Highcliffe Moon - Seelenflüsterer. Susanne Stelzner

Highcliffe Moon - Seelenflüsterer - Susanne Stelzner


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bestieg.

      Begleitet von sanften Chill-out-Klängen erreichten wir zügig die Autobahn. Und standen im Stau. »Was ist denn hier los?«, schnaubte Charlie. »Das kann doch nicht wahr sein.« Es ging nur noch im Schritttempo voran. Ich stemmte meine Füße gegen das Armaturenbrett, legte meine Hände in den Nacken und atmete laut durch den Mund aus. Charlie trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad und kaute heftig auf ihrem Kaugummi herum. »Val, nimm bitte die CD raus, lass uns mal Radio hören. Vielleicht sagen die was. So ein Mist«, fluchte sie weiter. »Ich hatte wirklich nicht die Absicht, mein Wochenende auf der Straße zu verbringen.«

      Ich stellte auf Radio um und musterte sie prüfend. Sie wirkte angespannt. »Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Du bist irgendwie neben der Spur. Hat das mit Tobey zu tun?«

      »Tobey, immer wieder Tobey. Bist du es nicht langsam leid, dir das anzuhören?«, fragte sie müde lächelnd.

      »Charlie, du bist meine beste Freundin und, ja, natürlich würde ich es mir immer wieder anhören«, entgegnete ich inbrünstig. »Also, komm schon, erzähl, was ist los?«

      Sie atmete tief ein und aus. »Ach, es ist … Ich verstehe ihn im Moment einfach überhaupt nicht. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Wir hatten letztens ein langes Gespräch über unsere räumliche Trennungssituation. Tobey will nun doch auf jeden Fall sein Studium dort fortsetzen und meinte nun, dass es hart wird mit einer Fernbeziehung, die so lange dauert. Er hat daher vorgeschlagen, dass wir eine Pause einlegen und uns mit anderen verabreden sollten. Sag mal, ist das nicht krass? Das ist doch Schlussmachen oder was würdest du davon halten?«

      Ich war geschockt. »Das hört sich allerdings ganz so an«, sagte ich stockend. »Ist das wieder eine seiner Provokationen oder meinte er es ernst?«, fragte ich kopfschüttelnd.

      »Sieht so aus«, sagte Charlie grimmig.

      »Dass er es ernst meint?«

      »Ja.«

      »Wie soll denn so was funktionieren? Ihr springt beide mit anderen in die Kiste und danach kommt ihr wieder zusammen, als wäre nichts gewesen? Sorry, aber das ist echt krank, wenn er sich das so vorgestellt hat. Dann ist Schlussmachen die bessere Alternative. Wie soll denn später wieder Vertrauen in eurer Beziehung entstehen?«, ereiferte ich mich entrüstet. »Ihr würdet euch doch beide ständig fragen, mit wem der andere was hatte und wie ernst es war. Also wirklich, Charlie, der spinnt doch.« Ich mochte Tobey wirklich, aber diesen Vorschlag fand ich abartig. »Außerdem, wenn einmal die Hürde Sex mit anderen in der Beziehung genommen wurde, ist sie immer wieder leicht zu überschreiten. Das ist jedenfalls meine Meinung«, stellte ich klar und verschränkte missbilligend die Arme.

      Charlie fuhr wieder ein paar Meter und stoppte erneut. Mit traurigen Augen sah sie mich an. »Ich sehe es ganz genauso. Das Problem ist nur, ich liebe Tobey und will nicht Schluss machen. Aber ich will auch diesen Scheiß mit der Unterbrechung nicht. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«

      Sie tat mir so leid. Liebe konnte ganz schön wehtun. Ich war in diesem Moment froh, dass ich keinen Freund hatte, der mich in so ein Gefühlschaos stürzen konnte.

      »Aber überleg mal, Charlie, wenn er dich genauso lieben würde wie du ihn, würde er dann so einen Vorschlag machen? Das könnte er doch gar nicht, weil er vor Eifersucht platzen würde. Oder?«

      Sie beantwortete die Frage nicht, denn ich hatte das ausgesprochen, was sie eigentlich gar nicht hören wollte. Vielleicht hatte ich es zu hart formuliert. Aber ich würde ihr mit meiner ehrlichen Meinung sicher mehr helfen, als wenn ich die Dinge schönredete.

      Wieder fuhr Charlie den Wagen an. »Na endlich, das wurde ja auch Zeit«, grantelte sie gereizt.

      Es ging jetzt ein wenig schneller voran, daher setzte ich mich wieder gerade in den Sitz und zog den Gurt stramm.

      »Weißt du«, sagte Charlie langsam, »das Schlimme ist, dass du zu hundert Prozent recht hast. Trotzdem kann ich nicht aus meiner Haut.«

      »Es ist aber auch total blöd, solche Dinge am Telefon zu besprechen«, warnte ich. »Man sollte sich dabei in die Augen sehen. Dann erkennt man viel mehr und wird eher das Richtige tun. Glaub ich wenigstens. Aber ich bin keine Fachfrau in diesen Dingen.«

      »Doch, Val, du durchblickst das alles unheimlich klar. Ich muss mich echt wundern. Du bist jünger als ich und trotzdem … ja … weiser.«

      »Nun hör aber auf«, protestierte ich.

      »Doch, ist so.« Charlie nickte und schob nervös die Lippen hin und her.

      Ich wehrte ab. »Nein, ich denke, es ist einfach so, dass ich alles von einer gewissen Distanz aus betrachten kann, weil ich da nicht emotional drinstecke. Das macht es sicher leichter, Dinge klarer und objektiver zu sehen.«

      »Sicher, das ist natürlich auch richtig.«

      Sie hatte inzwischen wieder eine gute Reisegeschwindigkeit erreicht und starrte eine Weile schweigend durch die Windschutzscheibe. Auf einmal kam Spannung in ihren Körper. »Val, ich hab mich eben entschieden. Ich werde nächste Woche, wenn er zwei wichtige Klausuren hinter sich hat, zu ihm rüberfliegen. Dann soll er mir das alles noch mal ins Gesicht sagen, wenn wir uns gegenüberstehen. Und dann werde ich entscheiden«, ließ sie feierlich verlauten. »Danke.« Sie wirkte erleichtert, diese Entscheidung getroffen zu haben. Und hoffnungsvoll.

      »Das ist sicher das Beste«, bestätigte ich.

      Sie nickte langsam und packte das Lenkrad noch fester an. Dann wandte sie wie ausgewechselt den Kopf zu mir um. »Nun genug von mir. Wie war deine erste offizielle Fahrstunde?«

      »Sehr gut!«, antwortete ich begeistert. »Mr Leighton ist echt sehr nett.«

      »Und wie kamst du mit dem Verkehr klar?«

      »Eigentlich kein Problem. Habe nur ein paar Verkehrszeichen übersehen.«

      »Ach ja?« Sie hob die Augenlider weit nach oben. »Hoffentlich keine wichtigen?«

      »Nur ein Stoppzeichen«, sagte ich, es übertrieben als nichtig abtuend.

      »Ach so, dann ist es ja nicht so schlimm«, meinte sie sarkastisch grinsend. »Nein, im Ernst, Val, wenn du dich reinhängst, kannst du doch relativ schnell die Prüfung machen.«

      »Hab ich auch vor.«

      »Beeil dich mal, dann kannst du mich bald kutschieren.«

      »Auf jeden Fall«, erwiderte ich selbstbewusst.

      Der Stau löste sich auf und wir kamen wieder richtig gut voran. Im Radio sprachen sie von der Notlandung einer kleinen Privatmaschine auf der Autobahn, aber wir hörten nicht mehr richtig hin und wechselten wieder zum CD-Player.

      Das Treppenhaus roch angenehm nach Reinigungsmitteln, als wir in den ersten Stock hinaufgingen. Charlie schloss die überdimensionale, schwarz lackierte Wohnungstür auf und legte ihre Handtasche und die Autoschlüssel auf das hohe Tischchen unter dem großen Flurspiegel. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer. Wir ließen unser Gepäck auf die hellen Holzdielen fallen und warfen uns in die beiden vor dem Fenster stehenden Sessel. »Tadaaa«, machte Charlie und breitete die Arme wie zu einem Willkommensgruß aus. Wir lachten uns an, doch ich wurde von dem desaströsen Motiv auf ihrem Shirt wieder hypnotisch angezogen und mein Blick rutschte unweigerlich herab. Ich verzog gequält das Gesicht.

      »Was?«, funkelte sie mich unwirsch an.

      »Charlie, das Shirt ist grauenvoll.«

      »Findest du?«

      »Absolut.«

      »Warum hast du das nicht in New York gesagt?«

      »Hab ich doch. Als du es anprobiert hast. Du hast es an mir vorbeigeschmuggelt. Ich hab’s erst in dem Café wiedergesehen.«

      Die Ertappte grinste scheinheilig. »Ach ja, stimmt.« Sie blickte an sich herunter. »Ist es wirklich so schlimm?«

      »Scheußlich wäre noch geschmeichelt. Meine Augen brennen schon«, bestätigte ich ihr in unwiderruflichem Ton.

      Sie


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