Die verschollenen Traditionen des Okinawa-Karate. Jamal Measara

Die verschollenen Traditionen des Okinawa-Karate - Jamal Measara


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Budō hilft

       Lehrer und Schüler

       Philosophie im Budō

       Kampfkunst und Heilkunde

       II Die Kunst des Kämpfens

       Di – die okinawanische »Hand«

       Die Tradition der Formen

       Beispiele für Kata und Kampfsysteme

       Die Waffen des Karate

       Muskelaufbau und Abhärtung

       Vorbemerkung

       Muskeltraining ohne Hilfsmittel

       Das Makiage kigu

       Das Chishi

       Die Nigirigami und andere Gewichte

       Makiwara – der »Hölzerne Mann« Okinawas

       Abhärtung

       Die Kunst, den Körper leichter und schwerer werden zu lassen

       Kampftechniken

       Einleitung

       Uke waza

       Uchi waza und Tsuki waza

       Keri waza

       Tachi gata

       Ne waza

       Tegumi und Kumite

       Kyūsho

       Die Taktiken des Kampfes

       Anhang

       Die Geschichte Okinawas

       Das Binden des Gürtels auf traditionelle Art

       Anmerkungen

      Der Grund, weshalb ich dieses Buch geschrieben habe, war kein anderer als die Motivation durch meine engsten Schüler. Oft saßen wir beisammen, und sie fragten mich nach Geschichten aus meinem Leben und über Budō aus. »Wenn Sie Ihr Wissen und Ihre Geschichten nicht aufschreiben, dann werden diese Erfahrungen eines Tages für immer verloren gehen«, waren die Worte meiner Schüler.

      Ein weiterer Grund für dieses Buch ist die Hoffnung, dass ich gewisse grundlegenden Dinge über Budō, wie z. B. die Bedeutung von Geduld oder Pünktlichkeit, in Zukunft vor meinen Schülern nicht mehr so oft wiederholen muss. Selbstverständlich kann ein Buch niemals einen Lehrer ersetzen, es kann ihn allerdings unterstützen.

      »Um das Neue zu verstehen, muss man erst das Alte lernen«, lautet ein Sprichwort. Möge dieses Buch dazu beitragen, dass die Schüler die alten Traditionen des Budō besser begreifen und schätzen lernen. Ich wünsche mir auch, dass es vielen Trainern bei ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit helfen wird.

      Es würde mich freuen, wenn Sie dieses Buch auf dem Weg des Budō und im Leben ein Stück voran bringt.

      Jamal Measara

       Kelheim, November 2012

I

      Ein Budōka ohne Geduld ist nichts anderes als ein verrückter Bulle. – Budō-Spruch

Die Charakterschule des Budō

      Auf Okinawa, wie auch in vielen anderen Teilen Asiens, heißt die erste Lektion, die traditionell in der Kampfkunst vermittelt wird, Geduld. In früheren Tagen wählte stets der Meister seine Schüler aus und nicht der Schüler seinen Meister. Heute hingegen gilt es als selbstverständlich, dass man zu einem Kampfkunstmeister geht und von ihm Unterricht gegen Bezahlung verlangt und erhält. Dies ist eine Begleiterscheinung der allgemeinen Kommerzialisierung in den Kampfkünsten.

      Traditionell bittet man den Meister um Unterricht und verlangt ihn nicht. Ob der Meister dieser Bitte nachkommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, so z. B. vom Charakter des Anwärters.

      Kam jemand zu einem Kampfkunstlehrer mit der Bitte um Unterricht, so schickte dieser den Anwärter erst einmal wieder weg. Meist erklärte der Meister ihm, er habe gerade keine Zeit, und er solle doch ein andermal wiederkommen. Damit stellte er die Geduld des Anwärters auf die Probe. Dieses Vorgehen konnte sich wochen- oder gar monatelang hinziehen. So wurde nicht nur die Geduld, sondern auch die Entschlossenheit getestet und gefördert. Entsprang der Wunsch Kampfkunst zu erlernen nur einer Laune, würde der Anwärter nach einigen Versuchen nicht mehr wiederkommen. Der Meister ist darüber für gewöhnlich nicht verärgert, im Gegenteil, er freut sich über die frühe Auslese. Viel ärgerlicher wäre es, wenn er über Jahre hinweg viel Zeit und Kraft in den Schüler investiert und dieser eines Tages die Ausbildung abgebrochen hätte. Blieb der Anwärter jedoch hartnäckig und kehrte immer wieder zurück, so nahm ihn der Meister zumeist als seinen Schüler an. Dies gilt in traditionellen Schulen bis zum heutigen Tag. Eine Empfehlung durch eine angesehene Persönlichkeit oder ein hoher gesellschaftlicher Rang ersparten zwar nicht die Prüfung der Geduld, aber sie erhöhten die Chancen, letztlich vom Lehrer angenommen zu werden.

      Aus der Geschichte des Karate sind zahlreiche solcher Begebenheiten bekannt. Als z. B. Shimabukuro Zenryō (1908 - 1969), der Vater meines Sensei Shimabukuro Zenpo (geb. 1943), einst bei Kyan Chōtoku1 Sensei mit der Bitte um Unterricht vorsprach, sagte dieser nur: »Heute fühle ich mich nicht wohl, komm bitte morgen wieder.« Dies wiederholte sich viele Male. Erst die persönliche Empfehlung durch seinen Schuldirektor verhalf ihm dazu, als Schüler angenommen zu werden.

      In meiner eigenen Kampfkunstlaufbahn wurde meine Geduld oft auf diese


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