Die 10 Todsünden der Schulpolitik. Heinz-Peter Meidinger

Die 10 Todsünden der Schulpolitik - Heinz-Peter Meidinger


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       INHALT

       Cover

       Titel

       Impressum

       Schulpolitik in der Krise

       Todsünde Nr. 1:

       Überforderung von Schule durch politische Vorgaben und gesellschaftliche Erwartungshaltungen – Schule als Reparaturbetrieb der Gesellschaft

       Todsünde Nr. 2:

       Sich an Visionen und nicht an Problemlösungen vor Ort orientieren – Schulpolitik, die von Ideologien bestimmt wird

       Todsünde Nr. 3:

       Eine Reformsau nach der anderen durch unsere Schulen treiben – Bildungspolitik als Experimentierfeld unausgereifter Reformen und als parteipolitischer Kampfplatz

       Todsünde Nr. 4:

       Schule nach ökonomischen Kriterien umformen – der verhängnisvolle Einfluss des Neoliberalismus

       Todsünde Nr. 5:

       Dauerversagen des Bildungsföderalismus beim Thema „Leistungsunterschiede und mangelnde Vergleichbarkeit“

       Todsünde Nr. 6:

       Katastrophales Krisenmanagement bei der Bewältigung der Corona-Pandemie an Schulen

       Todsünde Nr. 7:

       Quote statt Qualität – Vernachlässigung des Leistungsprinzips: Bestnoteninflation und Niveauabsenkung

       Todsünde Nr. 8:

       Totalversagen bei der Lehrerversorgung und kein Konzept gegen massiven Unterrichtsausfall

       Todsünde Nr. 9:

       Vernachlässigung der beruflichen Bildung: Mit dem Abitur als Königsweg auf dem Weg zur Akademikergesellschaft?

       Todsünde Nr. 10:

       Fehlende Einbeziehung und Partizipation der Betroffenen

       Ausblick:

       10 Ratschläge für eine bessere Bildungspolitik

       SCHULPOLITIK IN DER KRISE

      Die Coronakrise stellt nicht nur Staat und Gesellschaft, sondern auch unser Bildungssystem vor eine riesige Herausforderung. Bisherige Debatten und Auseinandersetzungen in der Schulpolitik sind weitgehend in den Hintergrund getreten. Die Pandemie und die monatelangen Schulschließungen haben nicht nur Defizite und Versäumnisse auf-, sondern auch viele Schwachstellen und ungelöste Probleme zugedeckt.

      Selten wurde uns das Versagen der Politik so drastisch vor Augen geführt wie in der Ausnahmesituation der Corona-Pandemie. Als von heute auf morgen die Schulen im März 2020 geschlossen wurden, gab es zunächst einmal ein böses Erwachen. Auf einen Schlag rächten sich die Versäumnisse der Vergangenheit: der ewig verschleppte Digitalpakt Schule, von dessen bereitgestellten 5 Milliarden Euro bis dahin nicht einmal 5 Prozent der Mittel von den Ländern und Kommunen abgerufen worden waren, das Fehlen funktionierender Lernplattformen, der grundlegende Sanierungsstau an deutschen Schulen, den die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf knapp 45 Milliarden Euro schätzt, die mangelnden Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und nicht zuletzt der große Lehrermangel, der etwa verhindert, dass Schulen ausfallende Risikopersonen unter Lehrkräften angemessen ersetzen konnten.

      Umgekehrt hat die Schulpolitik von dem Naturereignis der Pandemie auch vordergründig profitiert, weil nämlich andere Missstände und Probleme – zumindest vorübergehend – in den Hintergrund gerückt sind, etwa die Riesenaufgabe der Integration von Kindern mit Migrationskontext, das Problem der mangelnden Vergleichbarkeit der Abschlüsse und das Auseinanderklaffen der Schulleistungen und Lernerfolge unter den Bundesländern. Zwischen dem Durchschnitt der Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern aus Bayern und Sachsen auf der einen Seite sowie Berlin und Bremen auf der anderen Seite liegen je nach Aufgabenfeld bis zu zwei Lernjahre, bei 15-Jährigen wohlgemerkt.

      Es sollte doch eigentlich eine der schönsten und begehrtesten Aufgaben der Politik sein, für die Bildung von Kindern und Jugendlichen, für deren Zukunftschancen Verantwortung zu tragen und Konzepte entwickeln zu dürfen. Aber die Bildungspolitik gilt nicht nur unter den Nachwuchskräften in den Parteien als unsexy und nicht mehr als ein attraktives Betätigungsfeld. Ungeachtet aller Beteuerungen, wie wichtig Bildung in diesem Lande ist – die Stellung der Schulminister in den Kabinetten ist fast durchgängig eher schwach, vielfach wurde das Schulressort von der größten Regierungsfraktion ohne größeren Widerstand den kleineren Partnern überlassen, so gerade in den bevölkerungsreichsten Bundesländern, in Bayern, in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen. Und wenn einmal Dampf im Kessel ist und Entscheidungen im Schulbereich getroffen werden müssen, dann reißt meist der Ministerpräsident, die Ministerpräsidentin im Rahmen der Richtlinienkompetenz die Entscheidungsbefugnis an sich und die Schulminister sitzen bedröppelt daneben.

      Und man kann es karrierebewussten Jungpolitikern auch gar nicht verdenken, dass sie das Feld der Bildungspolitik weiträumig umkurven. Wohl kaum ein Ministeramt hält so viele und so große Herausforderungen, aber auch eine so große Gefahr potenzieller Skandale bereit wie das Schulressort. Mir vertraute einmal eine erfahrene Bildungsministerin an: „Auch wenn ich genau wüsste, wo überall Tretminen versteckt sind, ich werde niemals verhindern können, von Zeit zu Zeit auf eine zu treten. Man hofft halt immer, dass sie nicht tödlich ist und sich die Verletzungen in Grenzen halten.“

      In der Bildungspolitik kommt alles, was politisches Handeln schwierig macht, zusammen: Hohe Komplexität, riesiger Finanzbedarf, ein beträchtlicher Grad an Polarisierung und Emotionalität sowie ein Thema und Regelungsbereich, von dem fast alle betroffen sind oder waren.

      Auf folgende Bedingungen muss man sich als Akteur in diesem Politikfeld einstellen:


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