Selbstbewusst ist das neue Sexy. Sophia Faßnacht
etwas nicht stimmt, ist wahrlich ein revolutionärer Akt.
Und Revolutionen – so wissen wir aus der Zeitgeschichte – sind nicht leicht umzusetzen, und sie sind auch oft mit Anstrengung verbunden.
Nimm den Druck raus! Hier will dir keiner erzählen, dass du von heute auf morgen dein allerbester Freund sein musst. Jede Revolution verläuft anders. Dein Weg zur Freiheit ist so individuell wie du selbst. Aber – und da sind wir wieder bei der Gemeinschaft – wir können die Revolution auch zusammen gestalten.
Konkret heißt das erst mal: Sei unglücklich, wenn du gerade unglücklich bist. Sei ängstlich, wenn du gerade ängstlich bist. Sei alles, was du gerade fühlst. Auch wenn sich das erst einmal seltsam anhören mag. Aber du selbst zu sein heißt wirklich, du zu sein, mit allem, was da gerade da ist. Auch wenn du im Moment fürchterlich unzufrieden bist, auch wenn die Gefühle, die du mit dir herumträgst, ganz schwer zu ertragen sind. Auch wenn du deinem Hüftspeck gerade nichts Positives abgewinnen kannst: Der erste Schritt zu einem selbstbewussteren Leben ist, dir selbst zu zeigen, dass du dich mit allem, was dich ausmacht, was du bist, auch mit all deinen Anstrengungen siehst, erkennst – und anerkennst.
»BODY-POSITIVE«
zu sein ist schon fast wieder zu einem Privileg geworden. »Jetzt sei doch mal zufrieden mit deinem Körper und dir selbst.« Mit Betonung auf
JETZT.
Nun – und da wollen wir ganz ehrlich sein – ist es leicht zu sagen, man sei »body-positive«, wenn das Äußere einem medialen oder gesellschaftlichen Idealbild ohnehin schon sehr nahe kommt. Etwas breitere Hüften zu haben wäre für viele Menschen, die deutlich sichtbare »Einschränkungen« hinnehmen müssen, mit Sicherheit ein geringes Übel. Das soll nicht heißen, dass ein negatives Selbstbild eines Menschen als unwichtig abgetan werden sollte, à la: »Es gibt Menschen, denen geht es deutlich schlechter als dir.« Es ist nur wichtig, den Body-Positivity-Trend differenziert zu betrachten. Es ist wichtig, zu verdeutlichen: »Body-Positive« zu sein ist für jeden etwas anderes – und es ist schwer und mitunter eine lebenslange Herausforderung, sich immer wieder dafür zu entscheiden, mit sich im Reinen zu sein, gerade dann, wenn man häufig mit Ablehnung von außen konfrontiert ist. Es ist für manche Menschen schlichtweg nicht leicht, sich selbst anzunehmen, wenn sie stark übergewichtig sind und ständig angestarrt werden. Es ist auch nicht leicht, sich anzunehmen, wenn man nach einer Krebserkrankung eine Brust amputiert bekommen hat. Und es nicht leicht zu ertragen, aufgrund seiner Hautfarbe in seinem Alltagsleben diskriminiert zu werden.
Die Body-Positivity-Bewegung muss und sollte nicht zu einem seichten Trend werden. Sie sollte jeden Menschen einschließen – und darf niemand ausschließen. Jeder Mensch hat das Recht, gleich – und das heißt gleich gut – behandelt zu werden, unabhängig von seiner äußeren Erscheinungsform. Dazu gehört auch zu erwähnen, dass der Umkehrschluss, dicke Frauen zu glorifizieren und dünne Frauen gleichzeitig als »Klappergestell« zu degradieren, höchstens frauenfeindlich ist – und sicher nicht dem Ziel der Body-AktivistInnen dient. Body-Positivity sollte immer antidiskriminierend sein.
Dieses Buch will also keinen Druck erzeugen in einer Welt, in der wir ohnehin ständig dem Druck nach Perfektion ausgesetzt sind. Nein, du MUSST dich nicht sofort lieben, du MUSST nicht auf der Stelle vollkommen zufrieden mit dir und deinem Körper sein, du MUSST nicht so tun, als könnten dir Verletzungen und Mobbing nichts anhaben. Genau das ist der Punkt: Du musst gar nichts. Das Einzige, was du vielleicht tun musst, ist, erst einmal nichts zu tun – du darfst einfach nur du selbst sein. Der Schritt zu größerer Selbstakzeptanz ist zunächst also viel mehr eine Entscheidung als die Suche nach einem augenblicklichen Ergebnis. Eine Entscheidung, so bewusst und liebevoll mit dir umzugehen, wie es eben in diesem Moment für dich möglich ist. Und auch ein klitzekleiner Schritt in Richtung dieser Entscheidung ist ein wichtiger Schritt.
In dieser ersten, bewussten Entscheidung, dich so weit, wie du gerade kannst, anzunehmen, liegt der erste Schritt zu einem neuen Selbst(-Bewusstsein). Auch mit einem kleinen Schritt wird ein Weg zu einem selbstbewussteren und letztlich selbstbestimmteren Leben geebnet werden. Du kannst lernen, dich wertzuschätzen, und du kannst sofort damit beginnen – mit all deinen sogenannten Makeln, mit deinen Sorgen und auch deinen Wünschen nach Veränderung. Mit deinem Gefühl, nicht dazuzugehören. Deiner Unsicherheit, weil du vielleicht einem bestimmten, von der Gesellschaft vorgegebenem Körperideal nicht entsprichst. Mit deinem Gefühl, anders – und somit »falsch« – zu sein.
Der Weg zu einem selbstbewussteren Leben führt zuallererst zum Verständnis darüber, wo du gerade stehst. Vielleicht gibt es schon vieles, was du an dir magst, und das ist wunderbar. Vielleicht kannst du dich einfach noch nicht gern haben, vielleicht sitzen deine Verletzungen sehr tief. Aber der erste Schritt, zu dem dich dieses Buch ermutigen will, ist, dass du eine Vision von einem zukünftigen Selbst haben darfst, dass du ein Gefühl davon zulässt, dass es wertvoll ist. Und dass du für diesen Wert nichts, wirklich nichts tun musst. Weil du mit all dem, was du bist, in all deiner Einzigartigkeit wertvoll bist. Und du nichts tun musst, um diesen Wert zu erlangen, weil dein größtes Geschenk an diese Welt ist, du selbst zu sein. Der Weg zu einem selbstbewussteren Leben beginnt genau jetzt in diesem Moment.
Schön, schöner, am schönsten – oder welchen Einfluss Schönheitsideale auf unser Selbstbewusstsein nehmen
Der Po ist zu flach, das Gesicht zu faltig, die Nase zu groß, die Beine zu kurz, die Haare zu dünn, die Brüste zu klein, die Arme zu behaart, die Lippen zu schmal, die Oberschenkel zu unförmig, die Schwangerschaftsstreifen zu auffällig, der Bauch zu schwabbelig, die Fingernägel zu brüchig, die Augenbrauen nicht buschig genug, und die Augen, die sitzen irgendwie auch zu nah beieinander.
Kommt dir eine dieser Aussagen bekannt vor? Diese Liste der »körperlichen Unzufriedenheiten« könnte man bis ins Unendliche weiterführen. Wir alle standen schon einige bis unzählige Male vor dem Spiegel und haben uns für unsere angeblichen Makel kritisiert. Wir alle haben Gespräche mit Freundinnen geführt, in der sie uns von einer für sie schrecklich auffälligen Un-Perfektion in einer Art und Weise erzählten, als seien sie das Monster von Loch Ness höchstpersönlich. Und wir, die wir unsere Freundin lieben und bisher nicht für ein schreckliches Unterwasserungeheuer gehalten haben, sitzen da vielleicht und versichern ihr: »Nein, wirklich. Du hast keine riesigen Monsterzähne. Und dein Hals ist auch nicht zu lang. Ich finde dich eigentlich ganz schön. Ziemlich schön sogar.«
Ja, wir kennen das: Während der Blick auf die Menschen, die uns etwas bedeuten, oftmals ein sehr liebevoller ist, der wirklich ganz und gar keine Hässlichkeit erkennen kann, gehen wir mit uns selbst so hart ins Gericht, als säßen wir wegen eines schweren Vergehens auf der Anklagebank, wegen des »Verstoßes gegen das Schönheitsidealgesetz«. Geforderte Strafe: »Schämen solltest du dich.« Nun, das mag überspitzt klingen, aber wenn man sich die harten, »schönen« Fakten ansieht, sind es gerade Frauen, das sogenannte schöne Geschlecht, die mit ihrem Körper hadern, beim Blick in den Spiegel Makel erkennen und glauben, sie müssten etwas an ihrem Äußeren verändern, müssten einem bestimmten Ideal entsprechen, um sich und der Welt da draußen besser zu gefallen.
Dass Frauen mit ihrem Äußeren unzufrieden sind, ist nicht mehr die Ausnahme, sondern zum absoluten Standard geworden. Viele Frauen stehen mit ihrem Aussehen auf Kriegsfuß oder fühlen sich – an den heutigen Schönheitsidealen gemessen –, gelinde gesagt, einfach noch nicht »schön genug«. Umfragewerte rund um das Thema Schönheit sprechen für sich:
Gerade einmal zehn Prozent der deutschen Frauen würden sich selbst als schön bezeichnen. Ganze 72 Prozent wären gern schlanker, so eine Umfrage der Marplan Forschungsgesellschaft mit über 10.000 Befragten. Und auch vor Kindern macht der Schönheits- und Schlankheitswahn nicht halt. Jedes zweite deutsche elfjährige Mädchen gibt an, sich zu dick zu fühlen. Laut einer Umfrage des Robert Koch-Instituts liegt bei etwa einem Fünftel aller Elf- bis 17-Jährigen der Verdacht auf eine Essstörung vor. Jedes dritte Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren zeigt Auffälligkeiten im Essverhalten, bei Jungen sind es 13,5 Prozent. Die verspürte Last, dem Ideal einer perfekten Schönheit entsprechen zu müssen, sehen viele Frauen von den Medien ausgelöst: 46 Prozent fühlen sich von den Bildern der Models, die sie Tag für Tag auf großen Werbeplakaten, im Internet oder im Fernsehen