Odersumpf. Marina Scheske

Odersumpf - Marina Scheske


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      Marina Scheske

      Odersumpf

      Roman

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      Landlust – Landfrust Die Berliner Familie Wieland zieht mit ihren Kindern Ronja und Max in ein kleines Oderdorf. Sie träumen von einem naturnahen und entschleunigten Leben auf dem Land. Doch ihr Traum wird zum Albtraum, denn in ihrer Nähe wohnen völkische Siedler. Auf einem Gehöft treffen sich Nazis aus ganz Deutschland und veranstalten im Wald Wehrsportübungen. Herr Graf, der Kopf der Gruppe, verschafft sich durch ein großzügiges Sponsoring für die Dorfgemeinschaft Rückhalt beim Bürgermeister und buhlt um die Sympathie der Bewohner. Laura Wieland ist eine konsequente Antifaschistin, ihren eher konservativen Ehemann Konrad erbittert vor allem, dass die Rechten Begriffe wie »Heimat«, »Brauchtum« und »Patriotismus« für ihre Zwecke vereinnahmen. Es kommt zu einer Kette von Vorfällen, die die Wielands dazu zwingt, Position zu beziehen. Schließlich eskaliert die Situation und die Familie muss eine Entscheidung treffen.

      Marina Scheske, 1950 in Schwedt an der Oder geboren, lebte in Hamburg und ist jetzt in Neustadt in Holstein zu Hause. Sie war beruflich als Schauwerbegestalterin und als examinierte Fachkraft für gerontopsychiatrische Pflege tätig. Die Autorin ist seit 51 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder, vier Enkelkinder und ein Urenkelkind. Seit 2006 ist Marina Scheske schriftstellerisch tätig. Im Fokus ihrer Romane stehen gesellschaftlich relevante Themen unseres Landes mit regionalem Bezug.

      Impressum

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      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Teresa Storkenmaier

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © owik2 / photocase.de

      ISBN 978-3-8392-6966-4

      1.

      September 2019

      Selbstmörderburg, so nannten die Friedrichsfelder das Hochhaus am Wald. Drei Menschen waren hier vor langer Zeit vom Dach gesprungen. Frau Hanke aus dem vierten Stock sprach oft und gern davon. Sie war es auch, die die kleinen schwarzen Käfer entdeckt hatte.

      Sie tauchten auf, nachdem der Mann ohne Gesicht verschwunden war. Die Kinder, die draußen spielten, nannten ihn so, weil sein Gesicht einer zerstörten Maske glich. Sie hatten Angst vor ihm. Wenn er kam, rannten sie kreischend davon.

      An einem Donnerstag, einem heißen Tag Ende August, da sah Frau Hanke den Mann zum letzten Mal. Er schlurfte mit seinem Gehwagen die Straße entlang und ging zum Kiosk, um sich die »Oderzeitung« und zwei Brötchen zu kaufen.

      »Die Käfer sind mir erst am Abend aufgefallen, auf meinem Fensterbrett. Auf dem Fensterbrett unter mir war auch schon alles voll! Am anderen Morgen waren sie ja überall, auf den Müllcontainern, auf den Fahrradständern und sogar im Sandkasten auf dem Spielplatz, ekelhaft!«

      »Die Käfer haben nichts damit zu tun«, unterbrach Herr Schmidt von der Kripo Frau Hankes Redefluss.

      »Ach nee! Und ich dachte, es hat was mit der Leiche zu tun!«

      Herr Schmidt überhörte es. »Donnerstag. Sie haben also Herrn Grams am 29. August das letzte Mal gesehen.«

      »Ich glaub schon! Grams? Hieß der so? Ich kannte den gar nicht, er wohnt ja erst seit Mitte August hier.«

      Herr Schmidt reichte ihr seufzend seine Visitenkarte. »Wenn Ihnen noch was einfällt, melden Sie sich bitte, Frau Hanke.«

      Hinter den Gardinen wisperte und raschelte es. Zwei Männer in weißen Schutzanzügen betraten gerade das Haus. Im vierten Stock flatterte Absperrband am Treppengeländer. Eine Wohnungstür stand weit auf, vom Hausflur aus konnte man bis ins Wohnzimmer schauen. Auf dem Boden lag der tote Holger Grams, er hatte sich an der Heizung erhängt.

      »Wenn ich so aussehen würde, dann hätte ich mich auch erhängt«, sagte einer der Männer in Weiß.

      »Halt die Klappe!« Sein Kollege riss sich den Mundschutz herunter. »Ich muss hier raus.«

      Herr Schmidt beugte sich über den Toten. »Eindeutig Suizid. Routinemäßig Pathologie. Der Wagen kommt gleich, ihr könnt abziehen.«

      Sein Blick glitt durch den Raum. Auf einem Tisch standen eine rote Thermoskanne und ein Kaffeebecher. Daneben lag ein Exemplar der »Oderzeitung«.

      Herr Schmidt kannte den Fall, der dieser Zeitungsausgabe die Schlagzeile geliefert hatte. Fast jeder in Friedrichsfeld und Umgebung wusste, was vor einigen Wochen in Creywitz passiert war.

      Sehr schnell sollte die Sache nun vor Gericht kommen. Von einem Herrn Graf war die Rede, einem Herrn Graf, der so hieß, aber keiner war.

      Herr Schmidt schaute auf die Zeitung. Rattenfänger, las er. Ganz schön mutig, dieser Schreiberling. Dafür kann der Graf ihn verklagen, der hat sicher einen guten Anwalt.

      Herr Graf hatte seinen Hund auf Holger Grams gehetzt.

      Er sah das Bild von Holger Grams, ein Vorher-nachher-Vergleich, wie man ihn aus Frauenzeitschriften kannte, wenn aus grauen Mäusen dank moderner Kosmetik und raffinierter Frisierkunst sexy Ladys wurden. Hier war die Reihenfolge umgekehrt. Bild eins zeigte einen gut aussehenden Mann Anfang sechzig mit ebenmäßigen Zügen, Bild zwei ein zerfetztes Gesicht ohne Konturen, das rechte Ohr fehlte. Ein schwarzer Balken verbarg die Augen. Das einzig Schöne im zerstörten Antlitz des Holger Grams, was ihm vermutlich geblieben war, seine blauen Augen, hatte man aus Gründen des Datenschutzes unkenntlich gemacht.

      Herr Graf würde Schmerzensgeld zahlen müssen, las Herr Schmidt. Und dabei würde es nicht bleiben. Ferner werde Holger Grams’ Tochter weiterhin vermisst. Herr Grams behaupte, Herr Graf habe damit etwas zu tun. Sie sei seine Freundin gewesen, habe sich aber im Frühjahr von ihm getrennt.

      »Eine heiße Geschichte«, murmelte Herr Schmidt. Er schaute auf seine Uhr. Es war siebzehn Uhr dreißig, unten fuhr gerade der Leichenwagen vor.

      Zwei Aufgänge weiter stand eine Frau am geöffneten Fenster. Ihr Haar leuchtete in der Abendsonne rot wie eine Feuerlohe, ihr Gesicht war sehr blass. Auf dem Rücken ihrer Nase blühten Sommersprossen. Ihre mandelförmigen grünen Augen erinnerten an einen Fuchs, einen schlauen Fuchs, der sich nicht so schnell hinters Licht führen ließ.

      Laura Wieland hatte ihre Kindheit


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