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schon angesichts ihrer zeitlichen Inanspruchnahme durch Beruf und Familie überfordert waren. Man musste also nach Laien-Mitarbeitern Ausschau halten, die bereit waren, ihr Leben ganz – und das bedeutete erstmals: beruflich – dem kirchlichen Dienst zu widmen. Ihnen wollte man eine grundständige Ausbildung und ein angemessenes Entgelt für den Lebensunterhalt zukommen lassen. So ausgerüstet, sollten die beruflichen Mitarbeiter schwerpunktmäßig die Pfarrkartei führen und sich Kenntnis verschaffen über die darin dokumentierten Lebensverhältnisse der katholischen Gläubigen. Sie sollten bei ihnen Hausbesuche machen, aufmerksam sein für ihre vielfältigen Nöte und mit ihnen ins persönliche Gespräch kommen. Das katholische Glaubensleben in den Ehen und Familien galt es zu retten.

      Obwohl man für diesen apostolischen Dienst grundsätzlich sowohl Männer als auch Frauen in der Verantwortung sah, meinte man doch, Frauen seien hierzu besser geeignet. Dem damaligen Frauenbild entsprechend brauchte man Frauen wegen ihrer gewissen »fraulichen Fähigkeiten« und Eigenarten, ihrer Hingabebereitschaft und ihrer Fähigkeit zu geduldigem Nachgehen. Bei den Frauen sah man eine besondere und eigene Verpflichtung und Verantwortung, eine besondere Begabung für das Apostolat, ein besonderes Einfühlungsvermögen in die Wechselwirkung von Glaube und Engagement. Erste Mitarbeiterinnen, die so genannten »Gemeindehelferinnen«, rekrutierte man unter den Fürsorgerinnen der Caritas. Ihr diakonisches, fürsorgerisches Know-how und Engagement schienen besonders gut geeignet, sich einen Zugang zu den Menschen zu verschaffen.

      Arbeit gab es in dieser »indirekten Seelsorge« genug. Und so musste die berufstätige Gemeindehelferin auch ihrerseits selbst wieder nach Unterstützung suchen durch hilfsbereite Männer und Frauen. Man bezeichnete sie als »Laienhelfer«. Sie waren auch genau dies: Helfer der Gemeindehelferin. Wenn die Gemeindehelferin den Anforderungen, die an sie gestellt waren, allein nicht mehr gerecht werden konnte, traten diese treuen, hilfsbereiten Mitarbeiter, Männer und Frauen, auf den Plan. In Schulungen durch die Gemeindehelferin wurden sie in die Lage versetzt, sowohl in sittlich-asketischer als auch in fachlicher Hinsicht innerhalb der ihnen übertragenen Aufgaben Entscheidungen treffen zu können. Sie arbeiteten mit in dem Bewusstsein eines feinen hierarchischen Gefälles innerhalb des »Laien«-Standes – von der (berufstätigen) Gemeindehelferin über die (nicht-beruflich tätigen) Laienhelfer hin zu den übrigen Christen –, und zwar in gemeinsamer Zu- und Unterordnung unter den Pfarrherrn.

      Die Zusammenarbeit in diesem strukturell-hierarchischen Gefälle ist typisch auch für die Folgejahre nach der Berufs-Gründungszeit. Bis zum Zweiten Weltkrieg kamen lediglich einige weitere Aufgaben für die »Laien« hinzu. Neben die Hausbesuche und die Sorge um die notleidenden Menschen, um deren Kleidung, Ernährung und Kindererziehung, traten vielfältige Tätigkeiten im Pfarrbüro und in der Pfarrbücherei und zunehmend auch die erweiterte Mithilfe in der Kinder- und Jugendseelsorge. Allmählich rückten die Aufgaben der Caritas mehr in den Hintergrund und die Seelsorgehilfe genoss eine Aufwertung als Erhöhung und Erweiterung der »Alltagscaritas«.

      Die Jahre während des Zweiten Weltkriegs erhöhten den Bedarf an »Seelsorgehelferinnen«, wie die beruflichen Laienkräfte jetzt genannt wurden, noch einmal. Die zur Wehrmacht eingezogenen Priester mussten in der Verwaltung und in den seelsorglichen Diensten der Gemeinden vertreten werden. Viele kirchliche Vereine und Vereinsaktivitäten waren verboten. Die Zahl der nicht-beruflichen Laienhelfer nahm ab. Die berufliche Laienseelsorge hatte sich also zu konzentrieren, und zwar auf die Pfarrgemeinde. Sie geriet damit immer enger ausschließlich in den kirchlichen Raum.

      In dieser Richtung veränderte sich das Aufgabenprofil der beruflichen Laienseelsorge auch nach dem Krieg nochmals weiter: Der Zustrom unzähliger katholischer Ostflüchtlinge musste aufgefangen werden. Viele Priester waren im Krieg gefallen oder noch in Gefangenschaft. Laienkräfte, weibliche und wo möglich auch männliche, wurden in kürzeren Kursen zu so genannten »Pfarrhelferinnen« und »Pfarrhelfern« ausgebildet. Mit dem Klerus und den nicht-beruflichen »fallweise mitarbeitenden« Laienkräften sah man keine Möglichkeit, dem – wie man es formulierte – »Seelsorgenotstand« beizukommen. Das Aufgabenspektrum der Seelsorgehelferinnen musste folglich wieder erweitert werden: Die »Gemeindepastoral« mit den drei Grundfunktionen der Verkündigung, der Diakonie und von hier aus auch der Liturgie wurde ihr breites Aufgabenfeld. Ihre originären Aufgabenfelder blieben freilich in der Verkündigung und der Diakonie.

      Insgesamt bildete dieser Vorgang mehr und mehr das Grundmuster der »Hauptberuflichenkirche« aus, einer »Versorgungs-« und »Mitmachkirche«: Die durch die Ausbildung besser qualifizierten Seelsorgehelferinnen galten als die Fachfrauen; die übrigen Laienkräfte waren ihnen zu- und untergeordnete Helferinnen und Helfer, die durch die Seelsorgehelferinnen für die Mitarbeit geschult und »geformt« wurden. Dadurch wurden diese Helferinnen und Helfer selbst wieder zu Fachleuten unter ihresgleichen – und so fort: ein steiles, wohlgegliedertes hierarchisches Gefälle des Sagens und des Mitmachen-Dürfens, rückgebunden an die Amtsautorität des Pfarrers und durch sie autorisiert. Es ist das Grundmuster, in dem man sich schließlich auch daran gewöhnte, innerhalb der »Laien« begrifflich zu unterscheiden zwischen »Haupt- und Ehrenamt«. Solange man unter den »Hauptamtlichen« der katholischen Kirche grundsätzlich nur die Priester verstand und der Unterschied zwischen Priestern und »Laien« bestimmend war, hielt der Begriff des Ehrenamtes in der katholischen Kirche nicht Einzug. Erst durch die Etablierung von »Hauptamtlichen« unter den »Laien« wurde nahegelegt, den Begriff des »Ehrenamtes« aus dem bürgerlichen und sozialen Kontext in den eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen und die nicht-beruflichen Laienhelfer aus dem Laienapostolat als »Ehrenamtliche« zu bezeichnen. Im Grundmuster der »Hauptberuflichenkirche« sind sie diejenigen, die von den Hauptberuflichen zum Mitmachen in den eigenen Aufgaben gewonnen werden – ein Vorgehen, das in einem volkskirchlich geprägten Milieu über viele Jahrzehnte unhinterfragt weitgehend gut funktioniert hat.

       2. Alte und neue Formen des kirchlichen Ehrenamtes

      Im Grundmuster der »Hauptberuflichenkirche« ist das Gewinnen ehrenamtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein zentraler Auftrag aller Hauptberuflichen – nachgeordnet aber auch all derer, die ehrenamtlich Verantwortung tragen. Diesen Auftrag zu erfüllen war in den ersten Jahrzehnten des Berufs der Seelsorgehelferinnen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil recht unproblematisch. Der Aufbruch mit der Würzburger Synode in den Jahren 1971 bis 1975 bescherte den Pfarrgemeinden die Beteiligung einer großen Zahl von Gläubigen: Wer mitmacht, erlebt Gemeinde! – so hieß ein verbreiteter Slogan.

      Als »Multiplikatorinnen« und »Multiplikatoren« ließen sich Ehrenamtliche vom pastoralen Personal für das Mitmachen schulen und bei der Erfüllung übernommener Aufgaben unterstützen und begleiten. Es waren Gemeindemitglieder eines bestimmten Zuschnitts: unermüdliche, pflichtbewusste, kirchen- und pfarrertreue, für den Verwaltungsbereich zumeist männliche, für die pastoralen Anliegen vor allem weibliche Mitglieder einer Pfarrgemeinde. Sie ließen sich gut und gerne und oft über Jahre hinweg einbinden in ein Ehrenamt oder mehrere Ehrenämter. Manche fanden sich in der Vorbereitung der Kinder auf die Erstkommunion ebenso wieder wie als Vorsitzende der Frauengemeinschaft und als Mitglied der Caritaskonferenz. Ganz zu schweigen von den vielen stillen Diensten »hinter den Kulissen«, dem Zubereiten von Kaffee und Kuchen für die Teilnehmer von Tagungen, der Sorge um den Blumenschmuck für die kirchlichen Feste und Feiern und vieles andere mehr.

      Und heute? Dazu ein Beispiel aus der Vorbereitung auf die Erstkommunion.

      Der Pfarrer hat der Gemeindereferentin diesen »pastoralen Klassiker« übertragen. Sie beginnt, zusammen mit einigen Müttern ein Konzept zu entwickeln, und legt es dem Pfarrer zur Entscheidung vor. Er ist einverstanden – aber: Er wünscht noch, dass den Kindern das Beten des Rosenkranzes beigebracht wird und dass die Kinder das Beten des Rosenkranzes auch regelmäßig einüben. Damit hatte sie nicht gerechnet. Im dörflichen Umfeld und zudem noch in der Nähe der kleinen Wallfahrtskirche hätte sie es sich denken können. Der Rosenkranz hat Tradition. Aber jetzt? Das sprengt ihr Zeitbudget. Wen kann sie jetzt darum bitten? Sie denkt an Frau Maier, die treue Seele, die – solange man im Dorf zurückdenken kann – die Maiandachten vorbereitet und leitet. Und tatsächlich: Frau Maier macht das; sie übernimmt den Rosenkranz mit den Kindern gern. Die Kinder


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