TCM für jeden Tag. Wu Li
TCM hat eine mehr als 2.500 Jahre alte Geschichte, die kontinuierlich dokumentiert und auch heute noch an den medizinischen Hochschulen Chinas unterrichtet wird.
Einer der Hauptgründe für die Erfolgsgeschichte der TCM in der westlichen Welt ist sicher, dass sie den Menschen ganzheitlich betrachtet und eine separate Behandlung von Körper, Geist und Seele nicht kennt. So zielen auch die einzelnen Behandlungsmethoden der TCM – ob chinesische Kräuteranwendungen, Akupressur und Akupunktur, ob Tai Chi oder Qi Gong – einerseits auf die Linderung bestimmter körperlicher Beschwerden, andererseits aber auch auf die Harmonisierung des Gesamtorganismus ab.
Innere Harmonie ist überhaupt ein Stichwort, das nicht fehlen darf, wenn man über die TCM spricht. Körperliche und seelische Gesundheit stehen in China im Zeichen der Ausgeglichenheit. Wie in allen Phänomenen der Natur sieht die chinesische Medizin auch im Menschen gegensätzliche Kräfte wirken, die zur Harmonie streben und in Einklang gebracht werden sollen. Das Harte und das Weiche, das Starke und das Schwache – Yin und Yang heißen diese Gegensätze, die harmonisiert werden müssen. Denn nur ein ausgeglichener Mensch, in dem die Lebensenergie Qi ungestört fließen kann, ist gesund.
Dieses Buch möchte Sie begleiten durch eine Woche mit der chinesischen Medizin. Neben der Darstellung ihrer Grundlagen und ihrer wesentlichen Heilmittel und Heilverfahren finden Sie hier sieben Tagesprogramme mit zahlreichen praktischen Anregungen und ausführlichen Behandlungstipps, mit denen Sie sich sanft und ohne Nebenwirkungen stärken und wieder ins Gleichgewicht bringen können.
München im Mai 2013
Prof. TCM (Univ. Yunnan) Li Wu
Die Grundlagen der TCM
Ganzheitlich heilen
Haben Sie oft Schwierigkeiten einzuschlafen? Leiden Sie unter einem nervösen Magen oder verspannten Nacken? Bedingt durch eine immer höhere Stressbelastung nehmen solcherlei Beschwerden in den westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten stetig zu. Und wenn auch viele Menschen darunter leiden, so werden die meisten dieser „Zipperlein“ doch als typische Zivilisationsbeschwerden mehr oder weniger hingenommen.
Dabei kann die TCM gerade bei solchen Beschwerden oft viel mehr ausrichten als die klassische Schulmedizin.
Für all diejenigen, die sich nicht damit abfinden wollen, nichts gegen solche Alltagsleiden zu unternehmen, bietet die TCM eine erstaunliche Bandbreite an Therapie- und Behandlungsmethoden.
Dieses Buch versteht sich als Einführung in die Methoden der TCM. Es informiert über ihre Grundlagen und Hintergründe, zeigt auf, warum die Methoden der chinesischen Medizin gerade bei vielen der heute verbreiteten Gesundheitsbeschwerden so hilfreich sein können, und bietet schließlich Übungs- und Heilprogramme für die ganze Woche. Wir wollen Ihnen so vermitteln, wie Sie Ihrem Körper mit wenig Zeitaufwand etwas Gutes tun können.
Viele Patienten spricht die TCM deshalb so an, weil sie als ganzheitliche Medizin eine Trennung zwischen Körper, Geist und Seele nicht kennt und den Menschen deshalb als Einheit betrachtet und behandelt. Diese Akzeptanz ihrer Grundlage und die Erfolge der einzelnen Behandlungsmethoden zeigen: Methoden wie Akupunktur, Akupressur und andere Massageformen, bestimmte Ernährungsprinzipien, die Atemübungen Qi Gong und die Heilgymnastik Tai Chi machen die TCM zu einem wirkungsvollen System, in dem Vorbeugung und Gesunderhaltung eine wichtige Rolle spielen.
Anders als im Westen versteht man in China unter Gesundheit nämlich weniger die Abwesenheit von Krankheit als eine ganz bestimmte Lebensweise, die sich durch einen achtsamen und verantwortungsvollen Umgang mit sich selbst auszeichnet.
In der chinesischen Medizin geht es also vor allem um die Vermeidung von Krankheiten, nicht um deren Bekämpfung.
Ideal ist auch die Verbindung von westlicher Medizin mit chinesischem Heilwissen. So kann eine TCM-Behandlung zum Beispiel nach einer Operation oder einer medikamentösen Behandlung ausgleichend und regenerierend wirken. Dass sich mit Methoden der TCM eine ganze Reihe von Beschwerden nachweislich gut behandeln lassen, ist inzwischen ein anerkannter Fakt. Deshalb übernehmen mittlerweile viele Krankenkassen beispielsweise bei der Schmerztherapie die Kosten für eine Akupunkturbehandlung. Allerdings ist es in solchen Fällen sicherlich hilfreich, vor der Selbstbehandlung auch einen Arzt zu Rate zu ziehen.
Ursprünge
Jede Medizin ist auch Ausdruck der Gesellschaft und Kultur eines Landes, in der sie entstanden ist. Auch die chinesische Heilkunde ist eng mit dem kulturellen Kontext Chinas verwoben und wird getragen von einer Philosophie der Verbindung von Gegensätzen und ganzheitlichem und beziehungssensiblem Denken. Dabei werden Mystik und die wirklich sichtbare Realität nie so als Gegensätze betrachtet, wie wir es in unserer westlichen Denkweise kennen, sondern verschmelzen zu einem System. So wird in der chinesischen Weltsicht dem Zusammenhang einer Krankheit mit der natürlichen und sozialen Umwelt eines Betroffenen sehr viel mehr Beachtung geschenkt.
Diese ganzheitliche Sicht auf den Menschen ist eine der wichtigsten Grundlagen der TCM. Körper, Geist und Seele bilden diesem Ansatz zufolge eine Einheit und sind bestimmte Ausprägungen der universellen Lebensenergie Qi.
Krankheiten werden in der TCM demzufolge auch nicht als Beschwerden einzelner Organe betrachtet, sondern als Störung des Gesamtorganismus. In engem Zusammenhang damit steht die Theorie der Meridiane, also der Leitbahnen, die die einzelnen Organe sowie das Körperinnere und die Körperoberfläche miteinander verbinden und auf denen die Lebensenergie Qi fließt. Wie wir später noch sehen werden, spielen diese vor allem in der Akupunktur, der Heilmassage, aber auch in der Heilkräuterkunde eine wichtige Rolle.
Die ganzheitliche Sicht auf den Menschen bedeutet aber auch, dass dieser nie getrennt von seiner Umwelt betrachtet wird. In der Philosophie des Daoismus, die auch der TCM zugrunde liegt, ist der Mensch Teil des von Energie erfüllten Universums, unseres Planeten und der uns umgebenden Natur.
In dieser Weltsicht hängt alles voneinander ab und ist miteinander verbunden. Ein TCM-Arzt hat also auch immer die Abhängigkeiten von seelischen und körperlichen Symptomen und Umweltfaktoren im Blick und versucht, aus ihnen Rückschlüsse auf mögliche Disharmonien zu schließen.
Die theoretische Basis, auf der die TCM heute fußt, geht bereits auf das zweite Jahrhundert v. Chr. zurück. Zu diesem Zeitpunkt entwickelten chinesische Gelehrte die theoretischen Grundlagen wie die Yin-und-Yang- und die Fünf-Phasen-Theorie sowie die Theorie der Meridiane.
Der geistige Hintergrund der chinesischen Heilkunde
→ Körper, Geist und Seele bilden eine Einheit.
→ Für die Gesundheit ist ein ausgeglichener Energiefluss im Körper verantwortlich. Wird dieser gestört oder blockiert, kommt es zur Krankheit.
→ Jede Energie soll ausgewogen zwischen zwei Polen vorhanden sein. Ist zu viel oder zu wenig Lebensenergie (Qi) vorhanden, wird ein bestimmter Körperteil krank, und das wirkt sich über die Leitbahnen (Meridiane) auf den gesamten Körper aus.
Das Kräftegleichgewicht von Yin und Yang
Eines der Schlüsselkonzepte der TCM ist der Gegensatz von Yin und Yang. Er taucht erstmals in einem Dokument aus dem 11. Jahrhundert auf und wird auf die Beobachtung zurückgeführt, dass in der Natur alles einem dynamischen Wandel bzw. dem Zusammenspiel gegensätzlicher Elemente unterliegt: Yin und Yang repräsentieren symbolisch diesen universellen Prozess einer sich dauernd verändernden Wirklichkeit. Beide Seiten sind untrennbar miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig: Wenn das Dunkle weicht, kommt das Helle, um dann wieder dem Dunklen Platz zu machen. Den Tag gäbe es nicht ohne die Nacht, Winter nicht ohne Sommer, Ruhe nicht ohne Aktivität und Dunkelheit nicht ohne Licht.
Diese Polarität bestimmt unser Leben, denn auch im Menschen selber finden sich diese zyklischen Abläufe wieder. Alle Funktionen unseres Körpers haben einen Yin- und einen Yang-Anteil: Wir streben nach Ruhe bei Hektik, nach