Endlich sorgenfrei!. Reinhold Ruthe
nach dem Aufwachen und eine halbe Stunde später nahmen die 156 Teilnehmer Speichelproben, aus denen sich der Cortisolspiegel ermitteln ließ. Die Probanden führten außerdem Tagebuch über ihre Gedanken und Gefühle. Die statistische Analyse offenbarte ein auffälliges Wechselspiel von negativen Gefühlen und Cortisol. Die Tageserlebnisse beeinflussen die Menge des Stresshormons. Und der Cortisolspiegel wiederum beeinflusst das Erleben: Wer gestresst ist, den nehmen unangenehme Alltagserlebnisse stärker mit.“3
Sorgenmenschen, die mit Einsamkeit und sozialer Ausgrenzung oder sozialer Zurückweisung zu tun haben, sind belasteter und schädigen eindeutig ihren Organismus.
Sorge und Glück
Die Erforschung von Glück ist heute ein fester Bestandteil von Untersuchungen. Was sind die Kennzeichen von „subjektivem Wohlbefinden“? Was sind die Eigenschaften von sorglosen Menschen? Eindeutig:
Es gibt unterschiedliche Wege zum Wohlbefinden.
Es gibt unterschiedliche Wege, im weitesten Sinne sorglos zu leben.
Die Forschung hat drei glückstiftende Lebensstile herausgefunden, so jedenfalls beschreibt der Chefredakteur der Zeitschrift „Psychologie heute“ die Situation.
„, Den Hedonismus‘: Glück als Genuss angenehmer, lustbetonter Dinge bei gleichzeitiger Vermeidung lustfeindlicher Fakten.
Das, sinnerfüllte Leben‘, in dem man vor allem nach tieferem Lebenssinn strebt und danach, die eigenen Tugenden und Charakterstärken in den Dienst einer höheren Sache zu stellen.
Das, aktive Leben‘, in dem die Vervollkommnung der eigenen Fähigkeiten und Interessen im Vordergrund steht, zum Beispiel das Engagement im Beruf.“4
Für uns Christen spielt der „Sinn des Lebens“ eine entscheidende Rolle.
Wer sein Leben aus Gottes Hand nimmt,
wer von Herzen für alles in Liebe dankbar sein kann,
wer neugierig und hoffnungsstark an alle Probleme herangeht,
wer mit der Welt und Gottes Führung übereinstimmt, der ist im weitesten Sinne ein glücklicher, zufriedener und relativ sorgloser Mensch.
Die Forscher haben noch einen Botenstoff im Gehirn entdeckt, der für das Wohlbefinden eines Menschen entscheidend verantwortlich ist. Heiko Ernst beschreibt das Ganze so:
„Glück, so sieht es Nettle, beruht nicht auf Begehren oder Genießen allein, es braucht einen dritten chemischen Stoff im Gehirn, nämlich Serotonin. Dieser Botenstoff, der auch als Bestandteil antidepressiver Medikamente verwendet wird, ist verantwortlich für die Balance zwischen negativen und positiven Gefühlen. Er kann Sorgen, Furcht oder Panik eindämmen und friedlich, gelassen und sozial stimmen. So beeinflusst Serotonin unsere Kontaktfreudigkeit und Kooperationsbereitschaft, beides Verhaltensweisen, mit denen wir unser ‚soziales Kapital‘ vermehren können und so längerfristig unser Glück festigen.“5
Die Produktion von Serotonin hängt aber auch mit unserer Lebenseinstellung zusammen. Wer positiv denkt, wer einen ausgeglichenen und relativ sorgenfreien Lebensstil hat, produziert mehr Serotonin, produziert mehr zufrieden machende Botenstoffe. Darum haben wir Menschen es auch in der Hand, wie zufrieden, sorglos, gelassen und glücklich wir sind.
Sorgen und Bluthochdruck
Bluthochdruck ist ein häufiges Leiden. Oft werden keine organischen Ursachen festgestellt. Seit langem ist bekannt, dass es sich um eine Krankheit handelt, in der die Persönlichkeit des Kranken eine große Rolle spielt. Bluthochdruck ist eine Reaktion auf Störungen der Erlebnisverarbeitung. Die sogenannte „essentielle Hypertonie“ ist an spezifisch menschliche Konfliktsituationen gebunden. Seelische Spannungen setzen sich in Bluthochdruck um.
Die Forscher nehmen an, dass Fehleinstellungen des vegetativen Nervensystems und eine Fehlfunktion hormoneller Drüsen den Kreislauf „unter Druck setzen“. Der Blutdruck, der normalerweise systolisch gleich Lebensalter plus 100 betragen darf, diastolisch nicht über 90 steigen soll, erreicht stark überhöhte Werte. Es können sich einstellen:
Kopfschmerzen,
Atemnot,
Herzklopfen,
die linke Herzkammer erweitert sich, die Gefäße verkalken,
Müdigkeit,
Nervosität,
Sklerose der großen und kleinen Arterien.
Die Lebensstildeutung in Seelsorge, Therapie und Beratung ergibt, dass die Ratsuchenden häufig ängstliche oder aggressive Gefühle in sich tragen. Die Umwelt wird häufig als feindlich erlebt. Dieses Gefühl erzeugt eine ständige Angespanntheit. Diese Angespanntheit scheint die kleinen arteriellen Gefäße spezifisch zu verengen. Professor Josef Rattner schreibt:
„Fast alle essentiell Hochdruckkranken, die tiefenpsychologisch untersucht wurden, standen in schweren Konflikten mit ihrer familiären oder beruflichen Umwelt und trugen unbewusst ihre menschlichen Komplikationen in ihrem Körpergeschehen aus; daher können sie selten durch medikamentöse Beeinflussung geheilt werden und bedürfen hauptsächlich der Psychotherapie, durch die sie instandgesetzt werden, ihre Lebensschwierigkeiten bewusst und verantwortlich zu bewältigen.“6
Ratsuchende müssen ihren Lebensstil umstellen. Das heißt:
Sie müssen ihre Gehetztheit aufgeben,
sie müssen lernen, sich ausgiebig zu entspannen,
sie müssen ein inneres Gleichgewicht finden und ihre feindseligen Gefühle abbauen.
Besonders Christen sind gefährdet, die gelernt haben, ihre Aggressionen, ihren Ärger und ihre Wut zu unterdrücken. Und diese unterdrückten Wut- und Aggressionsgefühle sind es, die den Blutdruck in die Höhe treiben. Die Freundlichkeit vieler Christen ist leider gespielt. Sie wollen friedlich und freundlich erscheinen, weil Liebe das Markenzeichen der Christen ist, aber sie verstecken und unterdrücken ihre negativen Gefühle. Es ist unglaublich, wie schon vor einigen tausend Jahren das Alte Testament diese Zusammenhänge durchschaut hat. In Psalm 32 heißt es (beispielsweise):
„Herr, erst wollte ich meine Schuld verschweigen, doch dann wurde ich so krank, dass ich von früh bis spät nur stöhnen konnte. Ich spürte deine Hand bei Tag und Nacht; sie drückte mich zu Boden, ließ meine Lebenskraft entschwinden wie in der schlimmsten Sommerdürre.“ (Psalm 32, 3 ff)
Mit erstaunlicher Klarheit werden psychosomatische Zusammenhänge geschildert. Schon vor einigen tausend Jahren hatten die Schreiber der Bibel Einblicke in das, was wir heute Psychosomatik nennen. Die Menschen gehen heute zum Arzt und sagen:
„Mein Blutdruck macht mir Sorgen!“
„Ich habe große Sorge, Herr Doktor, mein Blutdruck ist viel zu hoch!“
Welche Probleme verstecken sich hinter den Sorgen?
Das ist die eigentliche Frage. Die Sorgen sind lediglich Umschreibungen für tiefer liegende Schwierigkeiten und problematische Einstellungsmuster.
Sorgen sind eine Form des Lebensstiles,
Sorgen sind eine Frage meiner Überzeugungen,
Sorgen sind eine Frage meiner Lebenseinstellung.
Noch einmal der Arzt und Psychotherapeut Professor Dr. Rattner über die eigentlichen Ursachen im Hinblick auf Bluthochdruck:
„Übertriebene Gewissenhaftigkeit, Jähzorn, ruheloser Ehrgeiz, unglückliche Ehesituation, Neid, Hass, Eifersucht und so weiter können über das vegetative Nervensystem den Blutdruck in die Höhe schnellen lassen. Das Typische im Leben des hiervon betroffenen Menschen ist jedoch fast immer der