Tiger Woman. Chuck Spezzano
Zweiter Schritt: Abhängigkeit / Unabhängigkeit
Nach den ersten Scharmützeln im Stadium des Machtkampfs trefft ihr beide eine unterbewusste Entscheidung in Bezug darauf, wer von euch am ehesten die Rolle des unabhängigen Partners und wer am ehesten die Rolle des abhängigen Partners übernehmen könnte. Das wahre Maß deiner Unabhängigkeit entspricht der Summe aus deiner eigenen Unabhängigkeit und der Unabhängigkeit deiner Tigerfrau. Für die Abhängigkeit gilt dasselbe. Jeder von euch entscheidet sich für die Rolle, für die er am besten geeignet ist, und projiziert dann die andere Rolle auf den Partner. Wenn du das nicht erkennst und verstehst, kann eine Tigerfrau in der unabhängigen Rolle durch ihr äußerst barsches und oft auch verletzendes Verhalten großes Unheil anrichten. Wenn sich deine Tigerfrau in der abhängigen Position befindet, greift sie dich an, weil sie sich schwächer und bedürftiger fühlt als du. Erfüllst du ihr Bedürfnis, kann es sein, dass sie angreift, weil sie entweder glaubt, dass du dich allzu selbstherrlich benimmst und ein wenig zurechtgestutzt werden musst, oder weil es ihr nicht gefällt, dass sie von dir abhängig ist, wenn es um die Erfüllung ihrer Bedürfnisse geht. Für Tigerfrauen, die keine sexuellen Verletzungen davongetragen haben, ist Sex das mit Abstand beliebteste Mittel, um ein Bedürfnis erfüllt zu bekommen.
Ich war einmal mit einer Tigerfrau verabredet, die gleich bei unserer ersten Begegnung plötzlich zu mir sagte: „Du hältst dich wohl für sehr clever. Ich kann dich ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Das habe ich schon bei Männern getan, die wesentlich größer waren als du.“ Ich sah ihr in die Augen und erklärte: „Ich spiele diese Spiele nicht und schlage vor, dass du es auch nicht tust.“ Leider schien sie fest entschlossen zu sein, mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen, was dazu führte, dass sie in ihre eigene Falle tappte. Sie manövrierte sich selbst in die abhängige Position, und daran war sie definitiv nicht gewöhnt.
Seit damals habe ich gelernt, dass, wenn es darum geht, die Beziehung zu einer Tigerfrau – aber auch zu anderen Menschen – erfolgreich zu gestalten, der richtige Weg darin besteht, dich ihr und eurer Ebenbürtigkeit zu verpflichten. Es führt dazu, dass du nahezu vollständig über den Schritt von Unabhängigkeit und Abhängigkeit hinausgelangst. Einigen Aspekten dieser Lektion musst du dich zwar trotzdem noch stellen, aber du bleibst nicht darin stecken, und vor allem besitzt du den Schlüssel, der es dir ermöglicht, diese entscheidende Lektion erfolgreich zu bewältigen. Der erste ist zugleich auch der schwerste Schritt, doch sobald du dich deiner Partnerin verpflichtest, fängst du an, einen Teil der alten Blockaden aus dem Weg zu räumen, die du bereits seit deinem allerersten Herzensbruch in dir trägst.
In der Beziehung zu einer Frau, bei der die Tigernatur voll ausgeprägt ist, stellt der Schritt von Abhängigkeit/Unabhängigkeit im Stadium des Machtkampfs die größte Herausforderung dar und ist zugleich der wichtigste Schritt, den es zu bewältigen gilt. Bist du der abhängige Partner, dann versuchst du deine Tigerfrau dazu zu bringen, dass sie deine Kindheitsbedürfnisse erfüllt. Deine Tigerfrau zu einem Elternteil zu machen oder sie dazu bringen zu wollen, das wettzumachen, was dir deine Eltern nicht gegeben haben, funktioniert jedoch einfach nicht. Du glaubst vielleicht gar nicht, dass du es tust, weil deine emotionalen Bedürfnisse auf Sex ausgerichtet sind, aber wenn sie vor deinen emotionalen Bedürfnissen und deinem Gefühl der Dringlichkeit zurückschreckt, dann hast du es geschafft, deine Beziehung aufs Spiel zu setzen. Dein Bedürfnis führt dazu, dass du verletzt wirst oder sogar einen Herzensbruch erleidest. Es kann unersättlich werden, und selbst dann, wenn deine Tigerfrau zu dir hinausreicht, ist es nie genug, um dich zu befriedigen. Wenn du in der abhängigen Position steckenbleibst, versuchst du zu manipulieren, zu beschwatzen oder deine Partnerin durch deinen verletzten, traurigen oder verzweifelten Blick emotional zu erpressen. Das alles sind jedoch keine guten Ideen, denn die eine oder andere Schlacht magst du damit vielleicht gewinnen, wirst den Krieg aber ganz gewiss verlieren. Natürlich kann es sich so anfühlen, als wärest du „gestorben und in den Himmel gekommen“, wenn es dir gelingt, die Abwehrmechanismen deiner Tigerfrau zu überwinden und sie dir zu Willen zu machen. Du wirst sie allerdings kaum dazu bringen, dir die besonderen sexuellen Wünsche zu erfüllen, die du dir ersehnst und die du mit ihrer Liebe zu dir gleichsetzt. Auch dies ist eine jugendliche Torheit und falsche Interpretation dessen, was geschieht. Wenn du der abhängige Partner bist, neigst du viel mehr dazu, von deiner Tigerfrau missbraucht zu werden, als wenn du die unabhängige Position in der Beziehung innehast.
Wenn ich von der Liebe zu deiner Tigerfrau spreche, dann meine ich nicht die Abhängigkeit, die den Anschein erweckt, als wärest du total verliebt, aber den Teil verbirgt, der gibt, um zu nehmen. Abhängigkeit gibt, um zu nehmen, und ist schnell verletzt, was dir als dem Partner einer Tigerfrau und deiner Gesundheit nicht unbedingt zuträglich ist. Tigerfrauen verabscheuen Bedürftigkeit, obwohl sie oft selbst bedürftig sind. Wenn du in der Beziehung zu einer Tigerfrau abhängig und bedürftig bist, beklagst du dich über etwas, das sie nicht für dich tut und dir nicht gibt. Das schwächt aber nur deine Position und verringert die Anziehungskraft, die du auf sie ausübst. Wenn sie nicht mehr mit dir schlafen will, dann weißt du, dass du es „verbockt“ hast. Deine Tigerfrau gibt ihren liebsten Zeitvertreib auf, weil deine Abhängigkeit ihr die Lust verdirbt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ein ernstes Gespräch mit dir selbst angezeigt ist. Wenn deine Tigerfrau, deine Beziehung zu ihr und dein eigenes Herz dir etwas wert sind, ist es Zeit, die Beziehung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Ich will offen sein in der Hoffnung, dich damit zu motivieren. Emotionale Abhängigkeit ist emotionale Unreife. Sie beruht auf einer Vergangenheit, die du nicht überwunden hast. Sie weist auf Orte hin, an denen du selbstschädigende Muster hast und emotional erstarrt bist. Die schlimmste Position, die du deiner Tigerfrau zuweisen kannst, ist die unabhängige Position, weil sie dann die Liebe, die sie für dich empfindet, und die sexuelle Anziehung, die du auf sie ausübst, nicht spürt. Das bringt wiederum dich in eine schwache Position, die dich, wenn du nicht aufpasst, auf einen Herzensbruch zusteuern lässt. Die beste Konstellation für euch beide ist Ebenbürtigkeit, aber wenn sie nicht gegeben ist, besteht die zweitbeste Konstellation darin, dass du die unabhängige Rolle einnimmst, damit du deine Beziehung zu Ebenbürtigkeit und Erfolg führen kannst. Deine Tigerfrau neigt zum Angriff, wenn sie sich vernachlässigt fühlt, aber wenn du dich auf deine sexuelle Integrität verlassen und deine sexuelle und emotionale Energie auf deine abhängige Tigerfrau richten kannst, dann blüht sie auf, schwingt sich gemeinsam mit dir zu neuen Ebenen empor und erkennt dadurch ihr wunderbares, feuriges Selbst. Jedes Mal, wenn es dir gelingt, ruft es zudem ein immer geringeres Maß an Aggression hervor. Deine Tigerfrau greift dich immer noch an, aber wenn du erkennst, dass sie dich genau dann am meisten braucht, kannst du dadurch, dass du dich mit ihr verbindest und sie liebst, ihr helfen und zugleich dich selbst von einem inneren Konflikt befreien. Vor allem dann, wenn du an persönlichem oder spirituellem Wachstum interessiert bist, kann deine Tigerfrau eine wunderbare Zen-Meisterin sein, denn nur dein Ego wird durch ihre Reaktion verletzt oder aus der Fassung gebracht. Deine Tigerfrau hat einen siebten Sinn für die Orte in dir, an denen du gespalten und im Zwiespalt bist. Wenn du deine Mauern abbaust und deinen Konflikt und deine Angst eingestehst, kannst du sie in die Hände des Himmels legen, damit er sie für dich transformiert.
Wenn du in der abhängigen Position gefangen bist, lege ich dir die Lektüre einiger meiner anderen Bücher ans Herz, die dir Hintergrundinformationen zu diesem Thema geben können, wie etwa Wenn es verletzt, ist es keine Liebe oder das Beziehungs-Notfall-Set.
Neben der Lektüre dieser hilfreichen Bücher rate ich dir, dich im Loslassen deiner Anhaftungen zu üben – wobei es keine Rolle spielt, ob du der abhängige oder der unabhängige Partner bist –, weil sie der Grund für deine Verärgerung sind. Wenn du Anhaftungen und Bedürfnisse hast, dann bekommst du nicht das, was du willst, und du leidest unter dem, was geschieht oder nicht geschieht. Der Ursprung deiner Bedürfnisse und Anhaftungen liegt in der Tatsache, dass du dich in der Vergangenheit irgendwann einmal für Unabhängigkeit und Besonderheit entschieden hast. Sie sind die Mauern deines Egos. Der Schmerz, der jetzt in dir hochkommt, ist der Schmerz, der durch die Zerstörung deiner Verbundenheit in der Vergangenheit entstanden ist.
Wenn du etwas nicht brauchst, kannst du so viel davon haben, wie du nur willst. Wenn du es unbedingt haben musst, kannst du es nicht haben. Wenn du das, was du zu brauchen glaubst, loslässt,