Magische Kirchen in München. Fritz Fenzl

Magische Kirchen in München - Fritz Fenzl


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nie zufällig da, wo sie stehen, alte katholische Kirchen schon zweimal nicht. Und manchmal ist der magische Ort der Kirchengründung gar für die Stadtgründung mit verantwortlich. Doch davon später mehr.

      Weil hier in Vor-Neuhausen Winthir, der Wanderprediger, eine Klause gründete – nicht allzu weit entfernt von der magischen Achse zum späteren Nymphenburg, wo dann das wundersame Schloss wachsen wird, das damals wie heute Menschen in den Bann zieht und die seltsame Magdalenenklause hervorbringen soll, – wollen wir uns (von dem gewählten geistigen Standpunkt: Künstlerstadt München kurz vor der Wende um 1900 herum) einmal anschauen, welche Welt-Stadt München war.

      Und eben nicht von Bogenhausen aus – samt der Stuckvilla und dem Hildebrandhaus; auch dem St. Georgskircherl mit dem magischen Künstlerfriedhof – nicht von Osten, sondern von Westen aus werden wir uns hineindenken. Warum – darauf sollen Sie dann selber kommen.

      Schauen Sie sich einen Stadtplan an oder den Plan dieses Buches und »gehen« Sie stets von Nymphenburg aus.

      Oder, wenn Sie einmal in der Stadt sind, immer mit der Michaelskirche als Zentrum. Warum, dies werden Ihnen all die folgenden Zeilen (und das, was dazwischen gemeint ist) erschließen.

      Aber nun zurück zum Kunst- und Künstlerfürsten-München und zurück zu der Frage, welche Religion denn hier dominiert:

      – 7 –

      Als München wirklich Weltstadt war.

      (Und nicht nur als solche bezeichnet wurde wegen des Fremdenverkehrs)

      Fangen wir nochmals so an: Damals, als München Weltstadt war …

      War, nicht ist! Noch 1930, als die traumverlorene, weltbeeinflussende Kunst-ist-München-Ära längst vergangen und die Zeiten, wie eine Chronik festhält, »sauer« geworden sind, haben in München noch 3000 bildende Künstler gewohnt. Immerhin ein Drittel aller damals in Deutschland lebenden Kunstschaffenden!

      19. und 20. Jahrhundert: Gottfried Keller, Paul Heyse bis zu Thomas Mann … München selbst als bevorzugter Schauplatz von Künstlerromanen und Künstlernovellen. Dann weilte hier (und am Starnberger See bei Ammerland) der Malerpoet Pocci … und viele, viele mehr.

      Namen wie Kobell, Stieler, Thiersch, Zumbsch, Schwind, der ein Freund Schuberts war, Lachner, Mörike, Kaulbach, List … in einer von Gärtner oder Schwanthaler längst vorgeprägten Magie des Daseins und Erschaffens! Überprüfen Sie einmal, wenn Sie an Schwanthaler denken, die Orts-Magie der Bavaria und ihrer Umgebung! Oder die Burg Schwaneck bei Pullach am Isarhochufer. – Schwaneck, Ort zahlreicher Ritterfeste, übrigens mit einer nennenswerten, bis heute erhaltenen Kapelle. Denn Raum für den geistigen Rückzug gehört zu jeder Burg.

      – 8 –

      Künstlerfürsten: Die Päpste und Kardinäle des damaligen Life-Style!

      Die soziale Stellung eines Künstlers oder gar Künstlerfürsten schwang sich in nie gekannte Höhen:

      Längst war alles geprägt durch Geistesherrscher – auch religiöse Denkfürsten! – wie Thiersch, Schelling, Görres, Döllinger, Pettenkofer …

      Und dann diese grandiosen Künstlerfürsten um 1900, oh hätte ich gerne einen von ihnen kennengelernt (ich kenne nur Nachfahren, weil ich Allotrianer bin und verrückt auf Bilder aus dieser Zeit):

      Kaulbach, Piloty, Lenbach und Stuck, sie erschienen als wahre Künstlerfürsten, den Raum und die Zeit beherrschend, vor allem die Puppen tanzen lassend.

      »Man könnte eine eigene Kulturgeschichte der Münchner Künstlerhäuser entwickeln …«, schreibt Norbert Lieb in dem Klassiker des Jahres 1952 »München. Lebensbild einer Stadtkultur«, München 1952, S.174. – Und Recht hat er.

      Es reizt mich, an genau dieser Stelle die »Allotria« zu erwähnen, jene legendäre Künstlergesellschaft, die bis heute hoch aktiv und immer schon über die Grenzen räumlich – und mehr noch geistig – weit hinausragend war, ist, sein wird. Sie schuf sich durch Lenbachs Initiative einen profanen Sakralraum, das Künstlerhaus, in dem Kunst mit eigenen Liturgien zelebriert wurde … mit der Kirche allerdings hatten die frechen Freigeister nichts am Hut.

      »Die berühmteste Gesellschaft war die 1873 von Gedon, Seidl und dem Maler Rudolf Seitz gegründete »Allotria«. Gabriel Seidl war der Baumeister, Lenbach der wichtigste Förderer des 1893–1901 errichteten »Künstlerhauses«, das in seiner Lage und Außenerscheinung wie in seiner Ausstattung die ganze Höhe Münchner Künstlerlebens an der Jahrhundertwende repräsentierte.« (Lieb: München. Lebensbild einer Stadtkultur, a.a.O., S.177/178)

      Lenbach! Seine Gestalt mutet tizianisch an. Sogar Bismarck suchte ihn auf und den damaligen Papst hat er malen dürfen.

      Den Papst!

      Betrachten Sie nun auf dem Stadtplan die kühne Lage des Künstlerhauses (Lenbachplatz) im geometrischen Schnitt-Zentrum eines gleichseitigen, pyramidenspitzen Dreiecks mit St. Bonifaz an der Spitze (siehe dort), der Herzogspitalkirche und St. Michael (siehe da) die Basis bildend.

      Siehe auch unter: »Lauter Dreiecke, Dreifaltigkeiten, dreifaches Wissen in Einem!«

      – 9 –

      Liturgie (Selbst-Inszenierung) und Kunst gehören zusammen, in München sowieso.

      Schon ist er wieder da, der uralte Bezug: Kunst – Genie – Inszenierung – Liturgie – Kirche – magischer Ort, – und München, die magische Föhnstadt, die am klassischen magischen Kraftort, dem Petersbergl nämlich, ihren kometengleichen Anfang und Aufstieg quer durch viele Jahrhunderte nahm: Denn Münchens Künstlerfürsten waren Weltmeister im Sich-Selber-Inszenieren am bewusst gewählten Kraftplatz. Denken Sie jetzt nur an die Lenbach- und die Stuckvilla und deren fast unverschämt wissend gewählte Standorte! (Für den, der’s weiß.)

      Und die Kirche war immer schon weg-weisend in der »Kunst« der Selbstinszenierung – und dazu gehört, quasi als Grundübung, die rechte Wahl des magischen Ortes.

      Sonst allerdings, wie gesagt, hatte die freigeistige Allotria mit der Kirche nichts zu schaffen, denn man dachte hier alles andere als dogmatisch. Erinnern Sie sich nur an Wilhelm Busch (ebenfalls Allotrianer!) und seinen beißenden Spott auf alles Klerikale!

      Es gibt ein neueres Foto, auf dem sich Andy Warhol und Joseph Beuys ehrfürchtig vor das berühmte Familienporträt von Lenbach stellen, um mit diesem Künstler-Magier posthum auf einer Stufe zu stehen. Lenbach, der handwerkliche Könner (Kunst kommt von Können, nicht von Wollen) – und der schier hemmungslose Selbstdarsteller. Und was haben wir heute: Selbstdarsteller genug … aber auf welchem Niveau? Event-Kasperl … Eintagsfliegen des postmodernen Münchentums.

      Aber die Kraft (heutiger Sprachgebrauch: die power) ist viel, viel älter.

      Warum dieser Ausflug zu den selbsternannten und dann auch so behandelten Kunstgöttern: Sie wären ohne die klerikale Selbstinszenierungs-Genialität, die an der Isar immer schon selbstverständlich war, gar nicht vorstellbar geworden.

      Kunst lebt von der Liturgie.

      Und Liturgie ist eine Kunst.

      – 10 –

      Auch Kirchenbau ist Inszenierung – in Bayern und München allemal!

      Wenden wir uns also dem standfesten Gegenteil des Vergänglichen zu, das ist der

      Glaube und dessen steingewordene Materialisation: Der Bau der Kirche, der Kirchenbau. In München, selbstredend, ein Kapitel für sich.

      Denn auf den Standpunkt kommt es an, immer! Und keine Kirche steht zufällig da, wo sie steht. Eine alte Kirche nie.

      Stellen Sie sich aber jetzt bitte nicht auf einen »Münchner Kunst- und Kirchenführer« ein, der Ihnen akribisch beschreibt, wann die letzte Renovierung einer Kirche, die Sie heute besuchen wollen, abgeschlossen wurde und warum und wie.

      Sensationelle Erkenntnisse bietet übrigens das soeben frei gegebene Foto-Archiv vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte (»Adolfs Diasammlung«) von insgesamt 40.000 Farbfotos, darunter die Münchner Kirchen vor (!) der Zerstörung. Siehe Abendzeitung


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