Lebendige Seelsorge 4/2018. Verlag Echter

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Gebieten die Wahlen immer schwieriger. Zum einen liegt die Wahlbeteiligung oft unter zehn Prozent; zum anderen gelingt es häufig nicht, die Zahl von Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, die für eine Wahl notwendig sind. Auf der Presbyterebene zeigt sich deutlich, dass das Ende des 19. Jahrhunderts moderne Modell des Vereins und des damit verbundenen kontinuierlichen Engagements in der Breite der Bevölkerung massiv an Attraktivität verloren hat. Auf Grund der Stufung der synodalen Wahlverfahren – die Gemeindeglieder wählen die Presbyter, diese die Kreissynodalen und jene wiederum die Landessynodalen – setzt sich die Schwäche im Bereich der Presbyteriumswahlen auf den anderen kirchlichen Ebenen fort.

      Auch die im Programm der Konziliarität formulierten ökumenischen Impulse erreichen nur noch eine kleine Minderheit evangelischer Christen. Damit verlieren Motive an Bedeutung, die in den vergangenen Jahrzehnten Menschen zu einem presbyterialen bzw. synodalen Engagement bewogen. Vor allem Fragen zurückgehender Finanzen und damit verbundener Sparmaßnahmen dominieren vielerorts die Tagesordnungen der Presbyterien, Kreis- und Landessynoden. Der Zusammenhang mit der Kommunikation des Evangeliums als grundlegendes Anliegen christlicher Kirche ist dabei nur noch schwer auszumachen.

      Hier stellen sich also ganz grundsätzliche Anfragen an das Prinzip der Synodalität, das in den letzten 150 Jahren in den Evangelischen Kirchen eine steile Karriere machte. Liest man systematische Reflexionen zu den Synoden, fällt allerdings auf, dass diese Problemanzeigen bereits seit Längerem wahrnehmbar waren. So fordert Wolfgang Huber bereits 1994, damals gerade im Übergang von der systematisch-theologischen Professur in Heidelberg in das Amt des Bischofs der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg: „Die synodalen Beratungs- und Entscheidungsprozesse müssen – im Blick auf Vorkenntnisse, Vorbereitung, Zeitbedarf und Attraktivität – so gestaltet werden, daß die Mitwirkung für Menschen aus verschiedenen weltlichen Berufen wirklich möglich und interessant ist. Dafür neue Formen zu entwickeln, ist dringlich“ (Huber, 344). Es ist kein gutes Zeichen, dass diese Forderung fast 25 Jahre später immer noch Gültigkeit hat.

      LITERATUR

      Burgsmüller, Alfred/Weth, Rudolf (Hg.), Die Barmer Theologische Erklärung. Einführung und Dokumentation, Neukirchen-Vluyn 1983.

      Hermelink, Jan, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens. Eine praktisch-theologische Theorie der evangelischen Kirche, Gütersloh 2011.

      Huber, Wolfgang, Synode und Konziliarität, in: Rau, Gerhard/Reuter Hans-Richard/Schlaich, Klaus (Hg.), Das Recht in der Kirche, Bd. 3, Zur Praxis des Kirchenrechts (FBESG 51), Gütersloh 1994, 319-348.

      Link, Christoph, Kirchliche Rechtsgeschichte. Kirche, Staat und Recht in der europäischen Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert, München 22010.

      Lorenz, Wolfgang, Kirchenreform als Gemeindereform dargestellt am Beispiel Emil Sulze, Diss. theol., Berlin 1981.

      Chancen der Partizipation

      Die Replik von Joachim Schmiedl auf Christian Grethlein

      Damit Synoden auch auf „katholisch“ zu einem immer wichtigeren Teil kirchlicher Leitung werden können, braucht es einen langen Lernprozess. Diese Erfahrung teilen wir, darin ist Christian Grethlein zuzustimmen, mit der evangelischen Kirche und ihrer langen Synodenpraxis. Die Bischofssynode im Herbst 2018 mit dem Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsfindung“ ist eine Etappe in diesem Prozess. Nach der Ankündigung durch Papst Franziskus war nicht klar, wo der thematische Schwerpunkt liegen solle. Doch seine Methode der Themenanreicherung machte den Nukleus des Themas klar: Es sind die Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Ende des zweiten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends, ihre konkreten Lebenssituationen, ihre Wünsche und Sehnsüchte, ihre Kritik an der Kirche und ihre Erwartungen an eine nicht nur als erwachsen, sondern vielfach als alt erlebte Gemeinschaft. Um diese personale Mitte werden sich wohl die Fragen nach einer zeitgemäßen Gestalt jugendlichen Glaubens und dem je persönlichen Platz in Kirche und Welt gruppieren.

      Der Feststellung von Christian Grethlein, dass Synoden Ausdruck des allgemeinen und gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen sind und folglich in der Taufberufung wurzeln, kann uneingeschränkt zugestimmt werden, wohl wissend, dass damit für eine katholische Synodalpraxis mehr eine Hoffnungsperspektive denn eine Situationsbeschreibung der Gegenwart ausgesagt ist. Die Vorbereitung der beiden Familiensynoden und der Jugendsynode machte aber offenkundig, dass die Breite der Eingaben und die Ehrlichkeit der Antworten eine Neuheit gegenüber vorangehenden Synoden darstellen.

      Hier kommt eine weitere Neuheit ins Spiel. Das erste Mal wurden Jugendliche zu einer „Vorsynode“ eingeladen. Eine Woche diskutierten 300 Jugendliche und junge Erwachsene aus aller Welt, um am Ende in einem Abschlussdokument ihre Vorschläge für die Synode der Bischöfe zu formulieren. Es nahmen teil führende Vertreter von Jugendverbänden, Mitglieder geistlicher Bewegungen, kirchlich Engagierte und Gebundene, aber auch der Institution Kirche kritisch gegenüberstehende Personen bis hin zu einer Muslima aus Indonesien – ein deutliches Gegengewicht gegen eine „Klerikalisierung“ (Grethlein) der Synode. Dabei zeigte sich die ganze Bandbreite der Situation von Jugendlichen und ihren Fragen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die klassischen Reizthemen etwa zur Stellung der Frau in der Kirche oder nach der Ämterfrage in dem 15-seitigen Schlussdokument zwar genannt werden, aber aufs Ganze keine entscheidende Rolle spielen.

      In drei Teilen werden die internen und externen Herausforderungen und Möglichkeiten der Jugendlichen von heute abgehandelt, wie sie in 20 Sprachgruppen erarbeitet wurden. Als wichtigste Herausforderung werden die Persönlichkeitsformung und die Suche nach dem Sinn des Lebens genannt, es folgen die Beziehungen mit Anderen und die Sorge um die Zukunft. Beim Umgang mit der Technik werden zwar auch Gefahren benannt, die Jugendlichen bieten sich jedoch als Spezialisten an, um etwa die sozialen Medien als Mittel zur Evangelisierung auszunutzen.

      Der zweite Teil geht auf Glaube und Berufung ein, auf Unterscheidung und Begleitung. Ehrlich wird benannt, dass viele Jugendliche nichts mehr mit der Kirche zu tun haben möchten. Den Berufungsbegriff möchten die Jugendlichen aus der Verengung auf Priester- und Ordensberufung herausholen. Um ihren Weg finden zu können, wird Geistliche Begleitung eingefordert, wobei sich der Begleiter oder die Begleiterin einerseits aktiv einbringen muss, andererseits die nötige Diskretion wahren muss.

      Konkret wird es auch im dritten Teil, der sich an die pastoralen Aktivitäten der Kirche richtet. Zu Recht wird eine „transparente, begrüßende, ehrliche, einladende, kommunikative, zugängliche, herzliche und interaktive Gemeinschaft“ (Nr. 11) erwartet. Dazu gehört die vertrauensvolle Leitung durch Jugendliche. Die Kirche muss sich an Orte begeben, die von Jugendlichen frequentiert werden. Um den Kontakt mit der Jugend zu vertiefen, bedarf es der Nutzung der Massenmedien, freiwillige Dienste, Musik und Kunst, aber auch der Anbetung, Meditation, Kontemplation und des Zeugnisses. Die Jugendlichen fordern eine weitere Mitbeteiligung an dem angelaufenen synodalen Prozess: „Es wäre eine Schande, wenn diesem Dialog keine Gelegenheit zur Fortsetzung und zum Wachstum gegeben würde!“ (Nr. 15; in der offiziellen deutschen Übersetzung wurde „Schande“ durch „Fehlschlag“ abgeschwächt).

      Insgesamt atmet das Abschlussdokument der Vorsynode einen positiven Grundton. Formuliert wird, was dem Aufbau der Kirche dient, nicht ohne an der einen oder anderen Stelle kritische Bemerkungen anzubringen.

      Was kann erwartet werden? Am hierarchischen Aufbau und den Leitungsstrukturen der Kirche wird sich durch die Bischofssynode zur Jugend wenig ändern, vielleicht etwas mehr „herrschaftskritische Tendenz“ (Grethlein) einfließen. Aber der Hinweis in der Regel des hl. Benedikt mag auch dem synodalen Vorgang eingeschrieben werden, dass nämlich „der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist“ (Regula Benedicti, Kap. 3). Man darf gespannt sein, ob und wie dem ausdrücklichen Votum der Jugendsynode gefolgt wird, dass auch Jugendliche zu Mitgliedern der Bischofssynode berufen werden. Damit würden sich neue Chancen für die Partizipation von Jugendlichen eröffnen, die ihre Rückwirkung auf Gemeinde- und Diözesanebene nicht verfehlen werden.

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