Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy

Menschen im Krieg – Gone to Soldiers - Marge Piercy


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auf den Philippinen ausgemergelte Soldaten in Gefangenenlager getrieben wurden und im deutschbesetzten Russland Partisanen gehängt wurden, weil sie gewagt hatten, Widerstand zu leisten.

      In der Sowjetunion flogen Frauen Kampfeinsätze. Marina Reskowa, die Pilotin und Navigatorin, hatte drei Frauen-Luftwaffenregimenter aufgestellt, eines für Kampfflugzeuge und zwei für Bomber. In England wurden Flugzeuge regelmäßig von Frauen überführt. Hier wurden Frauen nicht einmal zu Inlandsflügen, zu Hilfsdiensten zugelassen. Sie sehnte sich danach, ihr Können, ihre Stärken einzusetzen. Sie würde keine Angst haben. Sie wusste, dass sie kämpfen konnte, wenn sie nur eine Chance dazu bekam.

      Sie unterbrach ihre Gedanken und legte die Fischstücke, die sie zuerst in Mehl, dann in Eimilch und dann in Maismehl gewälzt hatte, in die Bratpfanne. Konnte sie töten? Sie glaubte schon, hatte aber das Gefühl, noch Beweise für diesen Glauben zu brauchen. Sie stellte Mausefallen auf. Sie hatte an einer Schweineschlachtung auf der Farm ihres Großvaters väterlicherseits teilgenommen. Ihr Großvater hatte dem Schwein rasch und ruhig die Kehle durchgeschnitten, war mit dem Messer auf das Schwein zugegangen und hatte einfach die Klinge über die Kehle geführt. Die Sau war etwas verwundert davongestakst, wobei das Blut heruntertroff, und dann in die Knie gesunken. Zwei Minuten später war das Schwein tot, und Jeff und sie hatten geholfen, kochendes Wasser über den Kadaver zu schütten und die Borsten abzukratzen. Der lange Einschnitt und das Herausziehen der Eingeweide aus dem Fett hatten sie eher fasziniert als entsetzt. Jeff war der Zimperlichere von ihnen, aber beide hatten sie das Schlachten und Zerlegen des Schweins als ein ihnen gewährtes Initiationsritual empfunden und nicht als eine Vorführung von Erwachsenenbrutalität.

      Und Jeff, würde der je jemanden töten? Er war bei der Armee, aber der Kampf an der Front schien von ihm in Alabama mindestens so weit entfernt wie von ihr in Bentham Center. Im Gefecht selbst hatte man wohl wenig Zeit zum Philosophieren. Wahrscheinlich war man darauf trainiert zu reagieren, und man reagierte. Im Flugzeug hielt sie sich nicht mit Überlegungen auf, wie sie das Steuer drehen oder wie sie das Seitenruder treten sollte; sie las die paar Anzeigen und reagierte. Wenn sie sich im Luftkampf befand, dann sprach das Bordgeschütz bestimmt an, wenn sie es aktivierte, und das würde sie unter Bedrohung so selbstverständlich tun, wie sie die Quer- und Höhenruder bediente.

      »Eine ganze Reihe von Jungen melden sich am Ende dieses Schuljahres zum Militär«, verkündete ihr Vater beim Abendbrot. »Ich weiß nicht, ob es noch einen Sinn hat, dieses College weiterhin zu betreiben. Aber sie richten hier vielleicht ein Regierungsprogramm ein, sagt die Verwaltung. Ich mag nicht so viel Paprika auf der Seezunge.«

      »Entschuldige. Ich wollte mal etwas anderes ausprobieren.« Sie hatte über das Töten nachgedacht und gar nicht gemerkt, was ihre Hand tat. »Glaubst du, wir werden diesen Krieg verlieren?«

      »Unsinn«, donnerte der Professor. »Was hast du dir denn da für isolationistischen Unflat angehört? Verzweiflung ist unproduktiv.«

      Er redete nie mit ihr über Politik. Sie verstand nicht, warum, denn mit ihrer Mutter hatte er über alles geredet. Als Tochter blieb sie für ihn auf ewig unreif. »Die zweite Schicht ist nicht so stark gewürzt.«

      »Gut. Das überdeckt nur den Eigengeschmack. Es sei denn, der Fisch war alt?«

      »Nein, nein. Er war ganz frisch.«

      Warum grübelte sie über den Kampfeinsatz an der Front? Weil sie vom Krieg auf die Probe gestellt werden, wesentlich daran teilnehmen wollte. Jeff tat vielleicht nichts, was er für wertvoll erachtete, aber das hatte er sich nicht ausgesucht. Er hatte sich der antifaschistischen Sache verschrieben, und wenn auch sein Einsatz nicht seiner Wahl entsprach, so hatte er trotzdem das ruhige Gewissen eines voll Beteiligten.

      Sogar der Professor hatte die Last der Sehnsucht verspürt, sich nützlich zu machen. Er hatte verschiedenen Ministerien von seiner Arbeit im Ersten Weltkrieg geschrieben (wie er inzwischen genannt wurde, denn man begann, diesen den Zweiten zu nennen). Er erhielt Eingangsbestätigungen, die sich als Formbriefe herausstellten. Alle paar Wochen diktierte er ihr einen Brief über seine Kenntnisse und seinen Wunsch, von Nutzen zu sein, Briefe, die sie mit seinem Kurzlebenslauf an die von ihm genannten Amtsadressen schickte.

      Der Professor hatte seinen alten Austin aufgeblockt, und zwar auf Kriegsdauer, ein Ausdruck, der inzwischen häufig gebraucht wurde. Auf Kriegsdauer geschlossen. Sie merkte, dass er seinen Teller weggeschoben hatte und sie erwartungsvoll ansah. »Was haben wir zum Nachtisch?«

      »Nachtisch?« Sie hatte vergessen, welchen zu machen. »Lass mich schon mal den Kaffee aufsetzen«, versuchte sie Zeit zu gewinnen und floh in die Küche. Einen schnellen Maisstärkepudding machen? Zucker war rationiert, und sie war nicht erpicht darauf, ihre Monatszuweisung zu verbrauchen. Keine Kekse im Küchenschrank. Früher hatte sie sich für solche Fälle einen Süßigkeitenvorrat gehalten, aber das galt heutzutage als Hamstern. Dann fiel ihr ein, dass Mrs. Augustine ihr ein Glas eingeweckte Birnen geschenkt hatte, die von dem Baum im Hof der Augustines stammten. In diesem Jahr blühte der Baum noch nicht, öffnete eben erst seine Knospen. Sie fand die Birnen und überschüttete sie großzügig mit dem restlichen Rum aus der letzten Flasche.

      »Was soll denn das sein?«, fragte er eisig und schaute missbilligend in sein Schälchen.

      »Du weißt, ich kann bei der Zuckerrationierung nicht mehr die gleichen Nachspeisen machen wie früher. Das sind Birnen, von Mrs. Augustine eingeweckt und dann in Rum getränkt.« Nur für fünf Minuten, aber lass es durchgehen, bat sie ihn stumm.

      »Wenn du knapp bist mit Zucker, könnte ich mir vorstellen, dass dir die Garfinkles etwas Ahornsirup überlassen würden. Wir haben immer unseren Sirup von ihnen gekauft.« Er kostete die Birnen und hüstelte. »Ist das der letzte Rum?«

      »Fürchte, ja«, sagte sie forsch. Mit wenig Begeisterung löffelte sie ihren ersten Happen Birne. Sie merkte, sie hatte mehr Rum hineingetan, als sie dachte. Die Wirkung war rau, aber nicht unangenehm, wenigstens für sie, die den Tag in einem ungeheizten Flugzeug, wesentlich kälter als die Felder darunter, zugebracht hatte. Von Zeit zu Zeit genehmigte sich der Professor eine Flasche Wein, die er neben seinen Teller stellte und aus der er ihr gelegentlich ein bescheidenes Gläschen einschenkte. Beim Geschmack von Alkohol musste sie immer an Zach denken und an die Zeit, als Jeff und er unzertrennlich waren und als sie dabei sein durfte, wenn die beiden ihre Gesellschaft duldeten. Wenn ich je von zu Hause fortgehe, dachte sie, werde ich Flugzeuge fliegen und Whisky trinken. Sie lächelte.

      Der Professor fragte: »Schmeckt dir das?«

      »Ja, doch. Wenn es dir nicht zusagt, tut es mir leid, dann lass es einfach stehen und ich esse es.«

      Während sie den Tisch abräumte, tat sie genau das, nahm den rumversetzten Sirup, den er in seiner Schale gelassen hatte, und trank ihn aus einem Glas, während sie das Geschirr abkratzte und für den Abwasch stapelte. In Zachs vorletztem College-Jahr waren sie alle in einer Juninacht auf den Jumpers Mountain gestiegen, und Zach hatte eine silberne Taschenflasche in Form eines Fisches herumgehen lassen, aus der sie Gin tranken. Vom Gin musste sie sich schütteln, aber sie fühlte sich, als tränke sie vom Blut des Erwachsenseins. Ein Übergangsritus. Sie war in Zach verliebt, und dass ihre Lippen das Silber der Flasche berührten, an dem eben noch sein Mund gehangen hatte, machte sie trunkener als der Alkohol.

      Der Mond hatte die Farbe seiner Taschenflasche und schien wie ein Fisch in leichtem Dunst zu schweben. In der Stadt hatte schwerer, süßlicher Ligusterduft gehangen, aber hier roch die Luft nach Balsampfeilkraut und Rottannen. Oben auf den kahlen Felsen des Berges schauten sie in den Mond, dem nur ein Tag zum Vollmond fehlte, und sie hatte das Gefühl, als sähe sie dem Mond aus gleicher Höhe ins Gesicht.

      Es war nicht gänzlich töricht gewesen, sich in Zach zu verlieben: Sie hätte ihn schon aus schlichter Dankbarkeit anbeten müssen, denn er hatte ihr den Weg aus ihrem Raupendasein gezeigt, und wenn sie immer noch überwiegend in einem Kokon lebte, so wusste sie wenigstens, was sie sein wollte, eine Jägerin wie der Mond, die frei durch die Wolkenberge und Windströme streifte.

      Ein- oder zweimal hatte sie hinter dem Steuer eines von Zachs schnittigen schnellen Autos die Freude jener Erweiterung gespürt, jenes Einswerdens mit einer hochempfindlichen, kraftvollen Maschine, die


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