Fußballkindergarten - Theorie und Praxis. Niklas Lüdemann
und die Tore nehmen grundlegenden Einfluss auf die Wirksamkeit des Spiels. So sollten vor allem kleine Zahlenverhältnisse bis hin zum 4 gegen 4 gewählt werden, um jedem Spieler eine angemessene Zahl an Ballkontakten zu ermöglichen.
Cooper (2006) konnte zeigen, dass im Vergleich von Spielen im 8 gegen 8 zum 4 gegen 4 die Aktionszahlen deutlich erhöht sind. So kamen beispielsweise 260 % mehr Torschüsse, 280 % mehr Dribblings und Finten und 500 % mehr Tore im 4 gegen 4 vor. In diesem Zusammenhang spielt auch die Feldgröße eine Rolle.
Kleine Felder führen zu erhöhten Aktionszahlen der einzelnen Spieler und beeinflussen das Spielverhalten. Je kleiner das Feld ist, desto herausfordernder werden die Spielhandlungen. Mit den Regeln kann der Trainer Einfluss auf die Wirksamkeit des freien Spiels im Training nehmen.
Dabei kann die grundsätzliche Frage nach Seiten- und Toraus gestellt werden. Insbesondere bei kleineren Kindern kostet das Ballholen und die korrekte Ausführung der Spielfortsetzung viel Zeit. Ein Verzicht auf konkrete Spielfeldgrenzen erhöht demnach die Nettospielzeit erheblich. Auch ohne Spielfeldbegrenzung agieren die Spieler zumeist im angedachten Spielraum, denn der Torerfolg ist in der Spielfeldmitte am wahrscheinlichsten.
Ein begleitendes Coaching durch den Trainer kann in diesem Zusammenhang ebenfalls einen Beitrag zum Verzicht auf Spielfeldbegrenzungen leisten. So kann der Trainer durch kleine Hinweise fortwährend zur Akzentuierung der Spielfeldmitte als zentralen Spielraum beitragen.
Auch bei den Toren kann der Trainer verschiedenartige Elemente einsetzen. Grundsätzlich geht es darum, den Kindern viele Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Zu wenige oder zu kleine Tore haben in diesem Zusammenhang eine gegenteilige Wirkung. Als Tore sind im Altersbereich der Bambini, G- und F-Junioren Jugendtore, große und kleine Minitore, Stangen, Hütchen, Dribbellinien, Bänke, Kästen und Wände möglich.
Über sinnvoll gewählte Organisationsformen können die Spieler maximal vom freien Spiel profitieren. Dabei sollten alle Spieler in kleinen Zahlenverhältnissen zeitgleich spielen können, denn auch hier gehen Wartezeiten zulasten der Spieler.
Kleine Turniere wirken sich in diesem Zusammenhang auch positiv auf die Motivation der Spieler aus. Einen erhöhten kognitiven Anspruch stellt ein Spielfeld, auf dem vier oder mehr Teams zeitgleich spielen (vgl. Abb. 2). Jedem Team wird dabei ein Tor und ein gegnerisches Team zugeordnet. In dieser Organisation finden mehrere Spiele unabhängig voneinander im selben Spielraum statt. Der Trainer hat so die Möglichkeit, viele Kinder auf einer begrenzten Fläche zu beschäftigen, ohne dabei ein Kind aus den Augen lassen zu müssen.
Abb. 2: Doppelter Feldaufbau
Sobald Kinder Spielfeldgrenzen problemlos erkennen und einhalten können, ergibt sich ein weiteres praxiserprobtes Tool für die Anwendung im Bereich des freien Spiels. Über unterschiedliche Feldformen kann bestimmtes Spielverhalten der Kinder provoziert werden, ohne dass der Trainer in großem Maße intervenieren oder das Spielverhalten regulieren muss. Durch verschiedene Feldformen ergeben sich spezifische Positionierungen sowie konkrete und wiederkehrende Spielhandlungen. Darüber hinaus lässt sich im Hinblick auf die Orientierung der Kinder ein konkreter Transfer zum gewöhnlichen Spielfeldaufbau erkennen.
Abb. 3: Spielfeld Quadrat
Abb. 4: Spielfeld Schlauch
Abb. 5: Spielfeld Diamant
Abb. 6: Spielfeld Sanduhr
Über die unterschiedlichen Feldformen können somit Positionierungen in Höhe und Breite des Spielfelds angelegt werden (vgl. Abb. 3 und Abb. 4). In Bezug auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Spieler wird in schlauchförmigen Spielfeldern allein durch die Form des Spielfelds eine höhere Zahl tiefer Dribblings, vertikaler Pässe und Toraktionen zu beobachten sein als in einem quadratischen Spielfeld.
Darüber hinaus sind noch weitere Spielfeldformen denkbar (vgl. Abb. 5 und Abb. 6). Die trichterförmig zulaufenden Spielfeldlinien helfen den Spielern dabei, ihre offensiven Bemühungen stets in Richtung des Tors auszurichten. Besonders im Kinderfußball können die Spielfeldformen einen Beitrag zur gezielten Provokation bestimmter Verhaltensweisen leisten, ohne dabei den Ideenreichtum, den Spielwitz und die Kreativität der Kinder einzuschränken.
Den Mehrwert des freien Spiels und der Spielformen gegenüber den Übungsformen erklärt das Spielkompetenzmodell. Das Modell besteht im Wesentlichen aus drei Phasen. Die Wahrnehmung steht am Anfang jeder Spielhandlung. Über taktile, akustische und vor allem visuelle Reize werden Informationen zur Situation gesammelt. So muss der Spieler die eigene Bewegung, die Bewegungen anderer Spieler, den Spielraum und das Tor wahrnehmen. Auf Grundlage der gesammelten Informationen trifft der Spieler eine Entscheidung für eine Handlung. Die Umsetzung der Handlung steht am Ende des Spielkompetenzmodells und meint die motorische Ausführung der getroffenen Entscheidung.
Das Spielkompetenzmodell ist im Laufe der Zeit noch um die Komponenten Antizipieren und Interpretieren erweitert worden. Die Antizipation vollzieht sich dabei nach der Wahrnehmung und meint die Vorausahnung einer Situation aufgrund der gesammelten Informationen. Die Interpretation steht nach der Umsetzung und sieht einen Evaluationsprozess der Handlung vor.
Abb. 7: Spielkompetenzmodell
Die Spielkompetenz wird hauptsächlich in Spielformen oder im freien Spiel angesteuert. In Übungsformen fehlt die Komponente der Entscheidung, da ein Großteil der Handlungen vorgegeben ist. Spielformen und das freie Spiel sind dabei für das Training der Wahrnehmung und für die Entscheidungsfindung unverzichtbar. Auch in Bezug auf die Umsetzung hält das Spiel im Gegensatz zur Übungsform ganz andere Anforderungen bereit.
Mit sich ständig ändernden Situationen ist der Spieler dazu aufgefordert, adäquate technische Lösungen umzusetzen. Auch die Anforderungen des Gegner,- Zeit,- Raum- und Präzisionsdrucks an die Spieler können in Übungsformen nur bedingt hergestellt werden, sodass auch vor diesem Hintergrund die dauerhafte Umsetzung von Spielen und Spielformen unerlässlich ist.
4VERMITTLUNG
Moritz sitzt mit seinen Mannschaftskameraden in der Kabine. Gleich beginnt das Spiel. Der Trainer steht an der Taktiktafel und erklärt die Strategie für die erste Halbzeit. Der Trainer redet von Flügelzangen, abkippenden Mittelfeldspielern und Raumverteidigung. Moritz versteht nur Bahnhof. Er schaut seine Mitspieler an. Ihnen scheint es nicht viel besser zu gehen. „Alles verstanden?“, fragt der Trainer zum Abschluss. Alle Kinder nicken und verlassen die Kabine.
Im Hinblick auf die Vermittlung muss der Trainer seine Sprache, die Länge seiner Erklärungen und die Inhalte genauestens an die Kinder anpassen. Fachwörter, Floskeln und Erklärungen an der Taktiktafel sollten in diesem Zusammenhang in den Hintergrund rücken. Vielmehr besteht der Zugang zu den