Die natürliche Tochter. Johann Wolfgang von Goethe

Die natürliche Tochter - Johann Wolfgang von Goethe


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      Johann Wolfgang von Goethe

      Die natürliche Tochter

      Trauerspiel

      Saga

       Die natürliche Tochter

      Coverbild/Illustration: https://www.bukowskis.com/en/auctions/556/256-carl-wahlbom-ryttarinna

      Copyright © 1803, 2021 SAGA Egmont

      Alle Rechte vorbehalten

      ISBN: 9788726957334

      1. E-Book-Ausgabe

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

      Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

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      Erster Aufzug

       Dichter Wald.

      Erster Auftritt

       König. Herzog.

      König Das flücht'ge Ziel, das Hunde, Roß und Mann,

      Auf seine Fährte bannend, nach sich reißt,

      Der edle Hirsch, hat über Berg und Tal

      So weit uns irr' geführt, daß ich mich selbst,

      Obgleich so landeskundig, hier nicht finde.

      Wo sind wir, Oheim? Herzog, sage mir,

      Zu welchen Hügeln schweiften wir heran?

      Herzog Der Bach, der uns umrauscht, mein König, fließt

      Durch deines Dieners Fluren, die er deiner

      Und deiner Ahnherrn königlicher Gnade,

      Als erster Lehnsmann deines Reiches, dankt.

      An jenes Felsens andrer Seite liegt,

      Am grünen Hang, ein artig Haus versteckt,

      Dich zu bewirten keineswegs gebaut;

      Allein bereit, dich huld'gend zu empfangen.

      König Laß dieser Bäume hochgewölbtes Dach,

      Zum Augenblick des Rastens, freundlich schatten.

      Laß dieser Lüfte liebliches Geweb'

      Uns leis' umstricken, daß an Sturm und Streben

      Der Jagdlust auch der Ruhe Lust sich füge.

      Herzog Wie du auf einmal völlig abgeschieden,

      Hier hinter diesem Bollwerk der Natur,

      Mein König, dich empfindest, fühl' ich mit.

      Hier dränget sich der Unzufriednen Stimme,

      Der Unverschämten offne Hand nicht nach.

      Freiwillig einsam merkest du nicht auf,

      Ob Undankbare schleichend sich entfernen.

      Die ungestüme Welt reicht nicht hierher,

      Die immer fordert, nimmer leisten will.

      König Soll ich vergessen, was mich sonst bedrängt,

      So muß kein Wort erinnernd mich berühren.

      Entfernten Weltgetöses Widerhall

      Verklinge, nach und nach, aus meinem Ohr.

      Ja, lieber Oheim, wende dein Gespräch

      Auf Gegenstände diesem Ort gemäßer.

      Hier sollen Gatten an einander wandeln,

      Ihr Stufenglück in wohlgeratnen Kindern

      Entzückt betrachten; hier ein Freund dem Freunde

      Verschloss'nen Busen traulich öffnend nahn,

      Und gabst du nicht erst neulich stille Winke,

      Du hofftest mir, in ruh'gen Augenblicken,

      Verborgenes Verhältnis zu bekennen;

      Drangvoller Wünsche holden Inbegriff,

      Erfüllung hoffend, heiter zu gestehn.

      Herzog Mit größrer Gnade konntest du mich nicht,

      O Herr, beglücken, als indem du mir,

      In diesem Augenblick, die Zunge lösest.

      Was ich zu sagen habe, könnt' es wohl

      Ein Andrer besser hören als mein König,

      Dem, unter allen Schätzen, seine Kinder

      Am herrlichsten entgegen leuchten; der

      Vollkommner Vaterfreuden Hochgenuß

      Mit seinem Knechte herzlich teilen wird?

      König Du sprichst von Vaterfreuden! Hast du je

      Sie denn gefühlt? Verkümmerte dir nicht

      Dein einz'ger Sohn durch rohes, wildes Wesen,

      Verworrenheit, Verschwendung, starren Trutz

      Dein reiches Leben, dein erwünschtes Alter;

      Verändert er auf einmal die Natur?

      Herzog Von ihm erwart' ich keine frohen Tage!

      Sein trüber Sinn erzeugt nur Wolken, die,

      Ach, meinen Horizont so oft verfinstern.

      Ein anderes Gestirn, ein andres Licht

      Erheitert mich. Und, wie in dunklen Grüften,

      Das Märchen sagt's, Karfunkelsteine leuchten,

      Mit herrlich mildem Schein, der öden Nacht

      Geheimnisvolle Schauer hold beleben,

      So ward auch mir ein Wundergut beschert,

      Mir Glücklichem! das ich, mit Sorgfalt, mehr

      Als den Besitz ererbt errungner Güter,

      Als meiner Augen, meines Lebens Licht,

      Mit Freud' und Furcht, mit Lust und Sorge pflege.

      König Sprich vom Geheimnis nicht geheimnisvoll.

      Herzog Wer spräche, vor der Majestät, getrost

      Von seinen Fehlern, wenn sie nicht allein

      Den Fehl in Recht und Glück verwandeln könnte.

      König Der wonnevoll geheim verwahrte Schatz?

      Herzog Ist eine Tochter.

      König Eine Tochter? Wie?

      Und suchte, Fabelgöttern gleich, mein Oheim,

      Zum niedern Kreis verstohlen hingewandt,

      Sich Liebesglück und väterlich Entzücken?

      Herzog Das Große wie das Niedre nötigt uns

      Geheimnisvoll zu handeln und zu wirken.

      Nur allzuhoch stand jene, heimlich mir,

      Durch wundersam Geschick, verbundne Frau,

      Um welche noch dein Hof in Trauer wandelt,

      Und


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