Du bist an meiner Seite. Reinhold Ruthe

Du bist an meiner Seite - Reinhold Ruthe


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sich begegnen. Zwei Partner reden miteinander, die ich und du sagen können.

      Beten müssen wir lernen. Nicht umsonst bitten die Jünger ihren Herrn: »Herr, lehre uns beten!« Wer die Hohe Schule des Gebetes lernen will, muss üben. Auch das andere gilt: Wir sollen beten. Jesus erlaubt es nicht nur – er gebietet es uns. Beten heißt: den Vater anrufen. Beten ist in der Tat der ›höchste und wichtigste Gottesdienst‹, wie Martin Luther gesagt hat.

       Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte

       wird er sich über dem Staub erheben.

      HIOB 19, 25

      Aus diesem Bekenntnis spricht eine untrügliche Erfahrung.

      Über Hiob ist das Chaos hereingebrochen. Er sitzt buchstäblich auf den Trümmern seines Lebens. Der Zerschundene und Verzweifelte hält aber aus Erfahrung an seinem Erlöser fest. Er weiß, dass Gott als sein Anwalt lebt. Hiob hat gute und bittere Erfahrungen sammeln müssen. Aber er gibt nicht auf.

      Der ehemalige Präses der Rheinischen Kirche, Peter Beier, hat sich mit Glauben und Erfahrung auseinandergesetzt. Er formuliert: »Legitimiert Erfahrung den Glauben oder lebt der Glaube aus sich selbst? Bedarf er der Sichtbarkeit, bedarf er demonstrierbarer Erfahrung? Die Antwort fällt durchaus nicht so leicht, wie es zunächst scheinen mag. Glaube, der Erfahrung und Erleben ausschließt (als Möglichkeit, als Geschenk, als Einsicht), entleert sich selbst. Das Wort Gottes reizt gerade dazu an, mit diesem Wort Erfahrungen im Alltag der Welt zu machen. Glaube aber, der erst durch Erfahrung legitimiert wird, entwürdigt diesen zu einer menschlichen (religiösen!) Möglichkeit unter anderen, während er doch Geschenk des souveränen Wortes Gottes bleibt, das betrifft und betroffen macht, wo und wann und wen immer es will. Das heißt: Der Glaube hält sich an ein bloßes, hörbares (nicht sichtbares) Wort, das auch ebenso wohl eine Illusion sein könnte, und wagt es, damit zu leben – selbst wenn alle religiöse Erfahrung ausbleibt. Spiritualität als Methode von Selbstvergewisserung oder gar Selbstdarstellung christlichen Glaubens ist unevangelisch und für mein Empfinden verwerflich.«

      Hiob wäre in Verzweiflung untergegangen, wenn er lediglich blutleere dogmatische Formeln nachgesprochen hätte. Hiob weiß, dass sein Erlöser lebt. Haben wir auch diese Glaubensgewissheit erfahren?

       Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

      MATTHÄUS 6, 10

      Den Willen Gottes zu akzeptieren fällt nicht leicht. Die Bitte im Vaterunser-Gebet ist für viele Menschen eine Anfechtung.

      Johann Sebastian Bach, der berühmte Kantor der Thomaskirche in Leipzig, war im Alter blind geworden. Da teilte ihm sein Freund, Pfarrer D., eines Tages mit, dass ein berühmter Augenarzt in die Stadt gekommen sei und sich bereit erklärt habe, seine Kunst an ihm zu versuchen, wenn er sich einer Operation unterwerfen wolle. »In Gottes Namen!«, sagte der alte Bach. Schließlich kam der Tag, aber – die Operation misslang! Als der Arzt nach vier langen Tagen die Binde von Bachs Augen löste und die umstehende Familie den geliebten Vater erwartungsvoll fragte: »Kannst du sehen?«, antwortete er: »Des Herrn Wille geschehe! Ich sehe nichts.« Als alle Umstehenden darüber weinten und den alten Mann bemitleiden wollten, rief er: »Singt mir lieber mein Lieblingslied: ›Was mein Gott will, geschehe allzeit, sein Wille ist der Beste!‹«

      Gebetserhörungen sind in der Welt der Christen alltäglich. Aber genauso alltäglich sind Gebete, die sich nicht erfüllen, wenn Menschen es wünschen. Es sterben unschuldige Kinder an Krebs, es sterben Menschen im Krieg. Und bei Terroranschlägen werden sowohl Christen als auch Menschen ohne Gott zum Opfer. Eine Frau sagte mir einmal im Gespräch: »Ich habe gebetet wie ein Weltmeister, aber geschehen ist nichts.«

      Wie sagte Dietrich Bonhoeffer: »Gott erhört alle unsere Gebete, aber er erfüllt nicht alle unsere Wünsche.« Ich möchte mich auf das Mut machende Lutherwort stützen: »Wenn nicht geschieht, was wir wollen, geschieht, was besser ist.« Gott schenke uns das Vertrauen, diese Wahrheit realisieren zu können.

       Da antwortete Simon Petrus und sprach:

       Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.

      MATTHÄUS 16, 16

      Petrus gibt ein persönliches Zeugnis aus persönlicher Erfahrung. Dieses Bekenntnis ist kein auswendig gelernter Satz aus dem Katechismus. Dieses Wort ist mehr als eine wichtige Antwort auf eine theologische Frage. Ein amerikanischer Theologe schreibt: »Über persönliche Erfahrungen des Glaubens spricht man in vielen protestantischen und katholischen Kirchen selten oder überhaupt nicht. In lutherischen Pastorenkonventen sprechen Pastoren über Christologie und Ökologie, über Sexualität und Informatik, aber so gut wie nie über persönliche Erfahrungen mit Jesus. Die Sprache der Frömmigkeit als Ausdruck der Liebe zu Jesus ist tabuisiert. Hier herrscht unter emanzipierten ebenso wie unter konservativen Theologen eine merkwürdige Prüderie.«

      Helmut Thielicke drückt sich so aus: »Deshalb also verhalten die Jünger sich nicht wie die Angestellten eines Archivs, die mit historischen Dokumenten hantieren, sondern sie sind Zeugen eines schicksalhaften Geschehens, das ihr Leben aus den Angeln gehoben hat. Darum ist das Bezeugte niemals ablösbar von ihnen selbst und von dem Reim, den sie sich darauf machen können. Der Zeuge redet immer auch von sich selbst und von dem, was ihm begegnet ist. Er redet sehr persönlich, und man sollte das nicht durch den Begriff ›subjektiv‹ verballhornen. So können sie über das Vergangene und einst Geschehene mehr berichten, ohne es ständig durch den Erfahrungsschatz zu kommentieren.«

      Erfahrungen sind immer auch menschlich gefärbt. Unser Temperament und unsere Persönlichkeit spiegeln sich in den Erfahrungen. Solche Einsichten können wir nicht unter den Teppich kehren. Aber ohne intensive Erfahrungen mit Jesus bleibt unser Glaube blutleer. Welche Erfahrungen haben Sie mit Jesus gemacht?

       Du selbst bist die Quelle, die uns Leben schenkt.

      PSALM 36, 10

      Eine Quelle ist lebensnotwendig. Wenn die Quelle versiegt, fließt kein Wasser mehr. Das hat zur Folge, dass auch das Leben stirbt.

      Pfarrer Konrad Eißler erzählt von einer Freizeit, die er mit 50 Jungen veranstaltete. Gemeinsam radelten sie erst um den Bodensee, dann ging es hinauf zu einer Almhütte. Schlafen in Viehboxen, Essen im Heuschober und Trinken aus dem Brunnen vor dem Tor waren angesagt. Und dann passierte es: Aus dem Brunnenrohr kam kein Wasser mehr! Der alte Senn wurde alarmiert. Der kletterte den Berg hinauf und untersuchte den Brunnen. Schließlich zog er eine tote, bereits aufgedunsene Kröte aus der Leitung. Deshalb hatte das Wasser auch einen solch dumpfen Beigeschmack gehabt! Aber von da an sprudelte das Wasser wieder quellfrisch. Pfarrer Eisler wörtlich: »Nun gibt es nicht nur Quell-, sondern auch Lebenswasser. Bei manchen läuft es spärlicher. Das arme Rinnsal wird zum dünnen Faden und hört schließlich ganz auf. Eine Katastrophe für die durstige Seele. Es gibt ja nicht nur verendete Kröten, die das Rohr verstopfen, sondern auch gestorbene Hoffnungen, gestorbene Planungen, gestorbener Glaube. Einen menschlichen Rohrputzer, einen ›Mister Rohrfrei‹ gibt es nicht. Aber wir wissen um einen anderen. Der Heilige Geist ist der richtige Rohrputzer. Er kann verstopfte Leitungen frei blasen.«

      Jesus ist die Quelle und das Wasser des Lebens zugleich. Leben wir aus ihm oder aus Wasserlöchern, die Leben versprechen, aber einen unstillbaren Durst hinterlassen? Menschen hungern nach einem erfüllten Leben. Er ist der Sinn und der Kern wahren Lebens. Der Psalmist hat es erfahren: »Du bist die Quelle, die uns Leben schenkt.«

       Wenn zwei unterwegs sind und einer hinfällt, dann hilft der

       andere ihm wieder auf die Beine. Aber wer allein geht,

      


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