Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

Der mondhelle Pfad - Petra Wagner


Скачать книгу
streichelte Ninives gerundeten Bauch, den das Eisenkraut umrahmte, aber nicht verdeckte, und rutschte an seinem eigenen Rock den Beifuß zurecht … Silvanus und Tarian zupften johlend an Nions allzu kurz geratenem Röckchen herum, als könnten sie es durch Gegröle doch ein Stück verlängern … Nion sah derweil zufrieden in die Runde, weil viele aufmerksam wurden und kicherten … Noch schlimmer war es bei den jungen Maiden, die noch nicht ihre Weihe hatten. Die trugen tatsächlich nur einen Rock, obwohl manche von ihnen schon üppige Brüste vorzeigen konnten.

      Loranthus wurde es ganz warm unter seinem behaarten Blattwerk. Erschrocken schielte er nach unten, um zu prüfen, ob nichts die Formvollendung seines Meisterwerkes störte. Sicherheitshalber lenkte er sich mit den freien Oberkörpern der Männer ab, das entspannte … Sehr schnell sogar, denn da bekam er nun massenhaft Muskeln zu sehen.

      Nachdenklich strich sich Loranthus über die Brust, als müsse er sich auf das Kraulen der dortigen Haarkringel konzentrieren und betastete dabei unauffällig seinen Bauch … noch einmal zur Kontrolle … Doch, da war schon was! Zwar noch nicht viel, aber wenn er weiter so fleißig auf den Feldern arbeitete, konnte er vielleicht schon bald mithalten. Bis er so aussehen würde wie Conall und Arminius, müsste er allerdings die Felder des gesamten Königreiches beackern, des Großkönigreichs wohlgemerkt.

      Bloß gut, dass keiner seine Gedanken lesen konnte. Also lachte auch keiner über ihn, während sie in Gruppen zusammen standen und erzählten und erzählten und erzählten. Wenn es nichts mehr zu erzählen gab, löste sich die Gruppe auf und hatte sich nach ein paar Schritten schon wieder umstrukturiert. Austausch von Neuigkeiten im keltischen Stil – unterhaltsam und effizient.

      Loranthus hätte mit diesem besonders interessanten Informationstanz noch den ganzen Abend zugebracht, wenn nicht Lavinia und Robin so schnell angerannt gekommen wären, dass ihre Kräuterröckchen wie im Orkan hüpften und flatterten.

      Natürlich drehten sich alle sofort um und komprimierten sich zum Pulk, denn es war ja wohl offensichtlich, dass hier die neuesten Neuigkeiten auf sie zugestürmt kamen. Dementsprechend lauschte jeder höchst aufmerksam, während Lavinia und Robin aufgeregt von ihrem Besuch bei Tinne und dem winzigen Baby erzählten, sowie mindestens zwei Dutzend Fragen gleichzeitig beantworteten.

      Erst, als keinem mehr etwas fragwürdig erschien, durften sie mit den anderen Kindern über die Wiese toben. Da die Hunde dort auch mit rannten, war es schwer zu sagen, wer mehr Lärm machte, doch als die Hörner von der Burgmauer dröhnten, herrschte sofort Ruhe.

      Hunde und Kinder eilten zu ihren Familien zurück und starrten erwartungsvoll zur Burg – ja, sogar die Hunde, aber eventuell aus einem anderen Grund.

      König Gort trat zum Burgtor heraus. Hinter ihm gingen der Barde, Königin Elsbeth und Elektra. Auch sie waren im Kräutergewand und ihre Torques erstrahlten seltsam deplatziert in der Abendsonne. Barbarenkönig mit Anhang im Festgewand. Loranthus biss sich auf die Zunge und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Barden, der auf seiner Leier eine Melodie zupfte, zu der die Königsfamilie majestätisch einher schreiten konnte. Im konkreten Fall also eine Rotte musikalischer Wilder in Grün mit Rhythmusgefühl.

      Bei allen Göttern des Olymp! Warum hatte ihn keiner gewarnt?! Elektra hatte auch noch nicht ihre Weihe!

      Loranthus schnappte nach Luft, verbeugte sich hastig und tief, schielte aber in die entgegengesetzte Richtung. Seine Augen waren derartige Verrenkungen nicht gewöhnt und starrten natürlich auf die falsche Stelle, sodass er mehr fühlte, wie Elektra an ihm vorüber raschelte, als dass er es sah.

      Dafür atmete seine Nase ganz von selbst genüsslich ein, Elektra roch immer so herrlich nach Rosenöl. Diesmal vermischte sich der Duft ihrer Haut mit dem Wohlgeruch von Eisenkraut. Noch ein tiefer Atemzug und Loranthus wurde es schlagartig heiß unter seinem tragbaren Schattenspender.

      Die wildesten Phantasien überkamen ihn im Bruchteil eines Wimpernschlages und er rannte gerade hinter Elektra über eine üppige Blumenwiese, als die Hörner riefen und er mitten im Hechtsprung gegen einen Stier krachte. Durch den Rückprall landete er inmitten von grünen Büschen und wollte sich auf einem bequemen Heuhaufen ausruhen, wurde aber mit kräftigem Rückenwind stetig schwebend weiter befördert und nach der Landung ziemlich rabiat in die Erde gepflanzt.

      Schwachsinn, natürlich stand er im Kreis um den Opferplatz, flankiert von Conall und Arminius, im Rücken Silvanus. Elektra, gegenüber auf der anderen Seite des Scheiterhaufens, zwinkerte ihm zu. Leider war nur ihr Kopf zu sehen, doch das hinderte Loranthus nicht am Weiterträumen, der Barde spielte dazu noch die passende Melodie namens ‚schwimmen in den Sonnenuntergang hinein‘.

      Die hohen Druiden kamen nacheinander durch das Burgtor und warfen Blütenblätter vor sich auf den Weg. Über diese Blüten liefen zwei junge Stiere und zwei große Schafböcke. Sie wurden von niederen Opferdruiden geführt, waren wieder übervoll mit Blumen behängt und ihre Hörner glänzten golden.

      Während sich Loranthus mit Elektra in einer heißen Quelle vergnügte, überlegte er nebenbei, wie viel Gold der Clan von Viviane wohl besaß. Sie mussten sehr reich damit gesegnet sein, wenn sie es so vielen Opfertieren um die Hörner legen konnten.

      Afal stellte sich neben die aufgeschichteten Holzscheite und die anderen Druiden schlossen zu ihm auf. Wie nicht anders zu erwarten, trugen auch sie ein Kräutergewand und die Frauen sahen richtig schick aus, stellte Loranthus fest, als er von Viviane über Madite zu Fea sah. Selbst Amaturix trug sein Röckchen mit Würde und enthüllte seine kräftigen Beinmuskeln; während Gardan eher sehnig gebaut war.

      Nur Afal verbarg seinen Körper samt Grünzeug unter seinem abstrakten Umhang aus allen möglichen Tierfellen. Die angehängten Rabenfedern bewegten sich leicht, als er vor den Opfertieren entlang ging und allen eine Handvoll Kräuter aus seiner goldenen Schale reichte.

      Als die Tiere bereitwillig kauten und ins Gras nieder sanken, erhaschte Loranthus einen zufriedenen Blick von Viviane. Sie schien aber nicht erfreut wegen der schnellen Wirkung der Kräuter … oh, nein! Sie hatte ganz offensichtlich eine Spinne an ihrem Bauchnabel entdeckt. Nun versuchte sie diese vorsichtig ins Gras zu setzen, doch jedes Mal, wenn sie dachte, sie hätte es geschafft, hing die Spinne immer noch am Faden und der an ihren Fingern. Geduldig versuchte sie es weiter und schien sogar auf die Spinne einzureden … Amaturix beteiligte sich an der Diskussion und endlich wurden ihre Mühen belohnt, vielleicht ergriff die Spinne auch freiwillig die Flucht.

      Loranthus plusterte die Backen auf. Er musste Schwerstarbeit leisten, um die Lippen zusammengepresst zu lassen, denn nun war das Bild, das er früher von den Keltoi gehabt hatte, wirklich perfekt: Ein Haufen Barbaren – die Opfertiere niedergestreckt – im Gras versammelt um ein Opferfeuer. Da Sommer war, trugen sämtliche Bewohner des wilden Landes die luftige Variante zum Fellkleid. Dennoch hatten zwei von den Wilden namens Viviane und Amaturix ganz offensichtlich schon einen Hitzeschaden, weil sie mit glückseligem Lächeln einer Spinne hinterher winkten.

      Wild entschlossen, nicht an Atemnot zu sterben, konzentrierte sich Loranthus auf Afal, der auf den Stirnen der Tiere das Zeichen der vier Himmelsrichtungen machte. Dazu sang er das Dankeslied, das er schon zu Beltaine gesungen hatte.

       „Ich war ein Wurm und gab mein Leben dem singenden Vogel. Er dankte mir dafür.

       Ich war ein Frosch und gab mein Leben dem anmutigen Adebar. Er dankte mir dafür.

       Ich war eine Maus und gab mein Leben dem schnellen Fuchs. Er dankte mir dafür.

       Ich war ein Hase und gab mein Leben dem starken Wolf. Er dankte mir dafür.

       Ich bin ein Mensch und nehme euer Leben. Ich danke euch dafür.“

      Als er geendet hatte, waren die Tiere schon so betäubt von den Kräutern, dass sie friedlich schliefen. Afal schnitt ihnen die Ader am Hals auf und die Opferdruiden hielten ihre Schalen darunter. Afal und König Gort gingen wieder mit den seltsamen Kannen um den Opferplatz herum und brachten ihr Trankopfer dar.

      Die Fleischstreifen, Herzen, Lebern und die Füllung für die Mägen wurden ebenfalls wieder in großen Holzbottichen mit Salz und Kräutern vermengt.


Скачать книгу