Geist & Leben 2/2018. Echter Verlag
durcheinanderzubringen, damit es sich in neuer Weise ordnen kann. Denn wenn man den vertrauten Text des Johannesprologs probeweise einmal in dieser Reihenfolge (laut) liest, kann man einige Entdeckungen machen.
In den VV. 1–5 geht es um das Wort, in den VV. 9–11 um das Licht. Bereits in V. 4 wird das Wort jedoch mit dem Licht in Verbindung gebracht, und zwar mit dem Licht für die Menschen. Alles, auch die Menschenwelt, ist durch das Wort/ Licht geworden. Dieses Licht kann von der Finsternis nicht überwältigt werden; es gibt einen Bereich, in dem der Sieg des Lichtes immer klar bleibt. Von diesem Licht wird nun in dem zweiten Abschnitt gesagt, dass es in die Welt kommt. Die griechische Sprache malt mit dem Imperfekt in gewisser Weise ein Bild, in dem dieses Kommen immer wieder geschieht. Wie das Wort im Anfang bei Gott „war“, so „war“ das Licht nun in diesem ständigen, immer wieder neuen Kommen in der Menschenwelt, in vielen Gestalten, vor allem in den Propheten. Ab VV. 10–13 ist das Subjekt nicht klar: Ist es das Wort oder das Licht? Mein Versuch, das Wortlicht als Subjekt zu benennen, lässt bewusst beides zusammenklingen. In der Menschenwelt leuchtet das Wortlicht nicht einfach in seiner unbezwingbaren Weise, sondern es ist darauf angewiesen, dass es die Menschen erkennen und annehmen. Doch diese Welt erkannte das Wortlicht nicht. Eine Scheidung geschieht, ein Kampf findet statt. Das wird dann in V. 11 noch einmal zugespitzt, indem die Welt „sein Eigenes“ genannt wird, in das das Wortlicht kommt. Dieses Kommen malt die Sprache des Liedes als etwas Punktuelles, hier wird sozusagen auf den Punkt in der Geschichte Gottes mit der Welt geschaut, an dem die Scheidung geschieht: Die Menschenwelt ist durch das Wortlicht geworden, sie gehört ihm und ist sein Eigentum, aber sie weist es ab. An dieser Stelle rückt das Kommen des Wortlichts in Jesus von Nazaret in den Blick, den die „Seinen“ nicht aufgenommen haben. Alle? Nein, denn die Menschen, die das Wortlicht aufnehmen und an „seinen Namen“ glauben, werden „Kinder Gottes“ genannt. Die Glaubenden werden eine neue Schöpfung; die Menschenwelt, die durch das Wortlicht geworden ist, wird neu in den Kindern Gottes. Damit die Welt jedoch zu dieser neuen Schöpfung werden kann, muss ein anderes Werden stattfinden: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (1,14). Jetzt wird das Wort als Subjekt wiederbenannt. Der Blick ist nun nicht mehr aus der Perspektive des Wortlichts von oben her auf die Welt gerichtet, sondern sozusagen von unten her auf das Fleisch gewordene Wort, das „wir“ gesehen haben. Die Menschenwelt läuft Gott davon, und er läuft ihr nach. In der Welt begegnen sie sich, das Fleisch gewordene Wort und die „Seinen“.
Who is who in diesem Lied? Bewusst legt es sich nicht fest. Das Wortlicht kommt in die universal gedachte Menschenwelt; konkret ist es jedoch Gottes Eigentumsvolk, Israel, zu dem das Wortlicht immer wieder in den Propheten und auf vielerlei Weise kam, und wo es nicht erkannt wurde. Aufnahme und Ablehnung geschehen immer konkret in der Geschichte, und letztlich im Herzen jedes einzelnen Menschen. Das Johannesevangelium wird viele Menschen zeigen, in denen dieses Drama stattfindet. Manche gehören zum Eigentumsvolk Israel, andere nicht. Die Frage, warum Gottes Volk das Fleisch gewordene Wort nicht aufgenommen hat, kann das Johannesevangelium nicht beantworten. Vielleicht war die Verstörung, der Schmerz oder auch der Zorn darüber noch zu groß. Das Evangelium will an dieser Stelle sicher keine negative Aussage über Israel als Ganzes treffen; ein letzter Verdacht von latentem Antijudaismus lässt sich dennoch nicht ausräumen. Heute muss ein/e Leser(in) umso mehr verstehen, dass „die Welt“ universal zu verstehen ist – das Wort kam zu allen Menschen – und gleichzeitig ganz konkret: Jeder Mensch ist „Eigentum“ Gottes, Ort des Kampfes um Annahme und Ablehnung des Lichts, Ort der erlösenden Begegnung mit dem Wort im (eigenen) Fleisch.
Christian Heß | Freiburg i. Br.
geb. 1975, Dr. theol., Regens des Erzbischöflichen
Priesterseminars Collegium Borromaeum der Erzdiözese
Freiburg, Mitglied der Priestergemeinschaft
Jesus-Caritas
„Ohne Christus ist Krieg“
Mystik und Politik bei Max Josef Metzger (1887–1944)
Frère Roger Schutz (1915–2005) hat mehrfach „Kampf und Kontemplation“ als die beiden Pfeiler seines Engagements bezeichnet. Wer den friedfertigen Gründer der Gemeinschaft von Taizé und dessen Lebenswerk kennt, weiß, dass dieser Kampf ohne den Einsatz von Waffen geführt wurde. Vielmehr ging es Frère Roger darum, eine Spiritualität zu leben, die Gebet (Kontemplation) und gesellschaftliches Engagement (Kampf) in eine fruchtbare Balance brachte. Mystik und Politik können sich nicht nur ergänzen. Sie sind vielmehr aufeinander verwiesen. Im Geburtsjahr Frère Rogers – mitten im I. Weltkrieg – machte sich ein anderer Geistlicher auf den Weg, um sich in einer kreativen Verbindung von Mystik und Politik in den Dienst des Friedens zu stellen. Die folgenden Überlegungen führen hinein in die ungewöhnliche Lebensgeschichte Max Josef Metzgers (1887–1944).1
Ein Leben im Dienst des Friedens
Max Josef Metzger war Priester der Erzdiözese Freiburg, übte seinen Dienst aber überwiegend außerhalb seines Heimatbistums aus. Als katholischer Geistlicher war er Teil der kirchlichen Hierarchie und befand sich doch oft im Konflikt mit ihr. In einem Anflug patriotischer Begeisterung, der ihn mit vielen seiner Zeitgenossen verband, diente er freiwillig als Militärgeistlicher im I. WK, wandte sich aber später als überzeugter Pazifist gegen den Kriegsdienst. In einer Zeit, in der ökumenische Bemühungen innerhalb der katholischen Kirche noch alles andere als mehrheitsfähig waren, setzte er sich für die Versöhnung zwischen den christlichen Konfessionen ein. Walter Baumeister, ein Weggefährte und Mitarbeiter Metzgers, wusste um dessen weit gefächerte Arbeitsbereiche und um die damit verbundene Schwierigkeit, sein Wirken in bestimmte Kategorien einzuordnen: „Allgemein gesprochen, kennzeichnet ihn [Metzger; CH] zunächst eine geradezu phantastische Universalität in allen Dingen des Lebens und der Wissenschaft. Es war fast beängstigend, alle die Betätigungen zu erleben, die er im Laufe seiner priesterlichen Tätigkeit ausübte. Er war Lehrer, Prediger, Organist, Komponist, Schriftsteller, Verleger, Organisator und tausend anderes zu gleicher Zeit.“2 Metzger war sich bewusst, dass die Vielfalt seiner Tätigkeiten für ihn selbst und seine Mitmenschen eine große Herausforderung darstellten. Diese Vielfalt korrespondierte mit seinem Lebenslauf, der von den Weltereignissen seiner Zeit ebenso geprägt war wie von seinen persönlichen Begabungen und Interessen.
Max Josef Metzger wurde 1887 im badischen Schopfheim geboren. Nach seinem Theologiestudium in Freiburg und im schweizerischen Fribourg sowie einer abgeschlossenen Promotion im Fach Kirchengeschichte wurde er 1911 zum Priester geweiht. 1914 meldete er sich bei Kriegsausbruch freiwillig zum Dienst als Feldgeistlicher an die Front, wurde aber bereits ein Jahr später nach einer schweren Erkrankung aus dem Militärdienst entlassen. Metzger ging noch im selben Jahr nach Graz und entfaltete dort ein reges soziales und publizistisches Engagement im Dienste des Friedens und der Völkerverständigung.
Während des I. WK gelangte Metzger zu einer Überzeugung, die prägnant zum Ausdruck bringt, auf wen er bei der Lösung der sozialen, politischen und religiösen Probleme seiner Zeit setzte: „Ohne Christus, ohne tiefstes Christentum ist Krieg.“3 Im Ernstnehmen des Christusglaubens in allen Bereichen des Lebens sah er Befriedungs- und Heilungspotenziale für die ganze Gesellschaft.
1919 war er an der Gründung des „Friedensbundes deutscher Katholiken“ beteiligt und nahm an verschiedenen europäischen Friedenstreffen teil. Am Herz-Jesu-Fest desselben Jahres gründete er die „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“, die sich der Verkündigung des Evangeliums widmete. Metzger hatte im Einsatz als Seelsorger in den Schützengräben erlebt, wie sich Christen aus verschiedenen Nationen und Konfessionen gegenseitig umbrachten. Zur Friedensarbeit kamen so folgerichtig auch Aktivitäten im ökumenischen Bereich, mit denen er 1923 begann. 1928 verlegte er den Hauptsitz seiner inzwischen „Christkönigsgesellschaft“ genannten Gemeinschaft nach Meitingen bei Augsburg.