Artgerechte Partnerhaltung. Das Geheimnis glücklicher und beständiger Liebe. Andreas Winter
Dafür muss der eine oder andere festgefahrene Glaubenssatz schon mal infrage gestellt werden – und das gehört zu den Spezialitäten von Andreas Winter. Dass er dabei gern auch mal provoziert, liegt in der Natur der Sache. Man kann bei einigen Themen auf den folgenden Seiten durchaus anderer Meinung sein als er oder ihm vorwerfen, nur an deren Oberfläche zu bleiben … doch „Artgerechte Partnerhaltung“ will ja auch keine akademische Arbeit sein, in der diese Teilbereiche erschöpfend behandelt werden sollen, sondern ein allgemeinverständlicher Ratgeber für den praktischen Alltag.
Für einen Alltag, der mehr und mehr geprägt sein kann von einem Miteinander, das wir ganz selbstverständlich und tief empfunden als respektvoll, einfühlsam, bestätigend, inspirierend, friedlich und lustvoll erleben – und zwar in jeder gewählten Beziehungsform, sexuellen Orientierung, Spielart und Identität – finden Sie hier wertvolle Anregungen, die Ihnen helfen, sich selbst und andere besser zu verstehen. Und das kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Bernhard Reicher, Philosoph und Coach
Graz im März 2019
Vorwort
des Autors
Jeder Mensch braucht Liebe! Eine glückliche Partnerschaft gilt neben Wohlstand und Gesundheit als wichtige Zutat von Lebensqualität. Doch jeder weiß: Ausgerechnet hier kommt es oft zu großen Schwierigkeiten. Partnerschaftliche Beziehungen, die in Harmonie ein Leben lang halten, sind seltener als Gold. Vorwürfe und Erwartungen vergiften das „Betriebsklima“ zwischen Menschen, die einst gehofft hatten, auf ewig in Liebe zusammenbleiben zu können.
Doch das hat Ursachen! Ich behaupte, die meisten Probleme und Konflikte in Partnerschaften kommen allein dadurch zustande, dass die Partner sich selbst und den anderen nicht gut genug kennen und daher vom anderen etwas erwarten, das dieser gar nicht erfüllen kann. Eine weitere ernste Ursache von großen Schwierigkeiten in Beziehungen sind die eigenen versteckten Verhaltensmuster, mit denen man seine eigene Liebesfähigkeit sabotiert und vor allem: den falschen Partner anzieht. Hinzu kommen noch zahlreiche blockierende Glaubenssätze, veraltete Moralvorstellungen sowie Ängste und Vorbehalte.
Vor rund zehn Jahren schrieb ich ein kleines Büchlein mit dem Titel „Liebe, Sex und Partnerschaft“. In diesem versuchte ich, zu erklären, wie man aus Beziehungen den Stress hinaus- und die Harmonie hineinbringt und diese auch erhält. Nach einigen Jahren stellte sich heraus, dass einige Dinge in diesem Buch noch viel deutlicher und ausführlicher gesagt werden mussten, also schrieb ich es noch einmal neu, und es bekam den Titel „Artgerechte Partnerhaltung – Lieben ohne Stress“.
Nun, wieder einige Jahre später, zeigt sich eine Thematik, die mir zuvor in dem großen Ausmaß nicht bewusst war, die ich aber aufgrund meiner Forschung, Erfahrung und praktischen Arbeit hervorheben möchte. Es geht um ein Thema, das ich bislang in keinem mir bekannten Partnerschaftsbuch gefunden habe: verborgene gesellschaftliche Gründe für unseren oft hilflosen Umgang mit Partnerschaft. Gebrochene Herzen, Scheidungskriege und Einsamkeit sind nämlich ein Milliardenmarkt für Mediziner, Psychologen, Partnervermittler, die Unterhaltungsindustrie und die Kirche. Wer selbstsicher, aufgeklärt, aufgeschlossen und reflektiert ist, der ist ein verlorener Kunde für die Glücksversprecher-Wirtschaft. Nun haben Sie selbst aber sicher ein großes Interesse daran, gesund und glücklich zu sein und entweder mit ihrem Partner in Harmonie zusammenzuleben oder sich friedlich und liebevoll zu trennen, ohne sich einsam zu fühlen. Daher habe ich beschlossen, mein Büchlein erneut etwas umzuarbeiten, zu aktualisieren und Ihnen mit einem neuen Titel zur Verfügung zu stellen. Es geht um das Geheimnis glücklicher und beständiger Liebe!
Andreas Winter
Iserlohn im März 2019
Am Anfang
war der Regen
Mein Vater war gerade 19 Jahre alt, als er meine Mutter zum ersten Mal sah. Sie stand mit einer Freundin im strömenden Sommerregen unter dem Vordach eines kleinen Schuhgeschäfts. Die beiden jungen Frauen kamen gerade aus dem Kino und hatten noch einen weiten Heimweg vor sich. Es war Sonntag. Mein Vater war mit zwei Freunden unterwegs, und ihm war sofort klar: Sie ist es! Sie und keine andere. Seine Freunde sollten die andere Dame nach Hause bringen, er würde sich um „die Blonde“ kümmern. Ein Weg von zehn Kilometern unter seinem Regenschirm wurde für beide eine viel zu kurze Ewigkeit. Höflich untergehakt, mit verlegenen Gesprächen und großer Schüchternheit, in der mein Vater meine 16-jährige Mutter noch siezte, nahm sie vor der Haustür seine Hand und gab ihm zum Abschied einen Kuss auf den Mund. Mein Vater war wie vom Blitz getroffen, und von ihm aus hätte nun in diesem Augenblick die Welt um ihn herum untergehen können. Ihm war klar: Dieses Mädchen wollte er nie wieder gehen lassen.
Es war ein kleiner elektromagnetischer Ausschlag im Gehirn. Er war auf dem Monitor im Krankenzimmer für jeden gut sichtbar. Ein kleiner Impuls, den meine Mutter aussendete und der die Nulllinie, die schon viel zu lange über den Bildschirm flimmerte, unterbrach, als mein Vater zum letzten Male ihre Hand nahm, sanft streichelte und ihr sagte, wie sehr er sie liebte und immer lieben werde. Dann, fast sechs Jahrzehnte nach ihrem ersten Kuss, musste er sie schließlich doch gehen lassen. Die Linie auf dem Monitor rührte sich nicht mehr. Das blonde Mädchen, seine Frau, meine Mutter, war nun verstorben und lag vor meinem Vater im Bett eines Krankenhauses. Die Welt um ihn herum ging unter.
Wenn man meinen Vater heute nach seinem Befinden fragt, so sagt er, er wäre ein sehr glücklicher Mensch, weil er das Glück hatte, so lange mit so einer wundervollen Frau zusammen sein zu dürfen.
Das bezeichne ich als eine liebevolle Partnerschaft.
Ich bin aufgewachsen mit einem seltenen Exemplar von Elternpaar – mit einem, das zusammenhält. Mit einem, das trotz mancher Schwierigkeiten jedes Problem miteinander gelöst hat. Der Umgang der beiden war stets respektvoll, auf gleicher Augenhöhe und immer konstruktiv. Und ich kann Ihnen nun fast zwei Jahre nach dem Tod meiner Mutter sagen: Die Liebe, die Menschen einst verbunden hat, stirbt nicht. Und es lohnt sich, nach ihr zu suchen, denn es gibt sie!
Über artgerechte Partnerhaltung
Aber was passiert, wenn man eine Beziehung eingehen will? Dann muss man diese ja hegen, pflegen und schützen wie ein zartes Pflänzchen. Man muss Kompromisse machen, auf den anderen Rücksicht nehmen, man darf nicht mehr so leben wie zuvor, schließlich hat der andere ja auch Bedürfnisse und Eigenschaften, die zu ihrem Recht kommen wollen… Doch ich glaube: Nein! Das ist der Denkfehler, den viele machen! Echte partnerschaftliche Liebe bedarf weder Vorsätze noch Disziplin. Sie verbindet Menschen, die wie Mond und Erde durch eine unsichtbare Kraft zusammengehalten werden. Wenn man an den richtigen Partner geraten ist, ist alles ganz einfach. Wenn etwas wackelt, stimmt da etwas nicht. Meist fehlt dann zumindest einem von beiden eine wichtige Eigenschaft: die (Selbst-) Liebe! Solche Menschen erhoffen sich, vom anderen geliebt zu werden, weil sie sich selbst nicht lieben. Das Gefühl, „falsch gehalten zu werden“, haben viele, die zu mir in die Beratungspraxis kommen. Daher der Titel „Artgerechte Partnerhaltung“.
Das klingt fast so, als wollte ich sagen, Ihr Partner wäre gefangen, abhängig und würde darunter leiden, dass er mit Ihnen zusammen sein muss? Stimmt! Genau darum geht es. Allerdings gilt das natürlich nicht immer und in jeder Situation – schließlich lieben Sie Ihren Partner und wollen ein Stück Ihres Lebens mit ihm teilen. Sie würden ihm nicht nur die Sterne vom Himmel holen, sondern sogar versuchen, seinen Lebensstil, seine Macken, ja sogar seine Freunde zu tolerieren – so gut es geht zumindest. Gesagtes bezieht sich also nur auf die wenigen Momente der Partnerschaft, in denen bestimmte Konflikte zwischen Ihnen auftreten. Konflikte, in denen man sich übereinander ärgert. Situationen, in denen man sich fragt, ob der andere noch „ganz dicht“ ist oder man selbst vielleicht eine Meise hat. Wenn Ihre Frau Ihnen ungerechterweise unterstellt, Sie hätten etwas mit der Buchhalterin – obwohl die gar nicht in Ihr Beuteschema passt. Situationen, in denen Ihr Mann wie selbstverständlich davon ausgeht, dass Sie den Bucheckernkuchen seiner Mutter perfekt und auf Verlangen nachbacken – Arbeitsaufwand ca. fünf Stunden –, anstatt zum inoffiziellen Firmendinner zu gehen, wo zugunsten