Die natürliche Tochter. Johann Wolfgang von Goethe

Die natürliche Tochter - Johann Wolfgang von Goethe


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      Die Demut, deren unbequeme Pflicht

      Du, deiner höheren Geburt bewußt,

      So manches Jahr, im Stillen, ausgeübt.

      Doch sei auch nun, wenn ich von meinen Füßen

      Zu meinem Herzen dich herauf gehoben,

       er hebt sie auf und drückt sie an sich.

      Wenn ich des Oheims heil'gen Vaterkuß

      Auf dieser Stirne schönen Raum gedrückt,

      So sei dies auch ein Zeichen, sei ein Siegel

      Dich, die Verwandte hab' ich anerkannt;

      Und werde bald, was hier geheim geschah,

      Vor meines Hofes Augen wiederholen.

      Herzog So große Gabe fordert ungeteilten

      Und unbegrenzten Dank des ganzen Lebens.

      Eugenie Von edlen Männern hab' ich viel gelernt,

      Auch manches lehrte mich mein eigen Herz;

      Doch meinen König anzureden, bin

      Ich, nicht entfernterweise, vorbereitet.

      Doch wenn ich schon das ganz Gehörige

      Dir nicht zu sagen weiß, so möcht' ich doch

      Vor dir, o Herr, nicht ungeschickt verstummen.

      Was fehlte dir? was wäre dir zu bringen?

      Die Fülle selber, die zu dir sich drängt,

      Fließt, nur für Andre, strömend wieder fort.

      Hier stehen Tausende dich zu beschützen,

      Hier wirken Tausende nach deinem Wink;

      Und wenn der Einzelne dir Herz und Geist

      Und Arm und Leben fröhlich opfern wollte;

      In solcher großen Menge zählt er nicht,

      Er muß vor dir und vor sich selbst verschwinden

      König Wenn dir die Menge, gutes edles Kind,

      Bedeutend scheinen mag: so tadl' ich's nicht;

      Sie ist bedeutend, mehr noch aber sind's

      Die Wenigen, geschaffen dieser Menge,

      Durch Wirken, Bilden, Herrschen vorzustehn.

      Berief hiezu den König die Geburt,

      So sind ihm seine nächsten Anverwandten

      Geborne Räte, die, mit ihm vereint,

      Das Reich beschützen und beglücken sollten.

      O träte doch, in diese Regionen,

      Zum Rate dieser hohen Wächter, nie

      Vermummte Zwietracht, leisewirkend ein.

      Dir, edle Nichte, geb' ich einen Vater,

      Durch allgewalt'gen, königlichen Spruch;

      Erhalte mir nun auch, gewinne mir,

      Des nahverwandten Mannes Herz und Stimme

      Gar viele Widersacher hat ein Fürst,

      O laß ihn jene Seite nicht verstärken!

      Herzog Mit welchem Vorwurf kränkest du mein Herz!

      Eugenie Wie unverständlich sind mir diese Worte!

      König O lerne sie nicht allzufrüh verstehn!

      Die Pforten unsers königlichen Hauses

      Eröffn' ich dir, mit eigner Hand; ich führe

      Auf glatten Marmorboden dich hinein.

      Noch staunst du dich, noch staunst du alles an,

      Und in den innern Tiefen ahnest du

      Nur sichre Würde, mit Zufriedenheit.

      Du wirst es anders finden! Ja, du bist

      In eine Zeit gekommen, wo dein König

      Dich nicht zum heitren, frohen Feste ruft,

      Wenn er den Tag, der ihm das Leben gab,

      In kurzem feiern wird; doch soll der Tag

      Um deinetwillen mir willkommen sein;

      Dort werd' ich dich im offnen Kreise sehn,

      Und Aller Augen werden auf dir haften.

      Die schönste Zierde gab dir die Natur;

      Und daß der Schmuck der Fürstin würdig sei,

      Die Sorge laß dem Vater, laß dem König.

      Eugenie Der freud'gen Überraschung laut Geschrei,

      Bedeutender Gebärde dringend Streben,

      Vermöchten sie die Wonne zu bezeugen,

      Die du dem Herzen schaffend aufgeregt?

      Zu deinen Füßen, Herr, laß mich verstummen.

       Sie will knieen.

       König (hält sie ab)

      Du sollst nicht knieen.

      Eugenie Laß, o laß mich hier

      Der völligsten Ergebung Glück genießen.

      Wenn wir, in raschen, mutigen Momenten,

      Auf unsern Füßen stehen, strack und kühn,

      Als eigner Stütze, froh uns selbst vertraun,

      Dann scheint uns Welt und Himmel zu gehören.

      Doch was, in Augenblicken der Entzückung,

      Die Kniee beugt, ist auch ein süß Gefühl.

      Und was wir unserm Vater, König, Gott,

      Von Wonnedank, von ungemess'ner Liebe,

      Zum reinsten Opfer bringen möchten, drückt

      In dieser Stellung sich am Besten aus.

       Sie fällt vor ihm nieder.

       Herzog (knieet)

      Erneute Huldigung gestatte mir.

      Eugenie Zu ewigen Vasallen nimm uns an.

      König Erhebt euch denn und stellt euch neben mich,

      Ins Chor der Treuen, die an meiner Seite

      Das Rechte, das Beständige beschützen.

      O diese Zeit hat fürchterliche Zeichen,

      Das Niedre schwillt, das Hohe senkt sich nieder,

      Als könnte Jeder nur am Platz des Andern

      Befriedigung verworrner Wünsche finden,

      Nur dann sich glücklich fühlen, wenn nichts mehr

      Zu unterscheiden wäre, wenn wir alle,

      Von einem Strom vermischt dahingerissen,

      Im Ozean uns unbemerkt verlören.

      O! laß uns widerstehen, laßt uns, tapfer,

      Was uns und unser Volk erhalten kann,

      Mit doppelt neuvereinter Kraft erhalten!

      Laßt endlich uns den alten Zwist vergessen,

      Der Große gegen Große reizt, von innen

      Das Schiff durchbohrt, das, gegen äußre Wellen

      Geschlossen


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