Erziehung des Herzens. Chogyam Trungpa

Erziehung des Herzens - Chogyam Trungpa


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hilfreich ist. Deshalb stellen wir uns darauf ein, unser Tun bereitwillig anderen zu widmen. Wenn Sie diese Haltung einnehmen, kommen Sie zu der Einsicht, dass andere wichtiger sind als Sie selbst. Mit diesen Drei zusammen – mit dieser Sicht des Mahayana, mit dieser Einstellung und mit der Erkenntnis, dass die anderen wichtiger sind – entwickelt man die Mahayana-Praxis der Geisteserziehung oder der Erziehung des Herzens.

      In der Hinayana-Disziplin geht es in erster Linie um das Zähmen des Geistes. Hier arbeiten wir an den verschiedenen Arten der Unachtsamkeit und werden dadurch immer sorgfältiger und präziser und unsere Disziplin gedeiht. Wenn wir dann durch die Praxis der Shamatha-Disziplin oder Achtsamkeitspraxis gründlich gezähmt sind und uns außerdem durch Vipashyana oder Gewahrsein darin geschult haben, den Lehren wirklich zuzuhören, beginnen wir, den Dharma auf umfassende Weise zu verstehen. Dann wächst ein echtes Verständnis dafür heran, wie wir in unserem speziellen gezähmten Zustand mit anderen umgehen können.

      Im Mahayana ist eher die Rede vom Erziehen des Geistes. Das ist der nächste Schritt. Der Geist ist bereits gezähmt und deshalb kann man ihn erziehen. Mit anderen Worten, wir haben es geschafft, unseren Geist durch die Praxis der Hinayana-Disziplin zu domestizieren, wie es den Prinzipien des Buddha-Dharma entspricht. Haben wir unseren Geist domestiziert, können wir weiteren Gebrauch von ihm machen. Das ist wie in der Geschichte von der wilden Kuh, die unsere Vorfahren einfingen. Wenn man die wilde Kuh eingefangen und gezähmt hat, stellt man fest, dass sie ganz bereitwillig mit denjenigen kooperiert, die sie gezähmt haben. Genau genommen gefällt es ihr sogar, domestiziert zu sein. An diesem Punkt wird die Kuh zu einem Teil unseren Haushalts. Es gab einmal eine Zeit, da war es nicht so – ich bin sicher, dass die Kühe wild und unbändig waren, bevor wir sie gezähmt haben.

      Geisteserziehung heißt aufTibetisch lojong. lo bedeutet „Intelligenz“, „denkender Geist“, „das, was Dinge wahrnehmen kann“; jong bedeutet „Training“ oder „Bearbeitung“. Die Lehren des Lojong bestehen aus mehreren Schritten oder Punkten der Mahayana-Disziplin. Die grundlegende Disziplin der Geisteserziehung oder Lojong ist ein siebenfältiger Reinigungs- oder Bearbeitungsprozess, dem wir unseren Geist unterziehen.

      Dieses Buch basiert auf dem Kadampa-Basistext Der Wurzeltext der sieben Punkte der Geisteserziehung und auf dem Kommentar von Jamgon Kongtrul. Im Tibetischen heißt der Kommentar changchup shunglam. shung ist der Begriff, den man für „Regierung“, aber auch für „das Gros“ oder „Körper“ (wie in „Lehrkörper“) verwendet. shung bedeutet also etwa „der zentrale Regierungsapparat“. Man könnte zum Beispiel die tibetische Regierung pö-shung nennen – bedeutet „Tibet“, shung bedeutet „Regierung“. Die Regierung, die ein Land zu regieren hat, besteht aus einer vielgliedrigen Verwaltung – sie kümmert sich um die Psychologie des Landes, um seine Wirtschaft, um seine Politik und um seine inneren Angelegenheiten. shung ist eigentlich die Arbeitsgrundlage. lam bedeutet „Pfad“. shunglam ist also sozusagen die Hauptstraße, ein grundlegender Prozess der Arbeit zur Erleuchtung hin. Mit anderen Worten, es ist der spezielle Mahayana-Weg, die große Straße, auf der jeder vorankommt, ein breiter Weg, besonders breit und besonders offen. changchup bedeutet „Erleuchtung“, shung bedeutet „weit“ oder „grundlegend“ und lam bedeutet „Pfad“. Der Titel des Kommentars lautet also: „Der grundlegende Pfad zur Erleuchtung“.

      Der Haupttext basiert auf Atishas Unterweisungen über Lojong und geht auf die Kadampa-Schule des tibetischen Buddhismus zurück, die sich etwa um die Zeit Marpas und Milarepas entwickelt hat, als sich die klösterliche Tradition Tibets etablierte und tiefe Wurzeln fasste. Die Kagyüpa erhielten diese Unterweisungen über die richtige Praxis des Mahayana-Buddhismus von Gampopa, der ein Schüler sowohl Milarepas als auch diverser Kadampa-Lehrer war. Es gibt zwei Kadampa-Schulen, die so genannte „komtemplative Kadampa-Schule“ und die „intellektuelle Kadampa-Schule“. Das, was wir hier behandeln, bezieht sich auf die kontemplative Tradition der Kadampa. Die Gelugpa spezialisierten sich hingegen auf die Dialektik und verstanden die Kadampa-Tradition eher von einem philosophischen Ansatz her.

      Der Begriff kadam hat für uns eine interessante Bedeutung. ka bedeutet „Auftrag“, etwa so, wie wenn ein General vor seinen Truppen eine anfeuernde Rede hält oder ein König seinen Ministern einen Auftrag erteilt. Wir könnten auch „Logos“ sagen oder „Wort“, wie in der christlichen Tradition, in der es heißt: „Am Anfang war das Wort.“ Diese Art von Wort ist ein grundlegend heiliger Auftrag, der erste, der jemals ausgesprochen wurde. In unserem Fall bezieht sich ka auf eine Vorstellung von absoluter Wahrheit und darauf, dass es sich vom Standpunkt eines Individuums aus um etwas Praktisches handelt, mit dem man etwas anfangen kann. dam bedeutet „mündliche Lehre“, „persönliche Lehre“, das heißt ein Handbuch über den richtigen Umgang mit dem Leben. ka und dam zusammen bedeutet also, dass jegliches ka, jeder Auftrag oder jede Botschaft als praktische und handhabbare mündliche Lehre betrachtet wird. Man betrachtet sie als praktische Arbeitsgrundlage für Schüler, die sich mit Kontemplation und meditativen Disziplinen befassen. Das ist die grundlegende Bedeutung von kadam.

      Die wenigen Listen, die hier präsentiert werden, sind sehr einfach; daran ist nichts besonders Philosophisches. Sie enthalten lediglich das, was einer der großen Kagyü-Lehrer als „Großmutters Fingerzeig“ bezeichnet hat. Wenn die Großmutter sagt: „Das ist der Platz, wo ich immer hinging und Wildgemüse sammelte“, benützt sie üblicherweise ihren Finger, anstatt den Platz auf ein Blatt Papier zu zeichnen oder eine Landkarte zu Hilfe zu nehmen. Wir gehen hier also so vor wie die Großmutter.

      Was mich selbst betrifft, so hatte ich bereits eine Menge Philosophie studiert, als Jamgon Kongtrul mir das erste Mal empfahl, dieses Buch, Changchup Shunglam, zu lesen und durchzuarbeiten, und ich war erleichtert darüber, dass der Buddhismus so einfach war und man tatsächlich etwas damit anfangen konnte. Man kann ihn wirklich praktizieren. Man kann einfach diesem Buch folgen und tun, was es sagt, und das ist außerordentlich wirkungsvoll und eine wahre Befreiung. Und dieses Gefühl von Einfachheit hält an. Es ist so kostbar und direkt. Ich finde gar keine Worte, um es zu beschreiben. Dieses Buch ist ein wenig rau, wie ein Reibeisen, aber gleichzeitig ist es so tröstlich, solch eine Schrift zu lesen. Es ist eines der Charakteristika von Jamgon Kongtrul, dass er in seinen Schriften seinen Ton völlig verändern kann, als wäre er ein ganz anderer Autor. Wann immer er über ein bestimmtes Thema schreibt, passt er seine Art des Schreibens ganz diesem jeweiligen Thema an. Es ist sein grundlegendes Gewahrsein in der Beziehung zu seiner Leserschaft, das diese großen Unterschiede möglich macht.

      Jamgon Kongtruls Kommentar zu den Kadampa-Slogans ist eines der besten Bücher, die ich in den ersten Phasen meiner Begeisterung für das Klosterleben studierte. Ich war dabei, ein einfacher, kleiner Mönch zu werden. Ich studierte diese Texte und ich war dabei, eine guter kleiner Buddhist und ein kontemplativer Typ zu werden. Dieser Faden zieht sich durch mein ganzes Leben. Trotz aller Komplikationen in meinem Leben und der vielen organisatorischen Probleme fühle ich mich immer noch als ein grundsätzlich einfacher, romantischer Buddhist, der eine sehr tiefe Beziehung zu den Lehrern und den Lehren hat.

      Die Dharma-Schriften sind wie Tropfen flüssigen Goldes. Jedes Mal, wenn man solch ein Buch liest, erhält man erneut die Bestätigung, dass der Dharma etwas sehr Einfaches und Direktes an sich hat. Das macht mich ungeheuer glücklich und ich schlafe gut. Die Präsentation der Lehren kann eine gewisse Scharfkantigkeit haben, denn es geht ja um das Zerschneiden von Vorurteilen und anderen Ego-Kämpfen. Aber zugleich findet man im Mahayana-Buddhismus auch immer wieder den soft spot, die zarte Stelle der Hingabe und Einfachheit, die man niemals vergessen kann. Das ist sehr wichtig. Ich will hier nicht dramatisch sein; sollte es so ankommen, wäre dies bedauerlich. Aber ich habe nun einmal ein ganz besonders positives Gefühl, was Jamgon Kongtrul und seine Art, diese Lehren zu vermitteln, betrifft.

      Punkt eins

      Die Vorbereitungen, die eine

      Grundlage für die Dharma-Praxis

      bilden

      1

      Beim Praktizieren der Slogans und auch ganz allgemein


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