Ausgewählte Briefe. Gregor der Große

Ausgewählte Briefe - Gregor der Große


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VIII. (51.) An alle in den Drecapitelstrei verflochtenen Bischöfe.

      VIII. Gesammtausgabe 51.

      An alle in den Drecapitelstrei verflochtenen Bischöfe.139

       Inhalt: Die Schismatiker erleiden ohne Verdienst Verfolgung, so lange sie nicht zur kirchlichen Einheit zurückkehren. Die Verurtheilung der drei Kapitel hat am Glauuben Nichts geändert. Die Leiden Italiens sind nicht als Strafe für die Annahme des fünften Conciliums zu betrachten. Sie sollen aus einem Briefe des Papstes Pelagius, der ihnen mitgetheilt wird, Belehrung schöpfen.

      Eure Zuschriften habe ich mit größter Freude in Empfang genommen; aber noch weit größer würde mein Jubel sein, wenn es mir beschieden wäre, über Eure Rückkehr zu frohlocken. An der Spitze Eures Briefes befindet sich die Mittheilung, daß Ihr eine schwere Verfolgung zu erleiden haht. Wenn nun diese Verfolgung nicht in der rechten Gesinnung ertragen wird, so gereicht sie Euch keineswegs zum Heile. Denn Niemand darf eine Belohnung für seine Sünde erwarten. Iht müßt wissen, daß, wie der hl. Cyprian sagt, nicht die Marter den Martyrer ausmacht, sondern die Ursache derselben. Wenn es sich nun so verhält, so habt Ihr keinen Grund, Euch der Verfolgung, die Ihr nach Eurer erleidet, zu rühmen, da es gewiß ist, daß Ihr durch dieselbe nicht zur ewigen Belohnung gelangen werdet. Möge endlich die Unversehrtheit des Glaubens Euer Liebden zur Mutter, die Euch geboren, zur Kirche, zurückführen. Keine Erbitterung des Gemüths trenne Euch von der Eintracht und Einheit, keine Überredung halte Euch ab, den rechten Weg wieder einzuschlagen! Denn es liegt offen zu Tage, daß in der Synode, in welcher über die drei Kapitel verhandelt wurde, vorn Glauben Nichts hinweggenommen, Nichts irgendwie an demselben abgeändert worden, sondern es hat sich, wie Ihr wisset, hiebei nur um gewisse Personen gehandelt, von welchen eine, deren Schriften offenbar mit dem rechten katholischen Glauben im Widerspruch waren, nicht ungerecht verurtheilt worden ist.

      Wenn Ihr aber schreibet, daß von dieser Zeit an Italien mehr als alle anderen Provinzen von Plagen heimgesucht sei, so sollt Ihr Dieß demselben nicht zur Schmach anrechnen, da geschrieben steht: „Wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt jeden Sohn, den er aufnimmt.„140Wenn es also sich so verhält, wie Ihr saget, so ist Italien von jener Zeit an mehr bei Gott beliebt und in jeder Weise bewährt und hat deßhalb die Schläge seines Herrn zu erdulden verdient. Beachtet aber wohl den Grund, warum es sich nicht so verhalten könne, wie Ihr zum Hohne dieses Landes zu behaupten waget.

      Als der Papst Vigilius, berühmten Andenkens, sich in der Kaiserstadt befand und gegen die damalige Kaiserin Theodora und gegen die Acephaler141 das Verwerfungsurtheil veröffentlichte, da drang der Feind in die Stadt Rom und nahm sie in Besitz. War also die Sache der Acephaler eine gute, und sind sie etwa ungerecht verurtheilt worden, weil sich Dieß nach ihrer Verurtheilung ereignet hat? Das sei ferne! Denn es steht weder einem von Euch noch Andern zu, die mit den Geheimnissen des katholischen Glaubens bekannt sind, Dieß zu sagen oder auf irgend eine Weise zuzugestehen. Da ihr Dieß also wisset, so lasset jenes Bedenken einmal fallen! Damit aber Euern Gemüthern aller Zweifel hinsichtlich der drei Kapitel benommen und euch vollständige Befriedigung hinsichtlich derselben verliehen werde, halte ich es für nützlich, Euch das Buch142zu schicken, welches mein Vorfahrer, heiligen Angedenkens, der Papst Pelagius, über diesen Punkt geschrieben hat. Wenn Ihr dasselbe mit Ablegung aller hartnäckigen Vertheidigungssucht und mit aufrichtigem und aufmerksamem Herzen öfters lesen wollt, so habe ich das Vertrauen, daß Ihr demselben in Allem zustimmen und deßungeachtet zur Einheit mit Uns zurückkehren werdet. Wenn Ihr aber auch nach Lektüre dieses Buches bei Euern gegenwärtigen Bedenklichkeiten beharren wollet, so zeiget Ihr zweifellos, daß Ihr Euch nicht von der Vernunft, sondern vom Eigensinn leiten lasset. Darum ermahne ich nochmals mit allem Mitleid Euer Liebden, daß Ihr — da mit Gottes Hilfe in der Angelegenheit der drei Kapitel die Unversehrtheit des Glaubens Nichts eingebüßt hat — allen Geisteshochmuth ableget und um so schneller zu Eurer Mutter, der Kirche. die ihre Söhne erwartet und einladet, zurückkehret, da ihr wisset, daß Ihr täglich von ihr zu Euerm eigenen Besten erwartet werdet.

       IX. (52.) An den Bischof Natalis von Salona.

      IX. Gesammtausgabe 52.

      An den Bischof Natalis von Salona.

       Inhalt: Tadel wegen Abhaltung weltlicher Gaslmähler, Unterlassung der geistlichen Lesung und früherer Nichtachtung des päptslichen Urtheilsspruches. Lob wegen fleissiger Predigt.

      Als hätte ich die ganze Reihe Eurer früheren Zuschriften vergessen, hatte ich mir vorgenommen, nur Angenehmes zu Ew. Herrlichkeit zu sprechen; aber da Euer Brief in der Erörterung auf die früheren Zuschriften zurückgreift, so sehe ich mich gezwungen, wieder Manches anzuführen, was vielleicht weniger angenehm zu hören ist.

      So erwähnt Ew. Brüderlichkeit zur Vertheidigung der Gastmähler das Gastmahl Abraham’s, bei welchem er, wie die hl. Schrift bezeugt, drei Engel bewirthet habe. Allerdings werden auch Wir im Hinblick auf dieses Beispiel Ew. Herrlichkeit nicht wegen eines Gastmahls tadeln, wenn Wir vernehmen, daß Hochdieselbe an Engeln Gastfreundschaft geübt habe. Ferner führt Hochdieselbe an, Isaak habe, nachdem er sich gesättigt, seinem Sohn den Segen gegeben. Da beide Beispiele aus dem alten Testamente sich zwar geschichtlich ereignet haben, aber doch auch eine vorbildliche Bedeutung in sich schließen, — möchten wir im Stande sein, die gechichtlichen Ereignisse so aufzufassen, daß wir auch einen Blick in die Zukunft werfen und zu erkennen vermögen, was geschehen muß. So hat Jener, da er unter den drei Engeln einen begrüßte, erklärrt, daß die drei Personen der Dreifaltigkeit eines Wesens seien. Dieser aber hat, nachdem er sich gesättigt, seinen Sohn gesegnet, weil das Gemüth dessen sich zur Kraft der Weissagung erhebt, der sich am göttlichen Mahle gesättigt hat. Das göttliche Mahl aber sind die Worte der hl. Schrift. Wenn Ihr also beständig der Lesung oblieget, wenn Euch die äussern Dinge nur als Vorbild dienen, um in das Innere zu dringen, dann erfüllt Ihr das Fassungsvermögen der Seele von dem Erträgniß der Feldjagd und seid gesättigt, um dem vor Euch befindlichen Sohne, dem Euch anvertrauten Volke, die Zukunft verkünden zu können. Aber wer von Gott Etmas weissagt, dem ist die Welt schon dunkel geworben; denn es geziemt sich fürwahr, daß das Auge Dessen der Begierlichkeit sich verschließe, dessen Seele von innerem Verständniß erglänzt. Beziehet dar auf Euch selbst, und wenn Ihr Euch als so beschaffen erkennet, so dürft Ihr an Unsrer Hochschätzung nicht zweifeln.

      Ich finde auch, daß Ew. Herrlichkeit sich darüber freut, zugleich mit dem Weltenschöpfer den Namen eines Fressers ertragen zu müssen. Darüber sage ich in Kürze: Wenn Dieß fälschlich von Euch ausgesagt wird, so ertraget Ihr in Wahrheit diese Beschimpfung mit dem Weltenschöpfer. Wenn sie aber mit Beziehung auf Euch Wahrheit ist, wer könnte in Bezug auf Jenen zweifeln, daß sie Lüge sei? Der gleiche Name kann Euch nicht freisprechen, wenn sich die Sache ungleich verhält. Denn auch einem Räuber ward zugleich mit ihm das Kreuz zu Theil, um daran zu sterben; aber die Gleichheit der Kreuzesstrafe hat ihn nicht von den Fesseln der eigenen Schuld befreit. Ich aber erflehe mit meinen kräftigsten Bitten, daß Ew. heiligste Brüderlichkeit nicht nur den Namen, sondern auch die Sache mit unserm Schöpfer gemeinsam habe.

      Mit Recht lobt Ew. Heiligkeit in ihren Briefen die Gastmähler, welche in der Absicht, Liebe zu erweisen, veranstaltet werden. Jedoch ist hiebei zu bemerken, daß sie nur dann in Wahrheit auf Liebe sich gründen, wenn dabei nicht das Leben Abwesender durchgehächelt, Niemand mit Spott herabgezogen wird, und wenn man dabei nicht eitle Berichte von Weltgeschäften, sondern die Worte heiliger Lesung vernimmt; wenn man dem Leibe nicht über Bedürfniß dient, sondern nur seiner Schwachheit zu Hilfe kommt, damit er zur Ausübung der Tugend tauglich sei. Wenn Dieß bei Euern Gastmählern beachtet wird, dann, ich gestehe es, seid Ihr Lehrer der Enthaltsamen.

      Wenn Ihr mir aber die Vorschrift des Apostels Paulus entgegenhaltet: „Wer nicht ißt, richte Den nicht, welcher ißt!„143 so scheint mir Dieß durchaus nicht hieher zu gehören; denn einerseits bin ich Keiner, der nicht ißt, anderseits hat Paulus Dieß nicht gesagt, damit die Glieder Christi, die in dessen Leib d. h. in der Kirche durch das Band der Liebe mit einander verbunden, sich gar nicht mehr um einander kümmern sollten. Wenn weder ich zu Dir noch Du zu mir in irgend einer Beziehung stündest, dann müßte ich


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