Inspiriertes Schreiben. Selbsterkenntnis, inneres Wachstum und harmonische (Neu-)Orientierung. France Gauthier
einengende Glaubenssätze über Bord zu werfen.
Natürlich gibt es nicht nur eine Art, das Inspirierte Schreiben auszuüben. Und es gibt auch keine absolute Wahrheit auf dem weiten Feld der Kontakte mit dem Unsichtbaren. Da kommen verschiedene kleine Wahrheiten zutage und begleiten uns auf dem Weg der Bewusstwerdung … bis sie durch neue Wahrheiten ersetzt werden, je nach Bewusstseinsstufe. Um es von vornherein klarzustellen: Weder bin ich in diesem Bereich im Besitz der einen Wahrheit noch kann ich Ihnen eine unfehlbare Methode beibringen, wie man sich mit dem Wissen verbindet. Ich betreibe diese Kunst, weil sie mir hilft, tagtäglich Wege zu persönlichen Wahrheiten zu finden. Ich unterrichte sie, weil ihre Sprache universell und jedem zugänglich ist. Jeder kann schreiben, wenn man davon ausgeht, dass sprachliche Qualität und Rechtschreibung nichts zu tun haben mit der Tiefgründigkeit der Erkenntnisse, die man in inspiriertem Zustand erhalten kann.
Bevor ich begonnen habe, diese Technik zu unterrichten, habe ich mir Zeit genommen, den Prozess in mir aufzudröseln, um ihn besser in Worte fassen und vermitteln zu können. Ich verrate Ihnen also so manchen Dreh und die ein oder andere Beobachtung, die mir im Laufe der Jahre das Inspirierte Schreiben zugänglich gemacht haben. Sie werden hier zahlreiche Beispiele finden, die seine verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile veranschaulichen. Um der Sache zu dienen, habe ich die aussagekräftigsten Texte ausgewählt, also jene, die meinen Projekten eine Richtung gaben, mir in den dunkelsten Momenten Erleuchtung brachten, mir eine viel breitere Perspektive auf das Leben ermöglichten und hier und da ein Körnchen Weisheit vermitteln konnten. Deshalb sind aber die anderen Texte noch längst nicht ohne Bedeutung. Meiner Erfahrung nach ist Schreiben nie nutzlos, ob es uns im ersten Moment nun relevant erscheinen mag oder nicht. So mancher Schatz gibt sich erst Jahre später zu erkennen. Seien wir also geduldig, vertrauen wir auf den Prozess und vor allem: Vergnügen wir uns beim Schreiben.
Im zweiten Teil (→ Seite 101 ff.) können Sie sich mit den wesentlichen Punkten vertraut machen, die uns erlauben, die Inspiration zu erkennen. Dadurch steigen das Zutrauen und das Vergnügen daran, sich in dieser Art Verbindung mit dem Unsichtbaren zu üben. Dort finden Sie auch Antworten auf die Fragen, die in den Seminaren am häufigsten gestellt werden, sowie Argumente, um die meisten Ihrer Befürchtungen zu zerstreuen. Und ganz zum Schluss können Sie, falls Sie das möchten, Übungen machen, um beim Schreiben Sicherheit zu erlangen.
Aber zuerst werde ich Ihnen erzählen, wie diese außergewöhnliche Art des Schreibens meinen Weg geformt hat. Vielleicht kann ich Sie ja inspirieren und dazu verleiten, selbst einen Stift in die Hand zu nehmen und zu schreiben.
Was ist eigentlich Inspiriertes Schreiben?
Das Inspirierte Schreiben ist eine einfache Technik, die eine direkte Verbindung mit dem großen Selbst ermöglicht (das auch »überlegenes Selbst«, »überlegenes Ich«, »großes Ich«, »wahres Ich bin« oder »Essenz« genannt wird), also mit dem Teil von uns, der mit dem universellen Wissen verknüpft ist. Im vorliegenden Buch werde ich Ausdrücke wie »das Geistige« oder »das Bewusste« als Synonyme für das große Selbst verwenden, und »Geist« oder »Bewusstsein«, um vom Denkapparat, dem Intellekt und dem logischen Gehirn zu sprechen.
Alle menschlichen Wesen sind in ständiger Verbindung mit diesem Wissen, das frei im Universum zirkuliert. Meinem gegenwärtigen Verständnis nach ist jeder von uns ein Zwitter aus Seele und Geist, der in einer Form von Materie die Erde erforscht. Die Verschmelzung Seele-Geist-Körper entspricht dem Konzept der Dreieinigkeit, das in verschiedenen spirituellen Strömungen aufgegriffen wird. Die Seele, die mit dem weiblichen Prinzip verknüpft ist, und der Geist, der mit dem männlichem einhergeht, treffen sich, um eine dritte Einheit zu erschaffen, den Körper, wie es der Fall bei jeder Schöpfung im Universum ist.
Die Ausdrucksweise des Geistes zeigt sich in Eingebungen, die in unseren inneren Dialog gleiten. Eine solche Eingebung, die direkt mit dem Wissen verknüpft ist, äußert sich über Ideen, Wahrnehmungen oder Bilder, die mit dem steten Fluss der Gedanken verschmelzen, und das am Tag und nachts in unseren Träumen. Man kann diese Botschaften hören und Nutzen aus ihren kostbaren Lehren ziehen, wenn unser überbeanspruchter Denkapparat sich frei macht von den Sorgen des Alltags – oder wenn man sich beim Aufwachen an seine Träume erinnert.
Empfindungen hingegen sind die Ausdrucksweise der Seele. Die Signale, die unser Körper uns übermittelt, wenn der Magen sich verkrampft, wir Druck auf der Brust verspüren oder uns etwas die Kehle zuschnürt, sind eindeutige Hinweise, dass dieser Ort, diese Arbeit, dieses Projekt oder diese Beziehung nicht zu uns passen. Eine Weitung der Brust oder ein aufgeregtes Kitzeln im Magen weisen dagegen darauf hin, dass wir uns mit den richtigen Personen am richtigen Ort befinden. Die Empfindungen werden auf feinstoffliche Art erfasst und dann durch den Denkapparat analysiert – in Abhängigkeit von seiner Konditionierung. Deshalb findet man sich so oft in ungünstigen Situationen wieder, die vermieden werden könnten, wenn man auf das Empfundene achten würde, statt aufgrund unserer Erziehung und unserer intellektuellen Errungenschaften das Für und Wider abzuwägen.
Da sich unsere universelle Essenz durch die Einheit Seele-Geist-Körper ausdrückt, ist es auf dem Weg zur Erweckung unumgänglich, ihre Ausdrucksweise zu verstehen und zu entschlüsseln. Im Klartext: Sich unseren feinstofflichen Sinnen zu öffnen, der direkten Verbindung mit dem großen Selbst, ist wesentlich, um zu erkennen, wer man wirklich ist.
Bei dieser Suche nach Erkenntnis und Einheit mit sich selbst erscheint das Inspirierte Schreiben als ein einfaches und wirksames Mittel, um eine Auszeit zu nehmen vom Strom der manipulierten Gedanken. Doch dafür muss man sich einen geeigneten Ort zugestehen, um den Hauch des Geistigen zu empfangen, der von den Empfindungen der Seele begleitet wird, und man muss festhalten, was sich alles einstellt, und zwar ohne zu filtern oder zu urteilen.
Ich habe das Inspirierte Schreiben 2007 für mich entdeckt, dank meiner guten Freundin Anne-Marie Séguin (die Geschichte ihrer spirituellen Heilung erzähle ich in meinen Büchern Vivre et mourir … guéri! – auf Deutsch: Leben und Sterben … aber gesund! – und L’insoutenable légèreté de mourir – auf Deutsch: Die unerträgliche Leichtigkeit des Sterbens). Sie las mir damals einen Text vor, den sie nachts empfangen hatte und der ganz offensichtlich »nicht von ihr kam«. Damit meine ich, dass Wörter, Redewendungen und Gehalt ihrer üblichen Ausdrucksweise überhaupt nicht entsprachen. Damals arbeitete ich freiberuflich als Journalistin, und einer meiner Aufträge bestand darin, Leute zu interviewen, die eine Art Erweckungserlebnis hatten. Mehrere dieser Interviews sind übrigens in dem Buch La vie, la mort et autres histoires
d’éveil abgedruckt (auf Deutsch: Das Leben, der Tod und andere Erweckungsgeschichten). Als ich meiner Freundin beim Verlesen der Botschaft zuhörte, habe ich sofort den Tonfall erkannt, den ein Mensch – der sogenannte Kanal oder Channel – beim Channeling verwendet, wenn er Botschaften aus dem Unsichtbaren übermittelt.
Amerikanischen Forschern zufolge, die sich für veränderte Bewusstseinszustände interessieren, muss man zwischen einem Medium und einem Channel unterscheiden. Ein Medium verfügt über die feinen Antennen, um mit Verstorbenen zu kommunizieren, während ein Channel als Vermittler für die Energien dient, die aus anderen Dimensionen kommen, die man auch Engel, Lichtwesen etc. nennt. Und die Art Text, den meine Freundin mir vorlas, glich der Art, wie beim Channeling die Botschaft eines solchen »Wesens« übermittelt wird. Als sie mit dem Vorlesen fertig war, habe ich ihr in entschiedenem Tonfall zugerufen: »Aber Anne-Marie, das ist ja reinstes Channeling!«
Ich persönlich unterscheide nicht zwischen den beiden, weil ich davon ausgehe, dass wir alle irgendwo ein Medium sind oder Channeling betreiben. Ich habe auch keine Ahnung davon, woher das stammt, was ich in Momenten der Inspiration empfange. Sind es ein oder mehrere Führer oder Meister, mein Unterbewusstsein, ein Aspekt des kollektiven Bewusstseins oder Gott selbst, die da zu mir sprechen? Ich habe keinen blassen Schimmer. Deshalb habe ich mir angewöhnt, den Ausdruck »das große Selbst« zu verwenden, wenn ich über das Woher spreche. Aber die genaue Herkunft der Inspiration ist ja auch völlig bedeutungslos! Warum? Weil ich vielleicht