Donnergrollen im Land der grünen Wasser. Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser - Kerstin Groeper


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Männer saßen, schauderte sie vor Entsetzen. Sowohl die großen Tiere als auch die Männer erschienen ihr gefährlich, außerdem stanken sie. Selbst auf die Entfernung konnte sie den Schweiß und die Ausdünstungen der Männer riechen. Es roch wie bei einem Stachelschwein, das sich gegen den Jäger wehrte. Es dauerte eine Weile, ehe es ihr gelang die Augen von dem Spektakel abzuwenden. Doch der Gestank erinnerte sie daran, dass auch sie sich baden musste. Nach der langen Reise war ihr Haar staubig.

      Der Minko winkte die Männer gnädig heran. Einige Diener hielten die Pferde fest, während die fremden Männer den Hügel emporschritten Einer musterte Maisblüte mit lüsternen Augen und sie erstarrte vor Schreck. Es war den Männern nicht gestattet, sie anzusehen! Nicht so! Die Männer schienen noch jung zu sein, obwohl das wilde Haar in ihrem Gesicht sie älter erscheinen ließ. Ihre Augen waren dunkelbraun und wild. Ihre Haut von einem helleren Braun als die ihre. Unter dem seltsamen Hut, der ebenfalls an den Panzer eines Käfers erinnerte, quollen braun-schwarze Haare hervor, die teils gelockt waren. Die Füße der Männer steckten in seltsamen hohen Mokassins und ihre Beine waren vollständig mit Tuch verhüllt. Maisblüte konnte erkennen, dass sie unter dem Brustharnisch, der ebenfalls wie dieser Käferpanzer glänzte, noch weitere Kleidung trugen. Die Männer schwitzten unter der Last der Kleidung, dabei war es kühl. All dies sah Maisblüte, als sie die Fremden unter gesenkten Wimpern musterte.

      Ein unangenehmes Schweigen entstand, dann zogen die Männer plötzlich ihre Waffen und umringten den Häuptling. Er war nun ihr Gefangener. Ein Aufschrei ging durch die versammelten Menschen, denn Tuscalusa war nicht nur ihr Minko, sondern der oberste Priester! Ihn gefangenzusetzen bedeutete für die Menschen den Untergang des Volkes. Klagende Stimmen erhoben sich, die darauf warteten, dass die Sonne sich verdunkelte. Maisblüte war so entsetzt, dass sie zu keiner Bewegung mehr fähig war. Mit einer Handbewegung beruhigte Tuscalusa seine Männer und machte gute Miene zum bösen Spiel. „Ich führe euch nach Mabila, wo ihr eure Unterstützung bekommen werdet!“, ließ er den Dolmetscher übersetzen.

      Dem Gouverneur schien das zu genügen, denn die Männer ließen die Waffen sinken. Der Gouverneur winkte zwei Männer herbei, die einen seltsamen langen Ast mit sich trugen. Mit lauter Stimme richtete er seine Worte an die versammelten Menschen, die von einem Führer übersetzt wurden: „Ich bin der Sohn der Sonne und wenn ihr nicht gehorcht, dann werde ich Blitze auf euch schleudern!“

      Er trat etwas zurück und gab mit Handzeichen zu verstehen, dass auch Tuscalusa etwas Abstand halten sollte. Auf ein weiteres Zeichen stützten die Männer ihre Stöcke auf ein Gestell und richteten sie gen Himmel. Dann ertönte der lauteste Knall, den Maisblüte je gehört hatte. Blitz und Donner kamen aus den Stöcken, sodass die Menschen sich vor Schreck zu Boden warfen und in lautes Wehklagen ausbrachen. Einzig Tuscalusa war neben dem Sohn der Sonne stehengeblieben, aber sein Gesicht war vor Schreck wie erstarrt. Nur mühsam gelang es ihm, die Angst zu beherrschen und würdevoll stehen zubleiben.

      Der Gouverneur war sehr zufrieden mit dieser Demonstration und wandte sich wieder dem Häuptling zu: „Ich freue mich schon, in deinem Dorf begrüßt zu werden. Sei solange mein Gast!“

      Die Soldaten folgten Tuscalusa in höflicher Weise, trotzdem war klar, dass sie den Häuptling nicht aus den Augen lassen würden. Sie führten ihn in das Haus zurück und ließen auch seine Begleiter eintreten. Dann schickten sie nach dem Hopaii und den Jungfrauen. Noch wurden alle respektvoll behandelt, als Gäste, aber es war klar, dass sich das ändern würde, wenn der Häuptling sich nicht den Anweisungen fügte. Tuscalusa ertrug seine Gefangennahme mit stoischer Ruhe. Er hatte dies vorhergesehen und bereits Vorkehrungen getroffen. Seine Zähne knirschten vor Zorn, als er an die Krieger in Mabila dachte. Bald!

      Der Gouverneur kam in Begleitung des Dolmetschers herein und setzte sich zu dem Minko, um mit ihm zu reden. Er wirkte herrisch und arrogant. Seine Kleidung sollte Respekt einflößen mit all dem Tand, aber im Moment stank sie bestialisch. Selbst Maisblüte, die im Hintergrund der Hütte saß, rümpfte angeekelt die Nase. Der Gouverneur äußerte sich in blumigen Worten, die im Gegensatz zu seinen Taten standen. „Ich bin hier, um eure Freundschaft zu suchen! Wenn ihr mir die Wünsche erfüllt, die ich habe, dann gelobe ich, dass ich euch freilasse. Ihr bekommt großzügige Geschenke und ihr erhaltet das Wohlwollen des Sohnes der Sonne. In meinem Land ist es Sitte, sich die Hand zum Zeichen des Friedens zu schütteln und sich beim Namen zu nennen. Ich heiße DeSoto und es ist eine große Ehre für den großen Häuptling, wenn er mich mit meinem Namen anreden darf!“

      DeSoto hielt Tuscalusa fordernd die ausgestreckte Hand hin, doch der Häuptling ignorierte die Geste mit völliger Missachtung. Letztendlich war es gleichgültig, wie der Fremde hieß, und er würde ganz bestimmt nicht die Hand eines Fremden schütteln! DeSoto war darüber verärgert und befahl mit harscher Stimme den Aufbruch. Anscheinend waren ihm in dem Dorf zu viele Krieger. Der Häuptling wurde mit seinem Gefolge aus der Hütte getrieben und unter dem Protest der Krieger aus dem Dorf geführt. Das schrille Schreien war ohrenbetäubend, und nur durch Tuscalusas beruhigende Gesten wurden weitere Ausschreitungen verhindert. Dabei waren die Lippen des Häuptlings vom Hass verzerrt, aber er wusste, dass er die Fremden in Sicherheit wiegen musste, um zu seinem Ziel zu gelangen. Er wusste auch, dass es keinen Frieden geben würde.

      Sie verbrachten die Nacht in dem Lager der Spanier, gut bewacht von den bewaffneten Reitern. Maisblüte wurde mit den anderen Mädchen zu einem Teil des Lagers geführt, in dem gefangene Frauen ihre Dienste verrichteten. Das Lager war gewaltig, denn die Fremden führten nicht nur Soldaten, sondern auch Gepäck, Frauen, Zelte, Vorräte und Vieh mit. Maisblüte sah zum ersten Mal zahme Schweine. Sie ähnelten jenen Stachelschweinen, die man in ihren Wäldern fand, waren aber deutlich größer. Maisblüte überblickte das Gewimmel und ihr Blick blieb an riesigen Hunden kleben, die bis zur Hüfte der Männer reichten und die Zähne fletschten. Die seltsamen Pferde schnaubten und überall klangen Geräusche, die sie noch nie gehört hatte. Über großen Feuern hingen Töpfe, die aus einem Material waren, das Maisblüte noch nie gesehen hatte. Es ähnelte wohl den Käferhüten der Männer. Einige Krieger setzten sich zu den Jungfrauen, um diese vor den anzüglichen Blicken der fremden Männer zu schützen. Der Gouverneur ließ sie gewähren und gab Befehl, die Mädchen mit Respekt zu behandeln.

      Maisblüte war zu aufgeregt, um in dieser Nacht zu schlafen. Die Gefahr lag zum Greifen in der Luft und die fremdartigen Geräusche ließen sie immer wieder hochschrecken. Am schlimmsten war dieser Knall aus den Donnerrohren gewesen. Wie konnten Menschen sich den Donner zu eigen machen? Sie wusste, dass Heloha in den Wolken wohnte und dort ihre Eier legte, die dann donnernd über den Himmel rollten, immer begleitet von Helohas Gefährten Melatha, der so schnell war, dass er eine Spur aus Funken hinterließ. Aber diese Fremden hatten Heloha und Melatha in ihren Donnerrohren gezähmt. Sie wünschte, dass ihr Vater bei ihr wäre, aber sie wusste, dass er in Mabila den Kampf vorbereitete. Ebenso ahnte sie mit schrecklicher Gewissheit, dass es Kampf geben würde. Diese Fremden führten sich auf, als gehörte das Land ihnen. Aber Maisblüte fürchtete sich vor der Zerstörungskraft der Donnerrohre. Vogel-im-Bach klammerte sich an sie und Maisblüte umarmte das Mädchen tröstend. „Alles wird gut!“, flüsterte sie. „Der Minko schützt uns!“

      „Er hätte uns nicht hierherbringen dürfen!”, schluchzte Vogel-im-Bach.

      Maisblüte schluckte schwer. Sie war da anderer Meinung. Tuscalusa hatte sich selbst in Gefahr gebracht, um den anderen mehr Zeit zu geben. Nur ein wahrer Minko handelte so. Und er konnte von den Jungfrauen verlangen, dass auch sie das Volk schützten. Das war ihre Aufgabe. „Wir müssen tun, was uns befohlen wird. Hab keine Angst vor deiner Bestimmung!”, hauchte sie.

       Machwao

       (Menominee-Fluss im Norden)

      Machwao nutzte den Sonnenaufgang, um auf eine kleine Anhöhe zu gehen, um zu beten. Sein Blick wanderte über den Flussarm und er erfreute sich an der Aussicht, die er von hier aus hatte. Seine Mutter und seine Schwester schliefen noch und so genoss er die Ruhe des frühen Morgens. Mit seiner Hand umklammerte er den kleinen Talisman, den er an einer Schnur um den Hals trug. Es handelte sich um einen kleinen Beutel, in dem eine Wolfspfote steckte. Der Wolf war ein Begleiter und gleichzeitig sein Beschützer. In seinen Träumen tauchte er immer wieder auf und warnte ihn vor bevorstehenden Ereignissen.


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