dreizehnhundertneunundachtzig wurde zum Mythos. Sie ist serbische Geschichte. Nationalgeschichte. Und für die Serben ein Symbol der Aufopferung für die christlichen Werte sowie den Kampf gegen die osmanische Fremdherrschaft.
Die Beleidigung und Nichtachtung des Sankt-Veits-Tags beziehungsweise der Serben zu diesem Termin kann die schlimmsten Folgen zeitigen. Auch tödliche.
18. DEZEMBER 1863
In Graz wurde am achtzehnten Dezember achtzehnhundertdreiundsechzig ein Schütze geboren, der in seinem Leben hunderttausenden Tieren den Tod bringen sollte.
Unter dem Strich soll er es bei seinen beinahe krankhaft zu nennenden Massenschlächtereien auf zweihundertvierundsiebzigtausendachthundertneunundachtzig Stück Wild gebracht haben. Mit dem Tod hat er sich ausgekannt. So viel Leben nehmen, welche Anmaßung. So viele Leben.
Franz Ferdinand Carl Ludwig Joseph Maria war der Sohn des Erzherzogs Karl Ludwig von Österreich, einer der drei Brüder Kaiser Franz Josephs, und der Prinzessin Maria Annunziata von Neapel-Sizilien. Mit acht Jahren verlor er seine Mutter. Als Franz Ferdinand neun Jahre alt war, heiratete sein Vater Maria Theresa von Portugal, zu der der Stiefsohn ein sehr enges Verhältnis entwickelte. Maria Theresa stand beharrlich zu ihm und unterstützte den jungen Erzherzog bei seinen Heiratsplänen, die von allen Habsburgern und ihrem ausgeprägten Standesdünkel entschieden abgelehnt wurden.
Eng befreundet war er mit seinem Cousin Kronprinz Rudolf, den er nach dessen Selbstmord in Mayerling im Jahr achtzehnhundertneunundachtzig als Thronfolger, aber nicht als Kronprinz, beerbte.
Der kinderlose Erzherzog Franz der Fünfte von Österreich-Este adoptierte Franz Ferdinand später unter zwei Bedingungen. Der Erbe sollte seinem Namen den Namensteil „Este“ hinzufügen und innerhalb eines Jahres Italienisch lernen. Zu beidem verpflichtete er sich zwar, hieß auch Franz Ferdinand Carl Ludwig Joseph Maria von Österreich-Este, Italienisch beherrschte er jedoch nie wirklich. Sprachbegabung war nicht – wie Schießen und Töten – seine Stärke. Dabei wollte er, um den Ungarn, die ihn nicht leiden konnten, seine Liebe zu beweisen, Ungarisch können. „Ich muss endlich diese verflixte Sprache lernen, was mir furchtbar schwer fällt.“
Seine ausgedehnten Besitzungen in Oberitalien hat Franz Ferdinand von Österreich-Este nicht ein einziges Mal besucht.
In der Haupt- und Residenzstadt war er nicht besonders gern gesehen. Er wurde abfällig beurteilt und seine zahllosen Feinde behaupteten, er sei in seinen wechselnden Launen unberechenbar. Er konnte, wie am Hof bekannt war, ausfällig werden und einen richtigen Wutanfall bekommen, der so heftig war, dass Anwesende glaubten, er werde daran ersticken. Es entstanden sogar Gerüchte, der Erzherzog sei geisteskrank, was Kaiser Franz Joseph einmal auf recht fragwürdige Weise überprüfen ließ.
1. MÄRZ 1868
In