Und er bewegt sie doch. Erich Garhammer
geht nicht. Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns Trost gibt und auch die Kraft, vorwärts zu gehen. Es ist dieses ‚vorwärts gehen‘, das für uns so anstrengend ist. Die Bequemlichkeit gefällt uns viel besser.“
Den Heiligen Geist nicht zähmen
Wir seien heute viel zu zufrieden mit der angeblichen Anwesenheit des Heiligen Geistes in seiner Kirche, und diese Zufriedenheit sei eine Versuchung: „Das Konzil war ein großartiges Werk des Heiligen Geistes. Denkt an Papst Johannes: Er schien ein guter Pfarrer zu sein, aber er war dem Heiligen Geist gehorsam und hat dieses Konzil begonnen. Aber heute, 50 Jahre danach, müssen wir uns fragen: Haben wir all das getan, was uns der Heilige Geist im Konzil gesagt hat? In der Kontinuität und im Wachstum der Kirche, ist da das Konzil zu spüren gewesen? Nein, im Gegenteil: Wir feiern dieses Jubiläum und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört. Wir wollen uns nicht verändern und es gibt sogar auch Stimmen, die gar nicht vorwärts wollen, sondern zurück: Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu zähmen. So bekommt man törichte und lahme Herzen.“
Hier kommt eine deutliche Kritik am Stil des Konzilsjubiläums zum Ausdruck: es werde memorialisiert, aber sein Geist werde nicht weitergeschrieben. Es gebe sogar Kräfte, die hinter das Konzil zurück wollten. Diese wenigen Andeutungen machen klar, wo sich Franziskus positioniert. Dazu passt auch sein persönlicher Stil: Er setzt bewusste Zeichen der Bescheidenheit, der Kommunikation, der Nähe und der Menschlichkeit. Sein persönlicher Stil zeigt Wirkung. Kardinal Ravasi erzählt, dass ihm ein Taxifahrer gesagt habe: „Ich bleibe weiter Agnostiker, aber ich glaube jetzt an den Heiligen Geist. Dass die Kardinäle diesen Mann zum Papst wählen konnten, grenzt für mich an ein Wunder.“
Erinnerungen an Papst Johannes XXIII.
Eine im Geistlichen Tagebuch von Papst Johannes XXIII. immer wieder beschriebene Haltung ist seine Einfachheit. „Je älter ich werde, desto mehr konstatiere ich die Würde und die überwältigende Schönheit der Einfachheit, sowohl im Denken wie im Tun und Reden. Es läutert sich die Tendenz heraus, alles zu vereinfachen, das verwickelt ist: alles auf die höchstmögliche Ursprünglichkeit und Klarheit zurückzuführen, ohne mich von Lappalien und künstlichen Winkelzügen in Gedanken und Worten gefangen nehmen zu lassen.“4
Wohl am besten begriffen hat diese Hintergründe ein einfaches römisches Zimmermädchen. Die Politologin Hannah Arendt hat in ihrer Rezension zum geistlichen Tagebuch Folgendes berichtet: Beim Tod Johannes’ XXIII. sei sie in einem Hotel in Rom gewesen. Als die Nachricht über den Fernsehschirm lief, rief ein römisches Mädchen, das gerade beim Saubermachen ihres Zimmers war, aus: „Gnädige Frau, dieser Papst war wirklich ein Christ. Wie ist das möglich und wie konnte ein wirklicher Christ auf dem Heiligen Stuhl zu sitzen kommen? Musste er denn nicht zuerst zum Bischof und zum Erzbischof und Kardinal ernannt werden, bevor er schließlich zum Papst gewählt wurde? Hatte denn keiner eine Ahnung, wer er war?“5 Dieses Mädchen spürte das Geheimnis von Johannes XXIII. sehr genau: Es war seine Furchtlosigkeit vor dem Tod, seine Einfachheit, seine Gelassenheit, sein unverstelltes, von keinem Karrieregedanken angekränkeltes Christsein. Ihr Problem war nur: Wie konnte so einer Papst werden? Die Kardinäle haben diese Frage für den jetzigen Papst beantwortet: Sie wollten genau so einen zum Papst. Aber wussten sie wirklich, wer er ist?
Bereits am 3. Juni 2013, dem 50. Todestag von Johannes, empfing Papst Franziskus Gläubige aus der Diözese Bergamo, aus der Johannes XXIII. stammt. Franziskus schildert nicht nur lebhaft seine Erinnerung an diesen Tag, er gibt vor allem eine ganz persönliche Charakteristik seines Vorgängers: „Wer wie ich ein gewisses Alter erreicht hat, erinnert sich noch lebhaft an die Betroffenheit, die in jenen Tagen überall zu spüren war: Der Petersplatz war zu einem Wallfahrtsort unter freiem Himmel geworden, der Tag und Nacht Gläubige jeden Alters und Standes in Sorge und Gebet für die Gesundheit des Papstes aufnahm. Die ganze Welt betrachtete Papst Johannes als einen Hirten und einen Vater. Einen Hirten, weil er Vater war. Was hatte ihn dazu gemacht? Wie hat er es geschafft, die Herzen so unterschiedlicher Menschen zu erreichen, selbst diejenigen vieler Nicht-Christen? Um diese Frage zu beantworten, können wir uns auf seinen bischöflichen Wahlspruch berufen: oboedientia et pax, Gehorsam und Frieden. Ich möchte beim Frieden beginnen, denn das ist der offenkundigste Aspekt, derjenige, den die Menschen an Papst Johannes wahrgenommen haben: Angelo Roncalli war ein Mann, der die Fähigkeit besaß, den Frieden zu vermitteln; einen ganz natürlichen Frieden, gelassen und herzlich; einen Frieden, der sich nach seiner Wahl zum Papst der ganzen Welt zeigte und dem der Name der Güte verliehen wurde. Es ist sehr schön, einen Priester zu finden, einen guten Priester, der gütig ist …
Und das ist das Wesentliche. Er ist ein Vater. Ein Priester, der gütig ist. Es steht ganz außer Zweifel, dass das ein ganz charakteristischer Zug seiner Persönlichkeit war, der es ihm gestattete, überall dauerhafte Freundschaften zu schließen, und der vor allem in seinem Amt als Päpstlicher Nuntius zutage trat, einem Amt, das er fast 30 Jahre lang ausübte und bei dem er oft mit Kreisen und Realitäten in Kontakt kam, die unendlich weit von jenem katholischen Universum entfernt waren, in dem er geboren und aufgewachsen war. Er erwies sich gerade in diesen Milieus als höchst erfolgreich darin, Verbindungen zu knüpfen und Einheit zu schaffen, innerhalb und auch außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft, offen auch für den Dialog mit Christen anderer Kirchen, mit Vertretern des Judentums und des Islam und mit vielen anderen Menschen guten Willens. In Wirklichkeit übermittelte Papst Johannes Frieden, weil sein Gemüt zutiefst im Frieden war: Er hatte sich vom Heiligen Geist befrieden lassen. Und dieses friedvolle Gemüt war das Ergebnis einer langen, anspruchsvollen Arbeit an sich selbst, einer Arbeit, von der sich reichlich Spuren im Geistlichen Tagebuch finden. Wir können dort den Seminaristen, den Priester, den Bischof Roncalli dabei sehen, wie er sich auf dem Weg der allmählichen Läuterung des Herzens abmüht. Wir sehen ihn Tag für Tag, wie er Acht gibt, die dem Egoismus entsprungenen Wünsche zu erkennen und abzutöten; wie er sich bemüht, die Inspirationen des Herrn zu erkennen, sich leiten zu lassen von weisen geistlichen Leitern und sich inspirieren zu lassen von Meistern wie dem hl. Franz von Sales und dem hl. Karl Borromeo. Wenn wir diese Schriften lesen, sehen wir, wie diese Seele vor unseren Augen Gestalt annimmt unter der Anleitung des Heiligen Geistes, der in seiner Kirche, in den Seelen wirkt: genau er war es, der ihm unter diesen guten Voraussetzungen den Frieden der Seele geschenkt hat.
Und hier kommen wir zum zweiten und entscheidenden Wort: ‚Gehorsam‘. Wenn der Frieden seine äußere Charakteristik war, so stellte der Gehorsam für Roncalli die innere Haltung dar: Der Gehorsam war in Wirklichkeit das Werkzeug, um den Frieden zu erlangen. Er hatte zunächst eine ganz einfache und konkrete Bedeutung: in der Kirche die Aufgaben erfüllen, die die Vorgesetzten ihm aufgetragen hatten, ohne dabei eigene Interessen zu verfolgen, sich vor nichts von dem zu drücken, was von ihm verlangt wurde, auch wenn das bedeutete, dass er seine Heimat verlassen und sich mit ihm völlig fremden Welten auseinandersetzen musste und jahrelang an Orten zu leben, wo es kaum Katholiken gab. Diese Bereitschaft, sich wie ein Kind führen zu lassen, prägte den Weg, den er als Priester durchlief und den ihr bestens kennt, vom Sekretär von Bischof Radini Tedeschi und gleichzeitigen Dozenten und geistlichen Vater im Diözesanseminar angefangen bis hin zum Päpstlichen Nuntius in Bulgarien, in der Türkei und Griechenland, in Frankreich, als Hirte der Kirche von Venedig und schließlich als Bischof von Rom. Durch diesen Gehorsam hat der Priester und Bischof Roncalli allerdings auch eine noch tiefere Treue gelebt, die wir, wie er es ausgedrückt hätte, als Hingabe an die göttliche Vorsehung bezeichnen könnten. Er hat im Glauben immer erkannt, dass durch diesen Lebensweg – der allem Augenschein nach von anderen und nicht von seinen eigenen Vorlieben oder ausgehend von seiner persönlichen spirituellen Sensibilität gelenkt wurde – Gott seinen eigenen Plan verwirklichte. Er war ein Mann der Leitung, eine Führernatur. Aber ein Führer, der selbst im Gehorsam vom Heiligen Geist geführt wurde …
Und das ist eine Lehre für einen jeden von uns, ebenso aber auch für die Kirche unserer Zeit: Wenn wir es verstehen, uns vom Heiligen Geist führen zu lassen, wenn wir es verstehen, unseren Egoismus abzutöten, um Raum zu schaffen für die Liebe des Herrn und für seinen Willen, dann finden wir den Frieden, dann werden wir Werkzeuge des Frieden sein können und Frieden um uns verbreiten. 50 Jahre nach seinem Tod sind die weise und väterliche Führung durch