Tausend und eine Nacht. Max Geißler
wirst du noch viel Mühsale zu bestehen haben«, antwortete der Greis; »morgen wollen wir auf einen hohen Berg steigen, und dann sollst du das Meer übersehen.«
Am anderen Tage reisten sie zu dem Berge und kamen in einen Hof, darin stand ein riesengroßes Bild aus Erz. Mehrere Röhren gingen davon aus und gossen Wasser in ein weites Marmorbecken.
Der Einsiedler zündete ein Feuer an und warf einiges Räucherwerk hinein. Dazu murmelte er unverständliche Worte. Dann entstand ein Unwetter, Blitze zerrissen die Wolken, und die Donnerschläge hallten durch die Gebirge.
Das Wetter legte sich endlich, und das Getöse schwieg. Der Greis aber sprach: »Gehe hinaus und betrachte das Meer, welches dir undurchschreitbar erschien!«
Da war das Meer verschwunden, und kein Tropfen Wasser rann, wo vorher die Wogen in Unermesslichkeit gebraust hatten. Der Einsiedler aber war nicht mehr zu sehen.
Asem setzte seinen Weg fort und erreichte endlich die fliegenden Inseln.
Dies Land war ein Wunder an Herrlichkeit. Alle Büsche und Bäume standen in Blüten, und diese Blüten welkten nicht; denn die fliegenden Inseln tragen den ewigen Frühling.
Er traf eine alte Frau, die fragte er nach dem Palaste der Königin, und sie versprach, ihn dahin zu führen.
»Mein Sohn«, sagte sie, »deine Gattin hat seit ihrer Trennung von dir viel Leid erduldet. Ich bin oft Zeugin ihrer schmerzvollen Reue geworden, und ich habe mich vergeblich bemüht, ihren Kummer zu lindern; denn das Volk dieser Inseln hat beschlossen, sie zu töten, weil sie ihre Hand einem Manne gereicht hat, der nicht aus dem Geschlechte der Bewohner dieses Landes ist. Schon morgen soll sie ihr Leben lassen, ihr Aufenthalt aber ist ein vergitterter Kerker.«
Die Alte verschaffte sich mit vieler List Eingang zu der schönen Königin, denn sie war die Wärterin ihrer Kindheit gewesen.
»Tröste dich«, sprach sie zu ihr, »o unglückliche Königin! Dein Gatte ist nach großen Gefahren in dies Land gelangt, er ist jetzt noch in meinem Hause, und ich will ihm raten, dich so schnell als möglich zu entführen.«
Die Freude der Königin war unaussprechlich; sie schlang die Arme um den Hals ihrer greisen Wärterin und entließ sie mit der Aussicht auf eine köstliche Belohnung.
Eine neue Königin war auf den Thron gesetzt worden, und diese trat am anderen Morgen in den Turm, darin Asems Gattin lag, und verkündete ihr, dass sie sterben müsse.
Asem aber hatte seine Kappe aufgestülpt und war unsichtbar mit in das Gefängnis geschritten. Dann gab die Königin den Befehl, die Gefangene mit ihren goldenen Haaren an einen Pfeiler zu binden.
»Haltet ein, Erbarmungslose!« schrie Asem, als er dies vernahm; denn er konnte seinen glühenden Zorn nicht länger zurückhalten.
Die Königin, entsetzt über die Donnerstimme des Unsichtbaren, blickte furchtsam um sich und entfloh samt ihren Sklavinnen und den Henkersknechten von hinnen. Die Tür rasselte und fiel ins Schloss.
Aber gegen Abend trat die Schließerin in den Turm und trug der Gefangenen ihr Nachtmahl herein. Rasch trat nun Asem, der Unsichtbare, herzu, raubte der Schließerin das Schlüsselbund, nahm seine Gattin und die Kinder in die Arme und floh mit ihnen in die einbrechende Nacht.
Der Ball versagte auch diesmal seinen Dienst nicht. Er führte die Flüchtigen in den Palast an der Wüste, und die Freude des Wiedersehens mit den schönen Bewohnerinnen war groß.
Aber Asem vergaß in seinem Glücke derer nicht, die ihm zu seinem schwierigen Werke verholfen hatten. Er sandte den Geist zur Wärterin auf den fliegenden Inseln und ließ ihr eine reiche Belohnung bringen, die sie bis an ihr Ende versorgte.
Dann ließ er die drei Brüder holen, die hoffnungslos in ihren armen Hütten saßen, und sprach: »Die Dinge, die ihr euer nennt, sind von großem Werte. Aber sie werden euch erst nützen können, wenn ihr gelobt, fortan einmütig miteinander zu leben.«
Das gelobten die drei und zogen versöhnt von dannen.
Asems Mutter war inzwischen von ihrem unaufhörlichen Weinen erblindet. Wie aber die Kunde in ihr Haus kam: »Dein Sohn Asem ist zurückgekehrt, und er bringt seine Gemahlin und seine Enkel mit!« da ward ihre Freude so groß, dass sie von Stund’ an wieder sehen konnte.
Der Sultan, der von all diesen Vorgängen erfuhr, forderte Asem und sein schönes Weib zu sich; er ließ seinen Schreiber kommen und alles genau so aufschreiben, wie es sich zugetragen hatte. Und aus dem Buche des Sultans habe ich diese merkwürdige Geschichte abgeschrieben. …
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