Schöpfer der Wirklichkeit. Джо Диспенза
von einem Phänomen, das Teil ihres neuen Lebens wurde: Widmeten sie sich über längere Phasen hinweg der Innenschau und Neuerfindung ihrer selbst, dann konzentrierten sie sich oft so sehr auf den gegenwärtigen Augenblick und ihre Absicht, dass etwas Erstaunliches geschah: Sie verloren vollkommen die Wahrnehmung von Körper, Zeit und Raum. Es existierte nichts mehr für sie – nur ihre Gedanken.
Lassen Sie mich das näher erklären. Unser alltägliches Bewusstsein ist für gewöhnlich mit drei Dingen beschäftigt:
• Erstens sind wir uns bewusst, in einem Körper zu sein. Unser Gehirn empfängt ein Feedback darüber, was im Körper vor sich geht und welche Reize er von unserer Umgebung aufnimmt. Wir bezeichnen das als »Körperempfindungen«.
• Zweitens sind wir uns unserer Umgebung bewusst. Der Raum um uns herum ist unsere Verbindung zur äußeren Wirklichkeit. Wir achten auf die Dinge, Objekte, Personen und Orte in unserer Umgebung.
• Drittens haben wir ein Bewusstsein der verstreichenden Zeit; wir strukturieren unser Leben innerhalb des Konzepts von Zeit.
Doch wenn Menschen sich mithilfe ernsthafter, selbstreflektierender Kontemplation nach innen richten und mental neue Möglichkeiten ausprobieren, wer sie werden könnten, dann versinken sie unter Umständen so tief darin, dass ihre Aufmerksamkeit sich völlig von ihrem Körper und ihrer Umgebung löst; beide scheinen zu verblassen oder ganz zu verschwinden. Selbst das Konzept von Zeit löst sich auf. Und öffnen sie Augen wieder, stellen sie vielleicht fest, dass die Zeitspanne, die ihnen wie Minuten erschien, in Wahrheit Stunden waren. In diesem Zustand wälzen wir keine Probleme und spüren keinen Schmerz. Wir lösen uns von den Empfindungen unseres Körpers und von der Verbindung mit den Dingen um uns herum. Wir können uns so tief auf diesen schöpferischen Prozess einlassen, dass wir uns darüber selbst vergessen.
Taucht dieses Phänomen auf, ist die betreffende Person sich nur noch ihrer Gedanken bewusst. Das Einzige ihr wirklich Erscheinende ist die Wahrnehmung dessen, was sie denkt. Fast alle meine Gesprächspartner haben das mit ähnlichen Worten zum Ausdruck gebracht: »Ich gehe innerlich zu dem anderen Platz in meinem Geist«, sagte eine Frau, »wo es keine Ablenkungen gibt, keine Zeit, wo ich keinen Körper habe, wo es nichts gibt – außer meinen Gedanken.« Alle verließen sie ihre gewohnte Verbindung mit dem »Selbst«, damit, »Jemand« zu sein, und wurden zum »Niemand«.
Und in genau diesem Zustand, so erfuhr ich, konnten sie beginnen, das zu werden, was sie sich vorgestellt hatten. Das menschliche Gehirn, insbesondere der Frontallappen, besitzt die Fähigkeit, Lautstärke zu drosseln, ja äußere Reize ganz auszuschalten, darunter auch die Zeitwahrnehmung. Wie neueste Erkenntnisse der funktionellen Hirnscan-Technologie belegen, kommen die mit den Zeit-, Raum-, Gefühls-, Bewegungs- und Sinneswahrnehmungen beschäftigten neuronalen Schaltkreise bei hoch konzentrierten Menschen buchstäblich zur Ruhe.8 Als Menschen genießen wir einen Vorteil: Wir sind imstande, unsere Gedanken realer werden zu lassen als alles andere, und wenn wir das tun, speichert unser Gehirn diese Eindrücke in den tiefen Falten seines Gewebes. Wenn wir diese Fähigkeit meistern, können wir anfangen, unser Gehirn neu zu programmieren und unser Leben zu verändern.
Was ist Aufmerksamkeit?
Zu den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften gehört: Um die Architektur des Gehirns zu verändern, müssen wir auf unser Erleben im gegenwärtigen Moment achten. Neuronale Netzwerke, die passiv stimuliert werden, d.h. ohne dass wir den Auslöser beachten, bewirken keine Veränderungen im Gehirn. Vielleicht hören Sie während Ihrer Lektüre dieses Buchs beispielsweise in der Wohnung über Ihnen jemanden staubsaugen. Hat dieses Geräusch für Sie keine Bedeutung, werden Sie es nicht weiter beachten, sondern einfach weiterlesen. Was Sie gerade lesen, ist Ihnen sehr wichtig, deswegen aktiviert Ihre Aufmerksamkeit nur ganz bestimmte neuronale Kreisläufe Ihres Gehirns, während andere, unwichtige Wahrnehmungen ausgefiltert werden.
Was also ist Aufmerksamkeit? Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas richten, missachten Sie währenddessen alle anderen Informationen, die Ihnen sensorisch zur Verfügung stünden. Sie können auch zufällig aufkommende Erinnerungen unterbinden. Sie lassen Ihre Gedanken nicht zu den Überlegungen wandern, was es wohl zum Abendessen gibt, wie das letzte Weihnachtsfest war oder was Sie von Ihrem Kollegen denken. Sie hindern Ihren Geist daran, irgendetwas anderes zu tun als das, was Ihnen in diesem Augenblick wichtig erscheint. Ohne diese Selektionsfähigkeit könnten Sie nicht überleben. Und diese Fähigkeit, Ihre Aufmerksamkeit auf eine kleine Auswahl an Informationen zu konzentrieren, sitzt im Frontallappen Ihres Gehirns.
Der Frontallappen ermöglicht es Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache gerichtet zu halten – beispielsweise darauf, diese Seiten zu lesen –, weil er währenddessen andere Gehirnbereiche abschaltet, die mit Empfindungen wie Hören und Schmecken oder dem Bewegen Ihrer Beine, dem Spüren Ihres Gesäßes auf dem Sofa, mit Kopfschmerzen oder auch der Wahrnehmung Ihrer vollen Blase zu tun haben. Je besser es Ihnen daher gelingt, sich auf Ihre inneren mentalen Bilder zu konzentrieren, desto gründlicher können Sie Ihr Gehirn umprogrammieren und desto leichter wird es Ihnen fallen, andere Kreisläufe des Gehirns zu steuern, die ähnliche sensorische Reize verarbeiten. Mit anderen Worten: Aufmerksamkeit ist eine Kunst – und eine notwendige Voraussetzung!
Andere Gemeinsamkeiten
Darüber hinaus enthielten die Schilderungen meiner Gesprächspartner weitere Gemeinsamkeiten, die allerdings weniger gewichtig waren als die vier genannten. Ich beschränke mich auf die Erwähnung von zwei weiteren: Erstens wussten diese Menschen tief in ihrem Inneren mit großer Sicherheit, dass sie geheilt waren. Sie benötigten keinerlei diagnostische Beweise für das Verschwinden ihrer Krankheit – allerdings unterzogen sich dennoch viele bestätigungshalber entsprechenden Tests.
Zweitens hatten etliche der behandelnden Ärzte ihre Entscheidung gegen eine konventionelle Behandlungsmethode für Wahnsinn erklärt. Und sogar, als die Betreffenden sich ihren Ärzten als geheilt präsentierten, wollten diese es zunächst nicht glauben. Das ist in gewisser Weise verständlich, wenn auch sehr bedauerlich. Immerhin sagten die meisten Ärzte angesichts der bei diesen Menschen objektiv messbaren Veränderungen: »Ich weiß zwar nicht, was Sie anstellen, aber was auch immer es sein mag: Machen Sie damit weiter!«
Neue Durchbrüche in der Hirnforschung
Meine Erforschungen des Phänomens der Spontanheilungen ließen mein Interesse an allem, was es über das Gehirn zu wissen gibt, wieder hell aufflammen. Unsere heutige Zeit ist in dieser Hinsicht ungeheuer spannend: Noch nie zuvor konnten wir – dank der Neurowissenschaft – so viel über dieses bemerkenswerte Organ in Erfahrung bringen. Einige der jüngsten Erkenntnisse darüber, wie das Gehirn Gedanken erzeugt, könnten uns Hinweise liefern, wie wir in unserem Körper und in unserem Leben vieles zum Positiven wenden können.
Wer vor über 20 Jahren zur Schule ging, dem wurde noch beigebracht, das Gehirn habe wenig Veränderungsspielraum; unsere angeborenen Nervenzellverbindungen hätten uns im Hinblick auf Neigungen, Charakterzüge und Gewohnheiten bereits weitgehend festgelegt. Aus wissenschaftlicher Sicht galt das Gehirn damals als unveränderlich. Und sicher stimmt auch, dass alle Menschen in bestimmten Bereichen ihres Gehirns auf dieselbe, festgelegte Weise funktionieren, denn wir alle besitzen in vielerlei Hinsicht identische körperliche Strukturen und Funktionen.
Doch wie die heutige Forschung beweist, ist das Gehirn keineswegs so festgelegt, wie wir einst dachten. Wie wir inzwischen wissen, kann jeder von uns, in jedem Alter, neues Wissen erwerben, in seinem Gehirn verarbeiten und zu neuen Gedanken formulieren, wobei diese Prozesse in unserem Gehirn Spuren hinterlassen, genauer gesagt: neue synaptische Verbindungen. Das macht Lernen aus.
Neben Wissen zeichnet das Gehirn auch jede neue Erfahrung auf. Wenn wir etwas erleben, übertragen unsere Sinne Unmengen von Informationen ans Gehirn und übermitteln, was wir sehen, riechen, fühlen, hören und schmecken. Die Neuronen organisieren sich in entsprechenden Verbindungsnetzwerken, die diese Erfahrungen widerspiegeln. Die Neuronen bewirken auch die Ausschüttung von Chemikalien, die bestimmte