Berufs- und Arbeitspädagogik. Dr. Lothar Semper
In Bezug auf die Berufsausbildung liegt eine soziale Benachteiligung insbesondere dann vor, wenn die betroffenen Jugendlichen keinen Zugang zum Berufsbildungssystem finden können und daher deutlich geringere Perspektiven für ihr zukünftiges Leben besitzen.
Soziale Benachteiligungen können sich beispielsweise wie folgt zeigen:
>Verlassen der Schule ohne Schulabschluss
>Vorliegen erheblicher Mängel im Sozialverhalten
>Abbruch einer Berufsausbildung ohne Überleitung in ein neues Ausbildungsverhältnis
>Abbruch einer Berufsvorbereitungsmaßnahme
>kein Beginn oder Verbleib in einem Arbeitsverhältnis trotz erfolgreicher Berufsausbildung.
Menschen mit Lernbeeinträchtigung
>> dazu im Einzelnen Abschnitt 3.5.1.2
Menschen mit Behinderung
>> dazu im Einzelnen Abschnitt 3.5.1.2
Jugendliche mit Migrationshintergrund
Nähere Ausführungen hierzu >> Abschnitt 3.10.
1.6.1.2 Rechtliche Grundlagen
Die Berufsausbildungsvorbereitung muss nach Inhalt, Art, Ziel und Dauer den besonderen Erfordernissen lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Personen entsprechen und durch umfassende sozialpädagogische Betreuung und Unterstützung begleitet werden.
Die Vorschriften der Handwerksordnung und des Berufsbildungsgesetzes über die Berechtigung zum Einstellen und Ausbilden sowie deren Überwachung und Entzug gelten für die betriebliche Berufsausbildungsvorbereitung entsprechend.
1.6.2 Bedeutung berufsvorbereitender Maßnahmen und Fördermöglichkeiten
Die Bedeutung berufsvorbereitender Maßnahmen hat mittlerweile einen derart großen Umfang eingenommen, dass teilweise schon von einem „Übergangs-System“ zwischen Schule und Ausbildung gesprochen wird. Dies geht einher mit finanziellen Fördermöglichkeiten, wenn der Lehrling bestimmte Voraussetzungen erfüllt.
Berufsausbildungsbeihilfen und andere finanzielle Hilfen können von der Agentur für Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen auch gewährt werden für
Besondere Zielgruppen
>die betriebliche Ausbildung von Menschen mit Behinderung sowie
>die Berufsausbildung von sozial benachteiligten Auszubildenden und von Auszubildenden mit Lernbeeinträchtigungen.
Berufsvorbereitung
Finanzielle Zuwendungen werden seitens der Agentur für Arbeit auch für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen bewilligt, sofern die vorgesehenen Voraussetzungen gegeben sind.
Jugendliche, die im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung (Vereinbarung zwischen Bundesregierung, den Spitzenverbänden der Wirtschaft und dem DGB) an einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung teilnehmen, werden über einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung und einen pauschalierten Zuschuss zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag an den Betrieb gefördert.
Die Einstiegsqualifizierung erfolgt in der Regel auf der Grundlage eines Einstiegsqualifizierungvertrages (Praktikantenvertrag) und auf der Basis von Qualifizierungsbausteinen, die für eine Reihe von Handwerksberufen entwickelt wurden.
1.6.3 Inhaltliche Strukturierung berufsvorbereitender Maßnahmen (Qualifizierungsbausteine)
Die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit kann insbesondere durch inhaltlich und zeitlich abgegrenzte Lerneinheiten erfolgen, die aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe entwickelt werden (Qualifizierungsbausteine).
Der Anbieter der Berufsausbildungsvorbereitung muss jeden Qualifizierungsbaustein von der zuständigen Stelle (z. B. Handwerkskammer) bestätigen lassen. Über die vermittelten Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit wird eine Bescheinigung nach verbindlich vorgeschriebenen Inhalten ausgestellt. Hat der Teilnehmer das Qualifizierungsziel erreicht, erhält er über das Ergebnis der Leistungsbewertung ein Zeugnis.
Einstiegsqualifizierung
Für leistungsschwache Jugendliche unter 25 Jahren und Jugendliche, die noch nicht in vollem Umfang ausbildungsreif sind, also mit eingeschränkten Vermittlungsperspektiven, wurde im Rahmen des Ausbildungspaktes (Vereinbarung der Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft) das Instrument der Einstiegsqualifizierung (EQ) als „Türöffner und Brücke zur Berufsausbildung“ geschaffen und in der Allianz für Aus- und Weiterbildung fortgeführt. Die Einstiegsqualifizierung ist auf die Vermittlung und Vertiefung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit ausgerichtet. Sie erfolgt auf der Basis eines schriftlichen Einstiegsqualifizierungsvertrages (Praktikantenvertrag) und auf der Grundlage von Qualifizierungsbausteinen, die aus einer Reihe von Ausbildungsberufen des Handwerks abgeleitet und entwickelt wurden.
Der Abschluss des Einstiegsqualifizierungsvertrages (Muster bei der Handwerkskammer) ist der Handwerkskammer vorzulegen.
Diese Betriebspraktika im Rahmen der Einstiegsqualifizierung dauern sechs bis zwölf Monate und können auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen auf eine nachfolgende Ausbildung angerechnet werden.
Nach der Einstiegsqualifizierung wird den Teilnehmern ein betriebliches Zeugnis sowie auf Antrag ein Zertifikat der Handwerkskammer über die erfolgreiche Teilnahme ausgestellt.
Der Teilnehmer erhält während der Maßnahme eine Vergütung, die dem Betrieb zusammen mit einem pauschalierten Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Agentur für Arbeit auf Antrag erstattet wird. Die Förderobergrenze beträgt 243,00 EUR (Stand August 2019) monatlich zuzüglich eines pauschalierten Anteils am durchschnittlichen Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Berufsschulpflicht während der Einstiegsqualifizierung richtet sich nach den Schulgesetzen der Länder.
Handlungsorientierte, fallbezogene Aufgaben
1.Sie sind als Ausbilder in einem Betrieb tätig. Zu Beginn des Ausbildungsjahres wurden neue Lehrlinge eingestellt. Diese sollen von Ihnen über Möglichkeiten von finanziellen Zuwendungen und Unterstützungsmaßnahmen, die unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen zu erhalten sind, informiert werden.
Aufgabe: Erläutern Sie Ihren neuen Auszubildenden die dafür wichtigen Gesetze und Maßnahmen!
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2.Der Inhaber eines Handwerksbetriebes will im Rahmen der in der Allianz für Aus- und Weiterbildung (Vereinbarung zwischen der Bundesregierung, den Spitzenverbänden der Wirtschaft und dem DGB) vorgesehenen Einstiegsqualifizierung einen jungen Mann einstellen.
Aufgabe: Welchen Vertrag schließt er für diese Einstiegsqualifizierung in der Regel ab?
1 Einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
2 Einen Berufsausbildungsvertrag.
3 Einen Einstiegsqualifizierungsvertrag (Praktikantenvertrag).
4 Einen Vorvertrag zu einem Berufsausbildungsvertrag.
5 Einen Leiharbeitsvertrag.
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1.7 Lernsituation: Innerbetriebliche