Du bist an meiner Seite. Reinhold Ruthe

Du bist an meiner Seite - Reinhold Ruthe


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      Wir können uns auf Jesus verlassen. Denken Sie an die rostige Spitzhacke. Wer aufgibt, der kann keinen Segen empfangen.

       Von allen Seiten überfällt mich das Unglück. Ich kann nicht zählen,

       wie oft es zuschlägt. Meine Verfehlungen haben mich eingeholt,

       ich kann nichts anderes mehr sehen.

      PSALM 40, 13

      Unsere Wahrnehmung kann uns einen Streich spielen. Denn wir sehen, was wir sehen wollen. Unser Blick ist getrübt, unsere Wahrnehmung ist verzerrt. Wer sich auf Negatives konzentriert, wie der Psalmbeter, der sieht nur Negatives und Unglück.

      Der Psalmist hat recht: »Ich kann nichts anderes mehr sehen.« Wir sprechen heutzutage von »Negaholikern«, von Menschen, die nur Fehler, Pleiten und Pannen wahrnehmen. Sie sind fehlerorientiert und werden von Befürchtungen heimgesucht.

      Professor Thielicke hat mal spitzbübisch erzählt: »Um meinen Kindern einen Eindruck von christlicher Standhaftigkeit zu vermitteln, zeigte ich ihnen einmal ein illustriertes Buch über die Kirchengeschichte. Auf einer Seite waren christliche Märtyrer abgebildet, die im Kolosseum den Löwen vorgeworfen wurden. Eines der Kinder schluchzte auf, so tief beeindruckt schien es. Ich fragte den Kleinen: ›Warum weinst du denn so?‹ Der Junge zeigte auf einen der grimmigen Löwen und sagte: ›Der Löwe sieht so traurig aus. Er hat als Einziger noch keinen Christen abbekommen.‹«

      Thielickes Lehrstunde war ein Misserfolg. Die christliche Standhaftigkeit hatte den kleinen Jungen überhaupt nicht beeindruckt, wohl aber der traurige Löwe.

      Was sehen wir? Die Fehler oder den Erfolg? Die Rosen oder die Dornen? Die Blumen oder das Unkraut? Sehen wir Gottes Güte und Barmherzigkeit oder seine strafende Hand? Erkennen wir seine Führung und seinen Willen oder lediglich sein »Schicksal«, das blindwütig zuschlägt?

      Gott schenke uns positive Augen, damit wir seine Wunder wahrnehmen und seine Wohltaten zählen und nicht nur die Unglücksfälle.

       Wer den Sohn hat, der hat das Leben;

       wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.

      1. JOHANNES 5, 12

      Professor Helmut Thielicke schreibt über den Sinn des Lebens Folgendes: »Ich wüsste kein besseres Modell für die Frage, welchen Sinn unser Leben hat, als das Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn. Der junge Mensch geht, um sich selbst zu finden. Damit man sich selbst finden kann, muss man manchmal eigene Wege gehen. Er ging, um die Freiheit kennenzulernen, und sah sich sehr schnell gekettet an seine Triebe; an seinen Ehrgeiz; an die Angst vor der Einsamkeit. Bei seiner Selbstentfaltung entwickelten sich auch die dunklen Seiten seines Wesens. Als er so im Elend des Knechtsdaseins sitzt, da sehnt er sich nach der Freiheit, die er als Kind im Elternhaus gewonnen hat. Freiheit hat er nur, wenn er im Einklang mit seinem Ursprung lebt, wenn er in Frieden mit Gott lebt. Und als er sich zur Umkehr entschließt, ist das kein moralischer Entschluss, sondern eine Wende, die von zitternder Freude und dem Glanz der Hoffnung erfüllt ist. Ich glaube, man wird verstehen, wenn ich die Geschichte als einen entscheidenden Beitrag zur Frage nach dem Sinn des Lebens bezeichnet habe. Denn diesen Sinn gewinnen wir nur, wenn wir die Erfüllung unseres Lebens finden, wenn wir verwirklichen, wozu wir entworfen sind.«

      Unzählige junge Menschen wollen leben. Mit allen Mitteln wollen sie das Leben auskosten. Auch der verlorene Sohn hat die sogenannte Freiheit in vollen Zügen genossen. Aber Sinn, Zufriedenheit und Erfüllung hat er draußen nicht gefunden. Ohne Gott, ohne Christus hat er sein Leben verwirklichen wollen. Er ist gescheitert. Und dann geht er in sich. Er schlägt nicht wild um sich. Er findet den Weg zum Ursprung, zum Vaterhaus zurück. Sein Vater bringt es auf den Punkt: »Er war tot, jetzt ist er wieder am Leben.« Gott wurde in Christus Mensch, um uns wahres Leben zu garantieren. Wer diesen Christus hat, der hat das Leben. Er kann auf tausend Freiheiten verzichten, die den Menschen von heute verführen und ihm ein Scheinleben vorgaukeln. Er hat genug.

       Du zeigst mir den Weg zum Leben.

       Deine Nähe erfüllt mich mit Freude,

       aus deiner Hand kommt ewiges Glück.

      PSALM 16, 11

      Wer mit dem Psalmbeter diesen Vers aus vollem Herzen beten kann, der lebt sinnvoll. Er lebt in der Gegenwart und schaut nicht ständig unzufrieden rückwärts oder resigniert in die Zukunft. Wer der Gegenwart Gottes ausweicht, lebt am Leben vorbei. Die Zeit verrinnt, alles Schöne und Beglückende bleibt ungelebt. In Gedanken ist er im Morgen. Ruhelos und besinnungslos schuftet er vor sich hin. Eine unbegreifliche Angst sitzt ihm im Nacken.

      Der Psychoanalytiker und Arzt Horst-Eberhard Richter kennzeichnet diese Menschen so: »Diese Angst betrifft das Sterben erst sekundär. Primär ist es eine Angst vor dem Leben selbst oder genauer, vor der Leere seines Lebens, dem man den Sinn entzogen hat. Der Zwang zur Fortschrittsperspektive besagt, dass man nicht das Jetzt und Hier bejahen und ausschöpfen kann, sondern sich immer hektisch unterwegs sieht. Das Motto lautet: Immer nur nach vorn und oben blicken. Dabei verliert man den Augenblick. Dann ist es wirklich so, dass das Leben zerrinnt. Man erschrickt über das Tempo des Zerrinnens, weil man eben nie und nirgends mit seinem Bewusstsein wirklich verweilt und zur Gegenwart Ja sagt.«

      Können wir den Augenblick genießen, den Kaffee Schluck für Schluck trinken, die Blüten in ihrer Pracht bewundern, die Vogelstimmen aufnehmen und ein Gedicht in seiner Tiefe bedenken? Wer in seinem Tun und Lassen einen Sinn spürt und wer sein Leben als sinnvoll wahrnimmt, kann zur Gegenwart Ja sagen, kann den Augenblick genießen, kann Stille aushalten, kann verweilen und muss nicht krampfhaft die Zeit ausfüllen.

      Wer die Gewissheit hat: »Du zeigst mir den Weg zum Leben«, der schätzt den Augenblick und genießt die Gegenwart.

       Ihr wisst auch, dass es heißt: »Liebe alle, die dir nahestehen,

       und hasse alle, die dir als Feinde gegenüberstehen.«

       Ich aber sage euch: »Liebet eure Feinde und betet für die,

       die euch verfolgen.«

      MATTHÄUS 5, 43 – 44

      Ist diese Forderung Jesu nicht eine unmögliche Zumutung?

      Als ich einmal nach Süddeutschland unterwegs war, las ich im Zug eine kleine Geschichte. Ein Mann besaß einen Tante-Emma-Laden im Städtchen. Er verdiente nicht schlecht, und er war zufrieden. Aber dann öffnete in der Nähe ein großer Supermarkt, und der Besitzer des Tante-Emma-Ladens geriet in Verzweiflung. Er war Christ, deshalb ging er zu seinem Seelsorger und offenbarte ihm seine Not. Am liebsten hätte er den Supermarkt angezündet, um die übermächtige Konkurrenz loszuwerden. Der Seelsorger riet ihm aber, jeden Tag zuerst für sein Geschäft und dann für den Supermarkt Gottes Segen zu erflehen. Durch diese Gebete änderte der Besitzer des Tante-Emma-Ladens seine destruktive Gesinnung vollkommen, ja er bekam sogar eine gute Beziehung zum Leiter des Supermarktes. Eines Tages musste er dann doch seinen kleinen Laden schließen, aber was passierte? Der Leiter des Supermarktes holte ihn als Filialleiter in sein Unternehmen.

      In der Tat: Es ist mein Denken, das eine Sache positiv oder negativ macht. Wer negativ denkt, handelt negativ.

      Wer positiv betet, ändert seine Denk- und Lebensweise. Wir können uns eine solche Gesinnung von Gott schenken lassen. Denn niemand kann aus eigener Kraft für seine Feinde beten, niemand kann von sich aus mit einer Handbewegung den Hebel von der Feindschaft zur Freundschaft umlegen.

       Ihn ließ er sterben zu unserer


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