Naturphilosophische Emergenz. Maximilian Boost
S. 130-131.
184 Vgl. Stephan (1999b). S. 131. Vgl. auch Blake, Ralph M. (1927). „Review“. The Philosophical Review. Vol. 36. No. 3. S. 270.
185 Vgl Stephan (1999b). S. 131-155.
186 Siehe Abschnitt 9.3.
187 McLaughlin (1992). S. 56-57.
188 McLaughlin (1992). S. 57.
189 Kim, Jaegwon (1999). „Making Sense of Emergence“. Philosophical Studies. Vol. 95. No. 1-2. S. 3-4.
190 Vgl. Eronen, Markus (2004). Emergence in the Philosophy of Mind. URL:http://ethesis.helsinki.fi/julkaisut/hum/filos/pg/eronen/emergenc.pdf (Stand: 14. März 2010). S. 19-20.
191 Vgl Stephan (1999b). S. 131.
192 Kim (1999). S. 4.
193 Kim (1999). S. 5.
5 Wiederkehr des Emergenzbegriffs in die Philosophie
Den Beginn der vierten Phase des Emergentismus – und damit den Start-punkt für die Wiederkehr des Emergenzbegriffs in die Philosophie – bildeten Karl Poppers „The Self and its Brain“ (1977) und Mario Bunges „The Mind-Body Problem“ (1980). Sie entwickelten Ende der 1970er Jahre als erste Philosophen wieder eigene Konzeptionen der Emergenz. Doch gibt es gute Gründe dafür, diese hier nicht näher zu betrachten: Karl Poppers Ansatz weist in verschiedenen Punkten gravierende Schwächen auf. Diese haben ihre Ursache vor allem darin, dass er mit den Werken der Britischen Emergentisten sowie ihrer kritischen Rezeption in keiner Weise vertraut zu sein scheint. Nirgends in Poppers Werk wird – weder inhaltlich, noch durch Zitate oder Rückbezüge – deutlich, dass er die klassische Emergenzdiskussion kennt. Dies führt jedoch zu erheblichen inhaltlichen Schwächen. Stephan hat deshalb ein hartes Urteil über Poppers Emergenztheorie gefällt: So habe Popper offensichtlich völlig unbeeinflusst von der älteren Emergenzdebatte einen eigenen Ansatz verfasst, der sich in keiner Weise in Subtilität und Klarheit mit den klassischen Ansätzen messen könne.194 Es ist zwar davon auszugehen, dass einige der Schwächen der Popperschen Emergenzkonzeption hätten vermieden werden können, wenn er die klassischen Emergenztheorien und die emergenzkritische Literatur in irgendeiner Weise zur Kenntnis genommen hätte. Da er dies jedoch nicht getan hat, ist seine Emergenzkonzeption so problematisch, dass sich für die moderne geistesphilosophische Diskussion nicht daran anschließen lässt.
Ebenso kann auch Mario Bunges Emergenzkonzeption nicht als Anknüpfungspunkt dienen: Er sieht in seinem „rational emergentism“195 einen Mittelweg zwischen dem – von ihm als irrational empfundenen196 – klassischen Emergentismus und dem Reduktionismus. Doch hat Stephan diese Einschätzung scharf kritisiert: Zum einen ist es sehr weit hergeholt, die sorgfältig ausgearbeiteten Theorien der Britischen Emergentisten als ‚irrational‘ zu bezeichnen. Zum anderen geht Bunge von einem sehr schlichten Begriff des Reduktionismus aus: So behauptet er unter anderem, dass Reduktionisten in der Reduktion nicht die Struktur des Systems berücksichtigen würden, und ferner, dass kollektive Eigenschaften schon dann reduziert seien, wenn nur einige Bestandteile des Systems Eigenschaften dieses Typs hätten.197 Würde er von einem angemesseneren Begriff des Reduktionismus ausgehen, so müsste er einsehen, dass seine Theorie – entgegen seiner eigenen Überzeugung – keine mittlere Position einnimmt, sondern als Form eines reduktiven Materialismus zu sehen ist. Seine Konzeption der Emergenz ist nämlich zu schwach formuliert, um zwischen der explanatorischen Realisierung einer mentalen Eigenschaft und ihrer Emergenz unterscheiden zu können. Für Stephan steht jedoch außer Frage, dass eine mentale Eigenschaft im schwachen Sinne Bunges emergent ist.198
194 Vgl. Stephan (1999b). S. 178-182.
195 Bunge (1977). „Emergence and the Mind“. Neuroscience. Vol. 2. Oxford/New York/Frankfurt: Pergamon Press. S. 503.
196 Vgl. Bunge (1977). S. 502.
197 Vgl. Stephan (1999b). S. 184-185 und Bunge (1977). S. 503-506.
198 Vgl. Stephan (1999b). S. 184-185.
6 Das Körper-Geist-Problem
Wenn über den jüngeren Teil der Wiederkehr des Emergenzbegriffs in die Philosophie gesprochen wird, so bezieht sich dies auf die Philosophie des Geistes. Hier kommt dem Emergenzbegriff in den letzten Jahren wieder vermehrt Aufmerksamkeit als nicht-reduktiv-physikalistischer Lösungsansatz zum Körper-Geist-Problem zu.199 Dieses Problem besteht darin, dass es unter Bedingungen eines naturwissenschaftlich geprägten Weltverständnisses – in dessen Rahmen die Welt als ein komplexes physikalisches System verstanden wird, dessen Grundstrukturen sich mittels der Physik und der auf ihr aufbauenden Naturwissenschaften beschreiben lassen – rätselhaft ist, wo hier der menschliche Geist zu verorten ist und wie dieser kausal wirksam sein soll.
6.1 Dualität von Physischem und Mentalem in der Erfahrung
Nach Godehard Brüntrup, mit dem das Körper-Geist-Problem im Folgenden ausführlicher dargestellt wird200, ist es eine fundamentale Grundannahme der Naturwissenschaften, dass der physische Bereich grundsätzlich durch Gesetzmäßigkeiten strukturiert ist. Diese lassen sich in physikalischer Terminologie formulieren und haben ihre Gültigkeit unabhängig von Zeit, Ort oder anderen Umständen. Sie gelten demnach universal. Dies bedeutet auch, dass gesetzmäßige Zusammenhänge lückenlos sind, da sie durch keinen ‚Bruch‘ in Raum und Zeit gekennzeichnet sein können. Gilt es nun, die Kausalerklä- rung eines physischen Vorgangs zu geben, so kann die Naturwissenschaft dies allein unter Bezugnahme auf Kausalgesetze leisten. Entsprechend ist jedes physische Ereignis allein mittels Kausalgesetzen erklärbar. Dies bedeutet, dass der Bereich des Physischen kausal abgeschlossen ist, da es für die Erklärung nur physischer Ursachen bedarf. Wenn der Bereich des Physischen kausal abgeschlossen ist, dann kann es keine nicht-physischen Ursachen geben, die physische Ereignisse bewirken. Und auch der menschliche Geist scheint in den Augen der Naturwissenschaften prinzipiell durch naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten erklärbar zu sein: So hat sich eine regelrechte ‚Naturwissenschaft des Geistes‘201 herausgebildet, die sich darum bemüht, den menschlichen Geist ebenso zu erforschen und zu erklären wie physische Körper. Unter den Wissenschaften, die hierbei eine Rolle spielen, hat in der letzten Zeit besonders die Neurobiologie – mit ihren zahlreichen neuro-wissenschaftlichen Ablegern – mit spektakulären Veröffentlichungen auf sich aufmerksam gemacht. Die entscheidende Frage ist, ob man davon überzeugt ist, dass es den menschlichen Geist gibt, und wenn ja, ob er zum physischen Bereich gerechnet wird oder nicht. Dafür, dass es den menschlichen Geist gibt, finden sich in unserer Alltagserfahrung überwältigende Indizien: Wir erfahren uns nicht nur als physische Körper, sondern auch als Träger von Emotionen, Gedanken, Wünschen und Erlebnissen. Doch kommt dieser Sphäre eine Besonderheit zu: So ist sie nicht nur subjektiv, sondern auch privilegiert. Sie kann nur aus der Perspektive der ersten Person erfahren werden und ist keinem Dritten in derselben Weise von außen zugänglich. Entsprechend kann keine noch so gründliche naturwissenschaftliche Beschreibung, die den mentalen Zustand einer Person in physikalischer Terminologie als neurobiologischen (d.h. physiko-chemischen) Zustand zu beschreiben versucht, sagen, wie sich die Person fühlt, was sie fühlt, was sie denkt. Der Bereich des Mentalen bleibt in physikalischen Beschreibungen offenbar in wesentlicher Form unberücksichtigt. Dass mentale und physische Beschreibungen tatsächlich von jeweils völlig unterschiedlichen Dingen sprechen, zeigt sich in solchen Überlegungen, in denen der eine Bereich zugunsten des anderen gedanklich eliminiert wird: Gäbe es keine physischen Objekte, so gäbe es nichts außer dem eigenen Bewusstsein, und die Welt würde zum Traum, zum bloßen Gedanken. Gäbe es dagegen keine mentalen, sondern nur physische Objekte, so würde die Welt nur aus Robotern bestehen, die kein eigenes Bewusstsein haben. Niemand würde diese Welt wahrnehmen. Diese