Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
»Dummerweise gebrauchten auch Angehörige der Bundeswehr das Wort Liga.«
Reineke blieb stehen und hielt Pertz am Ärmel fest: »Sag mal, wie viel hundert Anschlüsse habt ihr denn überwacht?«
»So schlimm war's nicht, nur eine zweistellige Zahl.«
Kopfschüttelnd schlenderte Reineke weiter. »Also waren jetzt schon BND, MAD, Verfassungsschutz und Zollkriminalamt daran beteiligt.«
»Was glaubst du denn, warum man mich mit der Koordinierung beauftragt hat?«
»Das Durcheinander kann ich mir gut vorstellen.«
»Nein, kannst du nicht«, berichtigte Pertz bedrückt. »Denn jetzt wird’s richtig bunt. Eines Tages bekomme ich einen Verfassungsschutzbericht in die Finger ...«
»Seit wann tauscht ihr eure Berichte aus?«
Das hatte Pertz nicht gehört. »... in dem eine Organisation namens Liga erwähnt wird. Nichts Genaues wusste der Schreiber nicht. Ein loser Zusammenschluss von Konservativen, wahrscheinlich international arbeitend. Der Laden soll sich die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und den Aufbau einer ständischen Flierarchie zum Ziel gesetzt haben.«
»Albern!«, platzte Reineke heraus, doch Pertz wehrte nachdenklich ab: »Nein, nicht unbedingt. Es gibt viele Spinner, nicht nur in Deutschland. Immerhin reichte die Andeutung, um den Staatsschutz einzuschalten.«
»Jetzt geht mir ein Licht auf. Ein Knochen, an dem viele Hunde zerrten.«
»Eben. Zerren und nagen wollten. Bis mir der Papierkragen geplatzt ist und ich durchgesetzt habe, dass wir, also der BND, einen V-Mann einsetzen konnten. Um überhaupt erst mal zu klären, mit wem oder was wir es bei dieser ominösen Liga zu tun hatten.«
Reineke stoppte: »Redest du jetzt von diesem Wolfgang Tepper?«
»Ja.«
»Den habt ihr euch vor sieben - nein, fast acht Jahren von mir - na - erbeten. Und da lief die Aktion schon wie lange?«
»Zwanzig Monate.«
»Was im Klartext heißt: alles ohne gesetzliche Grundlage.«
»Aber zum Schutz der Bundesrepublik.«
»Und ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Alles klar, ich hab kapiert, warum ihr die Aktion unbedingt unter der Decke halten müsst. Wie seid ihr überhaupt auf diesen Tepper gekommen?«
»Durch einen ganz dummen Zufall. Er telefonierte häufiger mit einem Mann, den wir als Ligisten führten, ganz harmlos, rein geschäftlich, es ging um private Investitionen.«
»Das hat dem Bundeskriminalamt gereicht, ihn anzuheuern?«, zweifelte Reineke.
»Nein. Wir hatten einen Tipp bekommen - frag mich bitte jetzt nicht nach dem genauen Weg! Mit diesem Tepper war ein gewisser Gerd Arkenthin befreundet, eine halbseidene Existenz, für den sich schon Kripo, Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutz interessiert hatten. Gelegentlich hat er Informationen verkauft, um sich lieb Kind zu machen ...«
»Oder genauer: weil er unter Druck gesetzt wurde!«
»Ach Gott, betreiben wir hier Motivforschung? Arkenthin packte aus, dass Tepper Kundengelder veruntreut habe, händeringend nach Krediten suche und jederzeit mit Anzeigen und einem Ermittlungsverfahren rechnen müsse.«
»Eure Chance!«
Pertz blieb stehen und schaute Reineke zornig an: »Was soll der Ton?«
»Weil ich mir gut vorstellen kann, wie’s weitergegangen ist.«
»So, wirklich?«
»Na klar. Ihr wolltet Tepper, aber mein Freund Hommel hätte bei eindeutigen Beweisen nie gewagt, seinem Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens zu befehlen. Also musstet ihr dafür sorgen, dass Tepper einen Hinweis bekam und belastendes Material rechtzeitig vernichten konnte.«
»Und wenn es so gewesen wäre?«
»Erstens ist es so abgelaufen, Jockel, und zweitens habt ihr freihändig die Justiz behindert. Einen Schuldigen vor der Strafe bewahrt. Von den Geschädigten nicht zu reden.«
»Wer Dreck zur Seite schaufelt, darf sich nicht vor schmutzigen Händen ekeln.«
»Na schön, über diese Philosophie lohnt sich nicht zu streiten. Der BND hat also den Tepper angeheuert.«
Jockel Pertz ging weiter, in mürrisches Schweigen versunken, bis Reineke lachte: »Kapitel Rechtsstaat beendet.«
»Ja, ja, beendet - okay, wir haben ihn übernommen und mit einer Legende ausgestattet. Hans Zinneck, die hatten wir in Reserve.«
»Dass Teppers Frau abgehauen war, kam euch zupass.«
»Klar doch. Wir haben ihn nach Frankreich geschickt.«
»O je. Ohne direkte Führung?«
Pertz sagte langsam: »Fuchs, die Geschichte war - oder ist - brisant. Nicht nur simpler Waffenexport. Sondern getarnte Investitionen in Waffenfabriken und eine Giftgasproduktionsanlage. Die Franzosen und wir haben den ganzen Ring auffliegen lassen, Tepper hat in Frankreich gute, sogar hervorragende Arbeit geleistet, daran gibt’s keinen Zweifel, aber das konnte er nur, weil wir ihn an der langen Leine laufen ließen.«
»Dann war er dieser Liga auf den Pelz gerückt?«
»Sicher. Ziemlich sogar. Wir haben uns zurückgezogen, als er meldete, welche Kontakte er angebahnt hatte, wir durften ihn auf keinen Fall gefährden.«
»Schön, akzeptiert. Aber was ist nun mit ihm: Verschwunden, untergetaucht, übergelaufen oder beseitigt?«
»Frag mich was Leichteres!«, murrte Pertz nach einer Weile und kickte wütend einen Pilz vom Weg.
»Wann hat es denn den letzten Kontakt gegeben?«
»Im August vorigen Jahres. Da wollte er von Kassel nach Dresden umziehen.«
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch, leider.« Er ging langsamer. »Weißt du, bei Amateuren gibt es immer eine Gefahr.«
»Dass sie Profis werden wollen?«
»So ähnlich. Eines Tages verraten sie sich, fallen auf, wecken Misstrauen. Was tut dann die Gegenseite?«
»Beseitigt den Verräter.«
»Möglich, ja, wenn sie brutal genug ist. Was auf die Liga nach allem, was wir wissen, zutrifft. Aber wenn sie klug vorgeht, wird sie vorher etwas anderes versuchen.«
»Sie will herausfinden, wer den faulen Apfel in ihre Steige praktiziert hat.«
»Und wie schützt sich der faule Apfel gegen - sagen wir - schmerzhafte Befragungen?«
»Indem er alles niederschreibt, was er weiß, das Dossier an einem sicheren Ort deponiert und verlauten lässt, es würde veröffentlicht, wenn ihm etwas zustoßen sollte.«
»Du hast gerade die Aufnahmeprüfung als V-Mann mit Auszeichnung bestanden.«
Pertz' heiterer Ton täuschte Reineke nicht. Beide Seiten waren also immer noch hinter diesem Dossier her. Die eine befürchtete Enttarnung, die andere einen politischen Skandal. Die eine Seite belauerte die andere, ob sie das Depot entdeckt hatte.
Sie waren lange genug im Geschäft und brauchten Selbstverständliches nicht auszusprechen.
Pertz räusperte sich: »Tepper war aus vielen Gründen der ideale Kandidat für uns, aber bestimmt nicht wegen seines Charakters. Mir ist bei ihm von Anfang an unwohl gewesen und deshalb haben wir ihn sorgfältig abgeschirmt.«
»Ich ahne etwas.«
»Ein Führungstrio. Jeweils einer aus dem BND, Verfassungsschutz und Zollkriminalamt.«
»Wie habt ihr die