Eine andere Sicht auf die Welt!. Ulrich Walter

Eine andere Sicht auf die Welt! - Ulrich Walter


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Schwebezustand trotzdem recht. Wie wir heute nämlich wissen, interagieren makroskopische Teilchen wie Katzen oder Würfel ständig mit ihrer Umgebung, was zu einer sogenannten Dekohärenz ihrer Wellenfunktion führt. Die Umgebung wirkt also durch die ständige Interaktion mit dem Teilchen wie ein Beobachter, der im Sinne der Quantenmechanik die Wellenfunktion kollabieren lässt. Konkret: Weil beim Aufprall des Würfels auf den Tisch der Würfel mit dem Tisch per Stoß interagiert, wird aus den sechs möglichen Zahlen die eine konkrete Zahl. Diese Begründung hätte auch Einstein zufriedengestellt. Aber Dekohärenz von Wellenfunktionen ist eine Erkenntnis der letzten Jahrzehnte, die die Physiker zu Einsteins Zeiten nicht kannten.

      EINSTEINS IRRTÜMER

      Einstein hatte zur Erklärung des Kollapses eine andere Theorie parat, die in seinen Augen dem »Geheimnis des Alten« näherkam. Für ihn existierte eine sogenannte Hintergrundvariable in der Quantenphysik, also eine Art tieferliegende Ursache, die sehr deterministisch (also nicht zufällig) auf die Welt einwirkte und so stets einen scheinbar zufälligen Kollaps auslöst. Diese Theorie konnte aber 1964 mit den Bellschen Ungleichungen widerlegt werden. Obwohl Einstein ein großartiger Physiker war, unterlag er also trotzdem so manchem Irrtum. Hier ein weiterer Irrtum von ihm: »Es gibt nicht das geringste Anzeichen, daß wir jemals Atomenergie entwickeln können.«

      Nobelpreise schützen also vor Irrtum nicht. Oder um es mit den Worten des gewitzten Physikers Richard Feynman (1918–1988) auszudrücken: »Wissenschaft ist der Glaube an die Unwissenheit von Experten.« Oder um es in meinen Worten auszudrücken: Mit Skepsis beginnt die Suche nach Wahrheit.

      5 – DAS LEIB-SEELE-PROBLEM – DIE URSPRÜNGE

       »Die Seele ist die Herrin, das Fleisch ist die Magd, (…) und der Leib gibt sich im Empfangen des Lebens der Seele hin.«

      Hildegard von Bingen (1098–1179), deutsche Äbtissin und Mystikerin

      URSPRÜNGE DES SEELENGLAUBENS

      Das Primat der Seele über den Leib ist tief in unserer Kultur verankert. Der Körper mag zwar sterben, aber die Seele nie. Schlimmer noch: »Der Leib ist das Grab der Seele«, so Platon (ca. 428 v. Chr. – 348 v. Chr.), der Begründer der abendländischen Philosophie. Die Vorstellung der Existenz einer Seele geht sogar weit vor Platon zurück. Wahrscheinlich indischen Ursprungs (daher kennen der heutige Hinduismus und Buddhismus ebenfalls die strikte Trennung zwischen Körper und Seele) wurde sie in der griechischen Antike erstmals in den Epen Ilias und Odyssee (beide etwa 700 v. Chr.) insgesamt 81-mal erwähnt. Dort wird sie als Grundprinzip des Lebens verstanden.

      Die Menschen damals konnten sich einfach nicht erklären, warum sich Menschen und Tiere fortwährend bewegen, wo doch alles andere irgendwann zur Ruhe kommt. Selbst ein Ball, den ich rolle, wird irgendwann auf hören zu rollen. Der fortwährende Antrieb unseres Körpers ist eben die Seele, das erste leitende Prinzip (Entelechie) eines jeden sich bewegenden Naturwesens. Konsequenterweise nahmen die Griechen an, dass sowohl Menschen wie auch Tiere eine Seele besäßen. Daraus ergibt sich bis heute wahrscheinlich die (meist unbewusst spirituelle) vegetarische Ablehnung, Tiere zu schlachten oder zu essen. Gemäß Platons Seelenlehre wird nach dem Tod des Körpers das Schicksal der Seele bestimmt vom Verhalten in der vorausgegangenen Daseinsform. Je nach Lohn oder Strafe begibt sich die Seele auf unterschiedliche Seelenwanderungen. Bei schlechter Lebensweise geht sie in Tiere über, leidliche Seelen schlüpfen in Frauenkörper, gute Seelen in Männerkörper. (Die alten Griechen waren einfach gnadenlose Chauvinisten, huldigten dem Sklaventum, das ihnen ein angenehmes Leben bescherte, und verachteten die Demokratie.) Und das Seelenendstadium, der Hades, ist die griechische Unterwelt. Der alternative, auch heute noch anzutreffende Glaube, die Seele wandle nach dem Tod auf anderen Planeten oder Sternen, fand erst später aus dem Osten kommend über die Orphik (etwa 600 v. Chr.) Eingang in die griechische Philosophie.

      LEIB-SEELE-DUALISMUS IM CHRISTENTUM

      Im Gegensatz zur griechischen Philosophie glaubten die Christen, die Semiten, genauso wie heute noch die Juden, ursprünglich an die strikte Einheit von Körper und Seele. Im Glauben der tradierten christlichen Kirchen wird jede Seele eigens für jeden Leib von Gott neu geschaffen. Die griechische Vorstellung einer zeitlebens im Körper eingesperrten Seele, die nach dem Tod von Körper zu Körper wandert, ist dem ursprünglichen Christentum fremd und unabhängig vom Wiederauferstehungsglauben. Im ganzen Alten Testament wie auch bei Matthäus und Johannes im Neuen Testament ist nirgends von Seelen die Rede. Erst im späten 20. Jahrhundert fand die antike Vorstellung eines Leib-Seele-Dualismus endgültig auch Eingang in christliche Vorstellungen. Die körperliche Wiederauferstehung am Jüngsten Tag – und nicht das Auffahren der Seele in den Himmel beim Tod – ist also die eigentliche Lehre des Christentums.

      In diese historische Entwicklung passt auch die Vorstellung von Papst Paul II. von der Seele und dem Jüngsten Gericht, die er im Oktober 1998 vor Pilgern verkündete. Demnach herrschen nach dem Tod ganz besondere Bedingungen für das unsterblich »spirituelle Element« – sprich Seele – des Menschen. Die Seele sei auch ohne Körper ein Mensch, zwar unsichtbar, aber ausgestattet mit Bewusstsein und eigenem Willen. Er manifestierte hiermit also kritiklos platonische Denkvorstellungen, die eindeutig mit der Auffassung des Alten Testaments kollidieren, wonach die Seele mit dem Körper stirbt und am Jüngsten Tage wieder mit ihm aufersteht. Wenigstens distanzierte er sich von der Seelenwanderung. Mit diesem fundamentalen Sinneswandel gab Papst Paul II. urchristliche Ideen auf, zugunsten dubioser spiritueller Elemente, die gerade heutzutage en vogue sind.

      Aber auch in allen nicht katholischen Kirchen wird die Seele als ein Prinzip gesehen, das den Menschen grundsätzlich vom rein Materiellen unterscheidet. Wie passt das zu den Aussagen der Bibel? Tatsache ist, das Alte Testament kennt nur den Begriff Lebensodem, also das Prinzip der Bewegung. Das Neue Testament kennt nur den Begriff Psyche, der in alten Bibelübersetzungen fälschlicherweise als »Seele« übersetzt wurde. Tatsächlich, so die neuere Bibelforschung, ist damit ebenfalls »Leben« (im Sinne des jüdischen »nefesch«) gemeint, also ebenfalls das Prinzip der Bewegung. Damit dürften alle Gläubigen von Religionen, für die die Bibel die Basis des Glaubens ist, das Wort »Seele« im Zusammenhang mit religiösem Glauben gar nicht in den Mund nehmen. Da wir heute zudem wissen, wie Bewegung in einem Lebewesen biologisch hervorgerufen wird, ist der tradierte Begriff einer Seele/Lebensodem/Psyche als Ursache der Bewegung ohnehin obsolet. Insofern stehen Platon und Bibel auf gleicher Erkenntnisstufe.

      Der Import des Aristotelismus und Platonismus und damit der Seelenlehre ins Christentum durch die Scholastik im Mittelalter bedeutete nicht nur eine bedauerliche Verschiebung der Wirklichkeit ins Metaphysische, sondern leider auch eine damit beginnende Leibfeindlichkeit, was sich sehr schön im Eingangszitat von Hildegard von Bingen ausdrückt. In ihrer extremen Form zeigt sie sich als repressive Sexualmoral der christlichen Kirchen und im Zölibat der katholischen Kirche. Das Judentum hingegen, verschont vom Platonismus, kennt keine Leibfeindschaft. Gutes Leben und erfüllte Sexualität sind gute Gaben Gottes.

      WELTSEELE UND ASTROLOGIE

      Platon kannte aber auch eine Weltseele. Konsequenterweise musste er das auch, denn die Beobachtung des Sternenhimmels zeigte, dass es Planeten gibt, die sich fortwährend bewegen. Also muss auch die Welt eine Seele besitzen! Aber was ist der Ursprung all dieser Bewegungen? Während Platon noch einen eher unpersönlichen Antrieb, einen sogenannten Demiurgen annahm, wurde sein Schüler Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) konkreter: Es ist ein erster bewegender Schöpfer in der Sternensphäre. Dieser dreht ursprünglich den Sternenhimmel (was man des Nachts offensichtlich sieht!), diese Bewegung überträgt sich durch Zwischensphären nacheinander auf die Sphären der Planeten, diese bewegen den Mond und dieser schließlich zusammen mit allen anderen Planeten den Menschen und die Tiere. Weil die Existenz eines im Himmel thronenden Schöpfers, der von weit außen unser Leben bestimmt, perfekt ins christliche Konzept passte, übernahm die christliche Kirche diese aristotelische Vorstellung nur allzu gern in ihre Dogmatik und zementierte sie im Mittelalter in der Scholastik, allen voran Thomas von Aquin (1225–1274).

      Zugleich fand aber das Prinzip der Bewegungsübertragung über die Planeten und den Mond auf


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