Geist & Leben 1/2018. Echter Verlag

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persönlichen Lebensumstände eruiert – einige Berufe waren vom Katechumenat grundsätzlich ausgeschlossen. Die Taufvorbereitung dauerte ungefähr drei Jahre und verlangte von den Katechumenen nicht nur die Teilnahme an Unterweisungen, Gebeten, Wortgottesdiensten, sondern auch soziales Engagement in der Gemeinde, weil „Trittbrettfahrer“ eben nicht erwünscht waren. Vor der Zulassung zur eigentlichen Taufe fand nochmal eine Prüfung statt, die das gesamte Verhalten der Katechumenen während der Vorbereitungszeit in den Blick nahm, um entscheiden zu können, ob die Bewerber(innen) schon „reif“ für die Taufe wären oder zurückgestellt werden müssten. Diese Hürden galten im Übrigen zugleich auch für die Firmung und Kommunion, die ursprünglich im Rahmen einer einzigen Initiationsfeier gespendet wurden – die Teilhabe an der Eucharistie, in der sich die volle Zugehörigkeit zur Gemeinde konkretisierte, war ja das letzte Ziel der jahrelangen Vorbereitung.

      Ohne dieses Vorgehen mit den heutigen Kategorien Machtausübung oder Dienstleistung messen zu wollen, ist festzuhalten, dass die Katechumenen einer Vielzahl von Anforderungen und einer strengen Kontrolle unterworfen waren – dem konnte man sich natürlich entziehen, musste dann aber das Risiko des Taufaufschubs in Kauf nehmen. Die Gemeinden sahen sich zu dieser Praxis legitimiert, weil man fest davon überzeugt war, den Taufinteressent(inn)en den (einzigen) Weg zum Heil zu zeigen, der ihnen freilich auch etwas abverlangte. Man wollte das Initiationssakrament (Taufe – Firmung – Eucharistie) nicht vorschnell spenden, um keine „halben“ Christen in die Gemeinde aufzunehmen.

      Diese Gefahr wurde erst nach der sog. Konstantinischen Wende zum ernsten Problem, als sich die Kirche infolge des Massenzustroms an die geänderten Verhältnisse anpasste und eine intensive Prüfung und Beurteilung der einzelnen Bewerber(innen) im Katechumenat nicht mehr möglich war. Die Taufvorbereitung wurde formalisiert und stärker ritualisiert, und nach und nach entstand die Volkskirche, in der es freilich viele „halben“ Christen gab.9 Die Kirche gewann an gesellschaftlicher Bedeutung, verlor aber an Profil. Die allmähliche Durchsetzung der Kindertaufe tat ein Übriges, denn sie machte den Katechumenat in der bisherigen Form und das persönliche Erlebnis der Taufe als Lebenswende unmöglich und zog die Verselbständigung der Firmung und Erstkommunion nach sich – das Initiationssakrament wurde entzerrt und die Eingliederung in die (Volks-)Kirche zeitlich gestreckt. Immerhin war aber gewährleistet, dass die Kinder und Jugendlichen in einer christlich geprägten Gesellschaft aufwuchsen.

      Heute hat sich die Dynamik umgekehrt: Die Pluralität unserer Gesellschaft nimmt von Generation zu Generation zu, die Volkskirche löst sich allmählich auf, und so liegt das Motto nahe, zu retten, was zu retten ist, und über jede Anmeldung zur Taufe froh zu sein, auch wenn eine christliche Sozialisation der Kinder nach der Taufe nicht mehr zu erwarten ist. Es stellt sich dann aber doch die Frage, ob die Kirche damit nicht nur „halbe“ Christen in Kauf nimmt, sondern sich mit einem rudimentären Christentum in „homöopathischer Verdünnung“ zufrieden gibt? Können Taufe, Eucharistie und Firmung in einem solchen Umfeld wirklich noch die „bedingungslose Zuwendung Gottes zu den Menschen“ erfahrbar machen, oder bedeuten sie nur noch formalisierte Riten, die zu einem Familienfest traditionell eben mit dazugehören, aber mangels Vorbereitung und wegen fehlender Konsequenzen im Leben nicht verankert sind und so gerade nicht zum Ausdruck bringen können, was sie zum Ausdruck bringen wollen? Dazu gehört (bei jedem Sakrament!) ja auch der Lebensbezug zur kirchlichen Gemeinschaft.

       Profilierung – aber wie?

      In einer Gesellschaft, die sich dem Christentum nach und nach entfremdet, scheint mir eine Rückbesinnung auf das besondere Profil des Glaubens notwendig, das nicht nur in einer unbestimmten Dienst-Willigkeit besteht. Das Matthäusevangelium etwa endet mit dem Auftrag des Auferstandenen, zu allen Völkern zu gehen, sie zu taufen und zu lehren, alles zu befolgen, was er seinen Jüngern geboten hatte (Mt 20,28); dabei ist, wie der Neutestamentler U. Luz anmerkt, auch an die Bergpredigt gedacht, in der Matthäus die Lehre Jesu zusammengefasst hatte.10 Profillos kann man diese Lehre nun wirklich nicht nennen (eher radikal …), und fraglich scheint mir nicht, ob die Taufe Ansprüche an die Jünger(innen) Jesu stellt, sondern inwieweit diese Ansprüche überhaupt erfüllbar sind.

      Vor diesem Hintergrund hielte ich es für ungerecht, das Anliegen einer Profilierung des Glaubens als Machtbesessenheit kirchlicher Amtsträger zu deuten, denn es geht dabei ja um das Selbstverständnis aller Christen, die ihren Glauben ernst nehmen und dem Anspruch Jesu, so weit es ihnen möglich ist, gerecht werden wollen. Dass eine Intensivierung der Taufvorbereitung – und das heißt: der Vorbereitung der Eltern und Paten – und ebenso der Kommunion- und Firmvorbereitung nicht den einzelnen Gemeinden überlassen bleiben kann, sondern wenigstens im Grundsatz von den Bischöfen bzw. den Bischofskonferenzen geregelt werden müsste, ist eine Frage der Effizienz, damit alle am gleichen Strang ziehen (und wenn möglich in dieselbe Richtung …). Ohne gemeinsame Regelungen käme es zu pastoralen Konkurrenzsituationen oder gar zu individueller Willkür.

      Aber führt dieses Plädoyer nicht doch in die verkehrte Richtung? Verbirgt sich dahinter nicht die böse Vorstellung vom „Gesundschrumpfen“ der Kirche, das nur einen „heiligen Rest“ – oder eine Sekte von Fanatiker(inne)n? – übrig lassen wird bzw., um es bildhaft auszudrücken, eine „Wagenburg“, die sich nach außen hin abschottet? Wäre es verantwortbar, so viele Leute vor den Kopf zu stoßen, die mit den durchschnittlichen Erwartungen an Taufe, Erstkommunion, Hochzeit herangehen und dann mit Ansprüchen konfrontiert werden, die sie nicht erfüllen wollen? Werden sie damit zum Kirchenaustritt nicht geradezu motiviert?

      Mir scheint, dieses Dilemma hat ursächlich damit zu tun, dass in unserer gesellschaftlichen Realität in gewisser Weise die Illusion der Kirchenzugehörigkeit äußerlich aufrechterhalten wird, in den Registern der Standes- und Finanzämter sowie in den kirchlichen Matrikelbüchern bzw. Datenbanken. Das „automatisierte“ Kirchensteuersystem in Deutschland ist dazu angetan, diesen Anschein zu bestätigen, denn die innere Zugehörigkeit zur Kirche ist dabei als Maßstab nicht bedeutsam – im Konfliktfall aber wird die Diskrepanz bewusst, und es scheint doch verständlich, dass jemand, der sich zur Kirche nicht zugehörig fühlt, dann auch die Konsequenzen zieht. Das tun immer mehr Menschen, die aus der katholischen oder evangelischen Kirche austreten. Dieser Prozess ist im Gange, unabhängig davon, welche Anforderungen an die Gläubigen gestellt wurden oder noch gestellt werden könnten. Er kann beschleunigt werden, aber aufzuhalten ist er in der jetzigen Situation aller Voraussicht nach nicht.

      Insofern sollten sich die Kirchen nicht vorrangig von der Zahl der Kirchenaustritte und den Prognosen über schwindende Kirchensteuereinnahmen leiten lassen, wenn es um ihr eigenes Profil geht. Es ist auf Dauer nicht sinnvoll, sich etwas vorzumachen, eine Illusion am Leben zu erhalten, man muss der Realität ins Auge sehen. Die Option, die Sakramente der Taufe, Eucharistie, Firmung und Eheschließung von der Sakraments-Fähigkeit bzw. -Befähigung abhängig zu machen, könnte man als ein Plädoyer zu mehr Weltdistanz verstehen; aber in einem dialektischen Sinn würde das umgekehrt der Weltverantwortung der Kirche dienen, weil sie ohne erkennbares Profil nicht mehr „Salz der Erde“ sein kann, vom „Licht der Welt“ ganz zu schweigen.

       Beispiel Ehekatechumenat

      Einen Schritt in Richtung einer intensivierten und anspruchsvolleren Sakramentenpastoral sind im Februar 2017 die deutschen Bischöfe in ihrem Hirtenwort zum Papstschreiben Amoris laetitia gegangen,11 das sich mit dem Thema Ehe befasst. Im Blick auf die Ehevorbereitung schreiben sie: „Hier bedarf es weiterer Anstrengungen zur Entwicklung eines Ehekatechumenats, der den Weg zur Ehe als bewussten Glaubensweg begleitet.“ Zwar gebe es bereits zahlreiche Initiativen, aber „viele dieser Angebote finden (…) zu punktuell statt und erreichen zu wenige Paare (…) Unsere Ehevorbereitungspastoral bedarf daher einer Intensivierung, eines verbindlicheren und zugleich überzeugenderen Charakters.“12

      Im Blick auf mögliche Einwände13 ist festzuhalten: Ziel des ganzen Unternehmens wäre nicht die Bevormundung der Interessent(inn)en, sondern die Ermöglichung einer Entscheidung: Die Paare sollten selbst zu Wort kommen, ihre eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Befürchtungen formulieren und mit dem Verständnis der Ehe als Sakrament abgleichen können, was freilich auch hohe soziale Kompetenz bei den Seelsorger(inne)n voraussetzt. Sinnvoll wäre eine solche Ehevorbereitung ja schon deswegen,


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