Gute Tropfen und rauschende Feste. Florian Voss

Gute Tropfen und rauschende Feste - Florian Voss


Скачать книгу
Tisch des Auferstandenen – Der wunderbare Fischfang

       Eine Feier ohne Ende – Das Hochzeitsmahl des Lammes

       Als Digestif – Nachwort

       Impressum

      Als Aperitif

       Vorwort

      Erdig, samtig, vollmundig – wo diese Worte fallen, weiß jeder: Hier wird von Wein gesprochen. Wohl kein zweites Getränk kennt wie der Wein eine ganz eigene Sprache. Sicher, man kann auch über Bier und vielleicht sogar über Mineralwasser fachsimpeln und auch Kaffee ist nicht gleich Kaffee, doch der Wein entführt den Menschen in eine eigene Welt, in einen Kosmos aus Geschmacksnoten und Düften, aus Farben und Stimmungen. Er hat – wie ein lebendiges Wesen! – einen Körper, es gibt jungen und alten Wein, trockene Typen und blumige Charaktere, und ganz am Ende seines Daseins steht, wie bei uns Menschen, der Abgang. Doch der Weg bis zu diesem Abgang ist weit: Erst wachsen die Trauben an den Reben heran und saugen die Kraft der Sonne, des Wassers und des Bodens in sich auf, dann kommt die Zeit der Weinlese und die Trauben werden gekeltert und geben ihr Bestes, ihren Saft, von sich. Der Saft wird gereinigt und die Hefen, die in ihm enthalten sind, beginnen ihre Wirkung zu entfalten. Am Ende des Gärungsprozesses steht endlich der trinkreife Wein, der dann, im Weinkeller seines Käufers, auf seine Stunde wartet, auf seinen großen Auftritt gewissermaßen. Jede Flasche Wein hat ihre eigene Geschichte.

      Die Kulturgeschichte der Menschen ist auch eine Weingeschichte. Schon im 5.Jahrtausend v.Chr. wurde in Mesopotamien Wein angebaut. Die Griechen brachten die Kenntnisse des Weinbaus dann nach Italien und Frankreich, und die Römer wollten auf den Wein auch dann nicht verzichten, als sie ins Elsass sowie an den Rhein und die Mosel kamen. Später waren es christliche Missionare, die den Menschen in Mexiko, Argentinien und Kalifornien neben vielem Guten und Schlechten auch den Weinbau brachten. Da erstaunt es nicht, dass auch in der Bibel vom Weinanbau, von Weinbergen, Weinbauern und Weintrinkern erzählt wird, und das auf überaus vielgestaltige Weise: Manche Geschichten sind leicht und spritzig, andere eher schwer und wuchtig, manche von blumiger Sprache, andere eher kernig formuliert, manche kommen feurig daher, andere sind, bei näherer Betrachtung, doch etwas körperarm. Die Welt der Bibel und die Welt des Weines – sie sind so bunt wie das wirkliche Leben.

      Zum Wein gehört das Feiern dazu: Mehr als jedes andere Getränk ist er mit Feiern und Festen verbunden. Zu beinahe jedem Anlass gibt es den passenden Wein. Wer vom Wein erzählt, wie es auf den folgenden Seiten geschieht, muss daher auch von Feiern und Festlichkeiten, von Gelagen und Gesellschaften aller Art erzählen. Weingeschichten und Festgeschichten hängen miteinander zusammen, viele Geschichten sind beides zugleich.

      Eines kann man erfreulicherweise schon vorweg sagen: Die Bibel will ihren Lesern weder das Weintrinken noch das Feiern ausreden. Niemand Geringeres als der Apostel Paulus warnt einen seiner Mitarbeiter sogar ausdrücklich davor, es mit der Askese zu übertreiben, und rät demgegenüber dazu, auch mal zum Rebensaft zu greifen (1.Timotheus 5,23): »Trinke in Zukunft nicht nur Wasser! Nimm ein wenig Wein dazu, um deinen Magen zu stärken und weil du so oft krank bist.« Wenn das keine Ermutigung ist, sich auf die Wein- und Festgeschichten der Bibel einzulassen! Wein ist eben mehr als ein Getränk, er ist Medizin für Körper, Geist und Seele.

      Winzer und Weintrinker im Alten Testament

      Ab und an ein Glas Wein zu trinken – oder auch zwei – ist der Gesundheit des Menschen bekanntlich durchaus zuträglich. In Gemeinschaft genossen, kann der Rebensaft außerdem die Geselligkeit fördern. Wer dem Wein allerdings zu sehr zuspricht, riskiert nicht nur seine Gesundheit, sondern verliert auch rasch die Kontrolle über sich selbst. Die Bibel kennt eine Fülle von Geschichten, in denen Weintrinker besser etwas früher mit dem Trinken aufgehört hätten, da sie dann ihren Mitmenschen nicht willenlos ausgeliefert gewesen wären.

      Doch nicht nur die Konsumenten des Weins geraten zuweilen in Schwierigkeiten. Mitunter trifft es auch die Anbieter – wie im Fall eines Mundschenks und eines Weinbergbesitzers.

       Noach entdeckt den Weinbau

      Vom ersten Rausch, den je ein Mensch hatte, erzählt die Bibel bereits in ihren ersten Kapiteln. Und es ist sogar ein besonders frommer Mensch, der von seinem Wein (aus eigenem Anbau!) mehr trinkt, als ihm gut tut. Noach, der auserwählte Gerechte, der mit seiner Familie als Einziger die vernichtende Sintflut überlebt hatte, spricht dem leckeren Rebensaft so sehr zu, dass er von tiefem Schlaf übermannt wird. Die Bibel erzählt davon wie von einem ganz normalen Vorgang und erhebt nicht den moralischen Zeigefinger.

      Eigentlich geht es auch gar nicht um diesen Rausch an sich, sondern um das Verhalten der drei Söhne ihrem betrunkenen Vater gegenüber. Noach war nämlich nackt eingeschlafen und Nacktheit galt damals als Schande. Während nun der Sohn Ham nichts gegen die peinliche Situation seines Vaters unternimmt, zeigen seine zwei Brüder Sem und Jafet, was in diesem Fall Sohnespflicht ist: Sie decken den Vater zu.

      Für die Bibel ist diese Geschichte wichtig, weil sie in dem Verhalten und Schicksal der drei Söhne das Geschick ganzer Völker sinnbildlich dargestellt sieht. So steht Sem für das Volk Israel, während hinter Ham die kanaanäischen Völker erkennbar sind, die Israel Platz machen müssen, als es das von Gott versprochene Land erobert. So gesehen, hat der Wein hier sogar ein Stück Weltgeschichte geschrieben! (1Mose/Genesis 9,18-28)

      Zusammen mit Noach waren seine Söhne Sem, Ham und Jafet aus der Arche gegangen. Ham war übrigens der Vater Kanaans. Die Nachkommen der drei Söhne Noachs haben sich dann über die ganze Erde ausgebreitet.

      Noach trieb Ackerbau. Er war der Erste, der einen Weinberg anlegte. Als er von dem Wein trank, wurde er betrunken, und in seinem Rausch lag er unbedeckt in seinem Zelt. Ham, der Vater Kanaans, sah es und ließ seinen Vater nackt daliegen, er ging sogar zu seinen Brüdern und erzählte es ihnen. Da nahmen Sem und Jafet eine Decke, legten sie über ihre Schultern, gingen rückwärts ins Zelt und deckten ihren Vater damit zu. Sie hielten dabei das Gesicht von ihm abgewandt, um ihn nicht nackt zu sehen.

      Als Noach aus seinem Rausch erwachte und erfuhr, was sein Sohn Ham ihm angetan hatte, sagte er: »Fluch über Kanaan! Er wird seinen Brüdern dienen als der letzte ihrer Knechte. Gepriesen sei der HERR, der Gott Sems! Er mache Kanaan zu Sems Knecht! Gott schaffe Jafets Leuten weiten Wohnraum, bis mitten unter die Leute Sems. Er mache Kanaan zu Jafets Knecht!«

      Nach der großen Flut lebte Noach noch 350 Jahre.

       Lot und seine Töchter

      In Krimis – man denke etwa an Hitchcocks »Der unsichtbare Dritte« – kommt es mitunter vor, dass Menschen gezielt betrunken gemacht werden, um sie außer Gefecht zu setzen. Auch das Alte Testament weiß von zwei Frauen zu erzählen, die zu diesem Mittel greifen. Die betreffende Geschichte ist für den Geschmack moderner Leser(innen) allerdings ziemlich anstößig. Um sie richtig zu verstehen, muss man wissen, dass es für Frauen im Altertum von größter Bedeutung war, Kinder zu haben. Nur so konnten sie zu gesellschaftlicher Anerkennung finden.

      Bei den beiden Frauen – ihre Namen erfahren wir nicht – handelt es sich um die Töchter Lots, der wiederum ein Neffe Abrahams war, des Stammvaters der Israeliten. Lot und seine Töchter hatten als Einzige Gottes Strafgericht über die Stadt Sodom überlebt und führten danach ein abgeschiedenes Leben, das es den Töchtern unmöglich machte, sich mit Männern zu vermählen und in geregelter Ehe Kinder zu bekommen. In ihrer Not halten sie nun sogar Inzest für das kleinere Übel gegenüber dauernder Kinderlosigkeit. Und so kommen sie mit Hilfe des moralisch fragwürdigen, in Hinblick auf das gewünschte Ergebnis aber erfolgreichen Einsatzes von Wein schließlich doch noch zu Kindern.


Скачать книгу