Engelgeschichten der Bibel. Christiane Herrlinger

Engelgeschichten der Bibel - Christiane Herrlinger


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wie mein Volk in Ägypten unterdrückt wird. Ich habe gehört, wie es um Hilfe schreit gegen seine Antreiber. Ich weiß, wie sehr es leiden muss, und bin herabgekommen, um es von seinen Unterdrückern zu befreien. Ich will es aus Ägypten führen und in ein fruchtbares und großes Land bringen, ein Land, das von Milch und Honig überfließt. Ich bringe es in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Ich habe den Hilfeschrei der Leute von Israel gehört, ich habe gesehen, wie grausam die Ägypter sie unterdrücken. Deshalb geh jetzt, ich schicke dich zum Pharao! Du sollst mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten herausführen.«

      Aber Mose wandte ein: »Ich? Wer bin ich denn! Wie kann ich zum Pharao gehen und das Volk Israel aus Ägypten herausführen?«

      Gott antwortete: »Ich werde dir beistehen. Und das ist das Zeichen, an dem du erkennst, dass ich dich beauftragt habe: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr mir an diesem Berg Opfer darbringen und mich anbeten.«

      Mose sagte zu Gott: »Wenn ich nun zu den Leuten von Israel komme und zu ihnen sage: ›Der Gott eurer Vorfahren hat mich zu euch geschickt‹, und sie mich dann fragen: ›Wie ist sein Name?‹ – was soll ich ihnen sagen?«

      Gott antwortete: »Ich bin da«, und er fügte hinzu: »Sag zum Volk Israel: ›Der Ich-bin-da hat mich zu euch geschickt: der HERR! Er ist der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.‹ Denn ›HERR‹ (Er-ist-da) ist mein Name für alle Zeiten. Mit diesem Namen sollen mich auch die kommenden Generationen ansprechen, wenn sie zu mir beten.

      Geh nun und rufe die Ältesten des Volkes Israel zusammen! Sag zu ihnen: ›Der HERR, der Gott eurer Vorfahren, ist mir erschienen, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er hat zu mir gesagt: Ich habe genau gesehen, was man euch in Ägypten antut. Darum bin ich entschlossen, euch aus diesem Land herauszuführen, in dem ihr so unterdrückt werdet. Ich bringe euch in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, ein Land, das von Milch und Honig überfließt.‹«

       Gideons Berufung

      Kann man mit einem Engel über seine Botschaft diskutieren? In der Bibel kommt das immer wieder vor. Die Nachrichten und Aufträge, die Gott durch seine Engel übermittelt, sind in vielen Fällen so außergewöhnlich, dass die Angesprochenen zunächst ungläubig verblüfft bis ablehnend reagieren.

      Und tatsächlich nimmt Gott die Einwände und Vorbehalte der Menschen ernst. Er lässt seine Engel mit der sprichwörtlichen Engelsgeduld Auskunft geben und lässt sich sogar dazu bewegen, sich selbst als »Absender« ihrer Botschaft auszuweisen.

      So geschieht es auch bei Gideon. Er lebt in einer Zeit, in der es Israel nicht gut geht. Das Volk hat zwar das Land Kanaan in Besitz genommen, gerät aber immer wieder in Auseinandersetzungen mit Nachbarvölkern. In diesem Fall sind es Beduinen, die wiederholt in das Land einfallen, es ausrauben und verwüsten. Gideon ist gerade damit beschäftigt, Weizen zu dreschen – versteckt in der Weinkelter statt offen auf dem Dreschplatz, damit nicht auch dieser Weizen an die Plünderer verloren geht –, da kommt der Engel Gottes zu ihm und erklärt, dass Gideon zum Retter Israels werden soll. Lesen Sie selbst, was Gideon alles einzuwenden hat und wie beharrlich der Engel ihn Schritt für Schritt von seiner Berufung überzeugt. (Richter 6,11-24)

      Der Engel des HERRN kam und setzte sich unter die Eiche bei Ofra. Der Platz gehörte zum Grundbesitz Joaschs, eines Mannes aus der Sippe Abiëser. Sein Sohn Gideon war gerade dabei, in der nahe gelegenen Weinkelter Weizen zu dreschen, um ihn vor den Midianitern in Sicherheit zu bringen.

      Da zeigte sich ihm der Engel des HERRN und sagte: »Gott mit dir, du tapferer Krieger!«

      Gideon erwiderte: »Verzeihung, mein Herr! Aber wenn wirklich Gott mit uns ist, wie konnte uns dann so viel Unglück treffen? Unsere Väter haben uns doch immer wieder erzählt: ›Der HERR hat uns aus Ägypten hierher geführt.‹ Wo sind denn nun alle seine Wundertaten geblieben? Nein, der HERR hat uns im Stich gelassen und uns den Midianitern ausgeliefert!«

      Der HERR aber trat auf Gideon zu und sagte: »Du bist stark und mutig. Geh und rette Israel aus der Hand der Midianiter. Ich sende dich!«

      »Aber mein Herr«, wandte Gideon ein, »wie soll ich Israel befreien? Meine Sippe ist die kleinste im ganzen Stamm Manasse und ich bin der Jüngste in meiner Familie.«

      »Ich werde dir beistehen«, sagte der HERR, »und du wirst die Midianiter auf einen Schlag vernichten.«

      Gideon erwiderte: »Wenn ich vor dir Gnade gefunden habe, dann gib mir ein Zeichen dafür, dass wirklich der HERR selbst mit mir spricht! Geh nicht von hier weg, bis ich dir eine Gabe gebracht habe.«

      »Ich warte, bis du zurückkommst«, sagte der HERR.

      Gideon ging nach Hause, kochte ein Ziegenböckchen und backte ungesäuertes Brot aus einem ganzen Backtrog voll Mehl. Dann legte er das Fleisch in einen Korb, goss die Brühe in einen Topf, brachte alles zu dem Platz unter der Eiche und bot es dem Engel des HERRN an.

      Doch der Engel sagte zu ihm: »Leg das Fleisch und die Brote hier auf den Felsblock, aber die Brühe schütte weg!«

      Gideon tat es und der Engel des HERRN berührte mit dem Stab in seiner Hand das Fleisch und die Brote. Da schlug Feuer aus dem Felsen und verzehrte alles. Im selben Augenblick war der Engel verschwunden.

      Da wusste Gideon, wer mit ihm gesprochen hatte. »HERR, du mächtiger Gott!«, rief er. »Ich habe deinen Engel gesehen, ich habe ihm gegenübergestanden. Ich muss sterben!«

      Doch der HERR sagte zu ihm: »Zwischen uns ist Frieden! Hab keine Angst, du musst nicht sterben.«

      Da baute Gideon an derselben Stelle einen Altar für den HERRN und nannte ihn: »Der HERR ist Frieden«. Noch heute steht dieser Altar in Ofra im Gebiet der Sippe Abiëser.

       Ein Engel kündigt Simsons Geburt an

      Auch in der folgenden Erzählung bringt der Engel eine so unglaubliche Botschaft, dass die angesprochenen Menschen nicht sofort »Ja und Amen« sagen können. Es geht um Manoach und seine Frau. Sie ist kinderlos und gilt als unfruchtbar. Der Engel kündigt ihr an, dass sie trotzdem einen Sohn bekommen wird und obendrein einen ganz besonderen. Er soll von Mutterleib an Gott geweiht sein und später zum Retter Israels werden, so wie Gideon zu seiner Zeit.

      Manoachs Frau erahnt, dass dieser Mann mit seiner unfassbaren Nachricht ein Engel ist – und traut sich nicht, ihm Fragen zu stellen. Manoach dagegen hält ihn offenbar zunächst für einen rein menschlichen Boten – und bestürmt ihn mit Nachfragen. Hätte er sich das auch getraut, wenn ihm bewusst gewesen wäre, wen er vor sich hat? Vielleicht nicht. Die Ehrfurcht vor Engeln ist bei den biblischen Personen eigentlich sehr groß. Denn wer den Engel sieht, sieht Gott, und wer Gott sieht, muss sterben. So überwältigend ist die Begegnung.

      Doch hier wie an unzähligen anderen Stellen der Bibel handelt Gott anders, als die Menschen denken. Sein Bote bringt eine gute Nachricht. Gott will nicht töten, sondern retten. (Richter 13,1-24)

      Von neuem taten die Leute von Israel, was dem HERRN missfällt; da gab er sie vierzig Jahre lang in die Hand der Philister.

      Damals lebte in Zora ein Mann aus dem Stamm Dan namens Manoach, dessen Frau war kinderlos. Eines Tages erschien ihr der Engel des HERRN und sagte: »Du bist unfruchtbar und hast keine Kinder bekommen, aber jetzt wirst du schwanger werden und einen Sohn gebären. Sieh zu, dass du während der Schwangerschaft weder Wein noch Bier trinkst und keine unreinen Speisen isst. Denn der Sohn, den du zur Welt bringen wirst, soll von seiner Geburt an ein Gottgeweihter sein. Seine Haare dürfen ihm nie geschnitten werden. Mit ihm beginnt die Rettung Israels aus der Hand der Philister.«

      Da ging die Frau zu Manoach und erzählte ihm: »Ein heiliger Mann kam zu mir. Er sah aus wie der Engel Gottes, sodass mir ganz unheimlich war. Ich wagte nicht, ihn zu fragen, woher er kommt, und er hat mir auch nicht seinen Namen gesagt.


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