Sagenreiches Bad Hall. Dagmar Fetz-Lugmayr
uns mit auf eine sagenreiche Reise.
Am Oberlauf des Sulzbaches liegt der bedeutende Wallfahrtsort Adlwang. Auch dort entspringt eine besondere Quelle nahe dem Ufer. Das Gnadenbrünnlein, auch Heiliger Brunnen genannt, zieht seit Jahrhunderten Tausende Menschen an. Die Wallfahrtskirche in unmittelbarer Nähe beherbergt einen alten Schatz, der der Sage nach hundert Jahre in einem Ameisenhaufen überdauerte. Unser Weg führt weiter nach Pfarrkirchen, im 13. Jahrhundert „Dorf Hall“ genannt. Das Gotteshaus gilt als das älteste im alten Hallgau und dessen Bedeutung als Pfarrkirche ging auf den Gemeindenamen über. Auch hier gluckst Wasser in Quellen und Brunnen, erzählt vom heiligen Georg, dem Kampf mit dem Drachen und sogar dem Wogen des Meeres. Die besagte Tassiloquelle entspringt in der Nähe des Sulzbaches, die Ausläufer des Haller Kurparks berühren den Wasserlauf. Alte Bäume, darunter seltene Exoten und idyllische Sitzplätze bilden geschätzte Ruheoasen und zahlreiche Spazierwege laden zum Flanieren ein. Das Ächzen der Äste vermag manchem teuflische Geschichten zu erzählen, unscheinbare Pflanzen zeugen von himmlischer Sehnsucht und eine Vogeltränke vom Mythos Wasser. Weiter folgen wir dem Sulzbach, der kurz vor seiner Mündung in die Krems durch die kleine Gemeinde Rohr im Kremstal fließt. Nicht immer war es hier so beschaulich. Die Ritter von Rohr hausten einst an diesem Ort und prägten die Geschichte und die Geschichten der Gegend.
Mit diesem Buch nehme ich Sie mit auf eine Reise, gerne zu Fuß oder in Ihrer Fantasie, die Kurstadt Bad Hall und ihre Umgebung mit sagenreichen Geschichten neu zu erleben. Bestimmt finden Sie – so wie ich – Ihren Lieblingsplatz, entdecken Unbekanntes und sehen Vertrautes mit anderen Augen! Ich danke allen, die dieses Buchprojekt mit so viel Freude und Engagement unterstützt haben. Es ist ein großes Geschenk des Schreibens, am Weg zu sagenhaften Geschichten besonderen Menschen zu begegnen.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit, den Zauber ausgewählter Plätze zu spüren, sich mit Neugierde auf den Weg zu machen, Natur und Geschichte zu atmen und alten Überlieferungen zu lauschen. Genießen Sie die unbeschwerte Reise und lassen Sie sich von den Erzählungen wie vom Fließen des Wassers leiten. Es ist ein Ausflug für Körper, Geist und Seele, der mit diesem Buch in Ihren Händen beginnt.
Viel Freude wünscht Ihnen herzlichst Ihre Dagmar Fetz-Lugmayr
1 Die Salzquelle am Sulzbach
Der Traum vom ewigen Leben oder zumindest vom gesunden, hohen Alter begleitet die Menschheit seit jeher. So gelten Kraftorte und Kultplätze, die die Menschen auf ihrer Suche stärken, als sagenumwoben. Wasser ist ein Lebensquell. Schon das Wort drückt aus, was wir empfinden. Das wertvolle Element versorgt den Körper, reinigt den Geist und stärkt die Seele. Früher glaubte man, die Schöpfung selbst wähle besondere Plätze, um der Vergänglichkeit des Lebens mit heilbringenden Gaben zu begegnen. Und Quellen stehen am Beginn des ewigen Kreislaufs.
Zwischen dem Ennstal und dem Fluss Krems soll der Lauf des Lebens ein besonders guter sein. Menschen, die diese Gegend bewohnen, sei – so wird erzählt – ein gesegnetes Alter geschenkt. Selbst Hochbetagte erfreuen sich bester Gesundheit. Reisende aus längst vergangenen Tagen berichten von der wohltuenden Wirkung dieser Landschaft. Wundererzählungen füllen Bücher und werden über Generationen weitergegeben. Das heilbringende Wasser soll selbst den Bann der Zauberei oder die Fesseln des Teufels lösen.
Im Haller Raum verbindet der Sulzbach Gemeinden und Geschichten. Aus südlicher Richtung fließt er in sanftem Lauf durch die Ortschaften. Sein Name trägt das Salz im Wort. Geschichten hat er einige zu erzählen, bevor er im Kremstal in den gleichnamigen Fluss mündet. An der Stelle, wo heute Bad Hall und Pfarrkirchen aufeinandertreffen, geschah an seinem linken Ufer einst Sonderbares:
Eine sagenhafte Überlieferung aus alter Zeit erzählt von grasenden Tieren, die vom Ufer des Sulzbaches nicht mehr wegzubekommen waren. Kaum dreißig Schritte vom Bachbett entfernt schien eine Stelle die Herde magisch anzuziehen. Es waren Schafe oder Rinder, von beiderlei weiß der Volksmund zu berichten. Die Tiere drängten sich ungewöhnlich auf engstem Raum und keine Regung der Umgebung konnte sie beirren. Sie grasten unermüdlich an einem offenen Wiesenquell. Nicht nur das saftige Grün schien dort besser als anderswo zu schmecken, auch sollen die Tiere den feuchten Boden unermüdlich geleckt haben. Nicht einmal zum wenige Schritte entfernten Bachlauf ließen sie sich leiten. An besagter Stelle gab die Erde eine salzhaltige Quelle frei. Instinktiv hatten die Tiere den Weg dorthin gewiesen. Menschen wussten dieses Verhalten früh zu deuten und das Geschenk der Natur zu schätzen. Arme Leute nutzten das Wasser für Brot- und Speisenzubereitung, um teures Salz zu sparen. Esel wurden mit großen Holzgefäßen bepackt, um das wertvolle Gut in die Besiedlungen zu tragen. Die Stärkung der Gesundheit und manch heilende Wirkung schenkte Leidenden Linderung. Das Wasser wurde getrunken, in Flaschen abgefüllt und weit ins Land verschickt. Auch die vielen Pilger des nahen Wallfahrtsortes Adlwang trugen zur Verbreitung bei. Der offene Wiesenbrunn war Anziehungspunkt für viele Heilsuchende aus Nah und Fern.
Im Lichte der Sage glaubte man, die salzhaltige Quelle wäre mit Ebbe und Flut verbunden und würde im Tageslauf – dem fernen Meerwasser gleich – zweimal steigen und fallen. Durch die Kräfte der Natur im Innersten vereint, sagte man, würde das Wasser dem Rhythmus der Ozeane folgen. Für manche war es der frische Atem der Natur, andere nannten die Quelle pulsierend, einem Herzschlag gleich. Dass die Haller Sole auch Jod führte, entdeckte man erst im beginnenden 19. Jahrhundert. Mit der Erschließung neuer Quellen erblühte das Kurleben. So brachte die Quelle am Sulzbach über die Jahrhunderte unzähligen Kranken Heilung oder Linderung. Schwache fanden Stärkung und Ruhesuchende Kraft. Aus Sorge um Verunreinigung durch den nahen Wasserlauf des Sulzbaches wurde die Quelle gefasst. Aus ersten hölzernen Überdachungen entstand im Lauf der Zeit ein gemauerter Bau. Als Zeichen der Dankbarkeit für die Heilung ihrer Tochter ließ eine Wiener Handelsfrau ein prächtiges Gebäude errichten. Der Anbau einer Trinkhalle erweiterte die Nutzung.
Am eindrucksvollen Quelltempel führen heute schöne Spazier- und Wanderwege vorbei. Der nahe Tassiloweg und die Bezeichnung „Tassiloquelle“ erinnern daran, dass vor über 1 200 Jahren Baiernherzog Tassilo III. die Salzquelle am Sulzbach seiner Klostergründung Kremsmünster zum Geschenk machte. Heute liegt die Salzquelle am Sulzbach in der Nachbargemeinde Pfarrkirchen, die den Schatz der Natur auch im Gemeindewappen trägt. Eine zweite Quelle andernorts wurde nach Tassilos sagenumwobenem Sohn aus der Gründungssage des Kremsmünsterer Klosters „Guntherquelle“ genannt. Mit dem Namen des Herzogssohns aus der Gründungssage des Stiftes führt auch die Guntherstraße durch Bad Hall.
2 Das Geschenk des Herzogs
Das Wasser einiger Quellen in der Gegend von Bad Hall ist salzhaltig und wurde schon in alter Zeit genutzt. Auch Herzog Tassilo, der im 8. Jahrhundert die Geschicke des Landes lenkte, schätzte die nahe des Sulzbaches hervorsprudelnde Gabe der Natur. Die Gegend um Bad Hall soll ihm gut vertraut gewesen sein. Wer kennt sie nicht, die uralte Gründungslegende des benachbarten Stiftes Kremsmünster? Die Freude an der Jagd und die Verfolgung eines mächtigen Ebers führten seinen jugendlichen Sohn Gunther in die dichten Wälder. Doch der Kampf mit dem Wildschwein endete für Mensch und Tier tödlich. Der trauernde Vater ließ an der Unglücksstelle zur Erinnerung an seinen Sohn und zur Ehre des Welterlösers eine hölzerne Kirche bauen. Daraus erwuchs im Laufe der Jahrhunderte das bis heute weithin bekannte Benediktinerkloster Kremsmünster. Seine Stiftung bedachte er mit großzügigen Schenkungen. Der sagenumwobene Herzogssohn Gunther bleibt so wie sein für die Geschichte des Landes bedeutsamer Vater mit den nach ihnen benannten Quellen in und um Bad Hall unvergesslich.
Der Haller Sagenschatz