Weit- und Schaumschläger. Thomas Marterer
Ich habe mich immer gefragt, wie ist das eigentlich möglich: Ein Mitspieler sieht, dass der Abschlagende im Begriff ist, von außerhalb des Abschlags zu schlagen – er macht ihn aber nicht darauf aufmerksam, sondern wartet in aller Ruhe den Abschlag ab, um dann genüsslich zu verkünden: „Dein Tee befindet sich vor der Abschlagsmarkierung!! – Zwei Strafschläge!“
Was um Gottes Willen hat eine solche Verhaltensweise mit dem Spirit of the Game zu tun? Rein gar nichts! Hier zeigt das Alphamännchen seine Macht, der Wadenbeißer betreibt Frustabbau. Keine Frage, wenn die Regel nicht eingehalten wurde, so ist dies zu sanktionieren (zumindest im Turnier). Aber warum hilft man dem Mitspieler nicht dabei, den Regelverstoß zu vermeiden, indem man ihn v o r dem Abschlag auf seine Ballpositionierung hin anspricht??
Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass der Regelverstoß tatsächlich erst nach dem Abschlag beobachtet wurde, bieten sich andere Vorgehensweisen an. Zum Beispiel: „Aus meinem Blickwinkel heraus sah es so aus, als ob Du den Ball von vor der Abschlagslinie geschlagen hättest. Du weißt ja, dass dies dann zwei Strafschläge nach sich ziehen würde. Ich kann mich aber auch geirrt haben. Wie siehst Du das?“
Auf diese Weise würde man es vermeiden, einem unbedarften Anfänger das Spielergebnis und die Spielfreude zu vermiesen, ihn aber gleichzeitig auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen, so dass er dieses für die Zukunft korrigieren kann. Er kann dann immer noch mit sich selbst abmachen, ob er ein Spielergebnis unter akribischer Regelanwendung oder ein geschöntes Ergebnis („das hab ich ja nicht mit Absicht getan“) präferiert. Streit und dessen negative Auswirkungen auf das eigene Spiel werden vermieden.
Mir ist bewusst, dass ich mit dieser laxen Einstellung bei den Regelpäpsten einen Aufschrei provoziere. Regeln sind immer anzuwenden! Es werden keine Ausnahmen gemacht! Aber, hey, Regelpäpste: 1.) lässt sich Einfühlungsvermögen nicht wirklich reglementieren und 2.) Nein, ich habe nicht gegen Regel 1-3 „Übereinkunft über Nichtanwendung von Regeln“ verstoßen. Denn: Aus meinem Blickwinkel heraus war die Ballposition tatsächlich nicht exakt zu bestimmen …
Ball im Wasserhindernis
Eine vergleichbare Situation gibt es im Wasserhindernis: Der Ball befindet sich jenseits der farbigen Markierungen, ist aber noch spielbar, weil nicht im Wasser befindlich. Ein hier immer wieder, nicht nur bei Anfängern, gern gemachter Fehler ist es, den Schläger vor dem Schlag im Hindernis aufzusetzen. Dies ist nach Regel 13-4 unzulässig und wird wiederum mit zwei Strafschlägen geahndet.
Im Unterschied zum Abschlag von fünf Zentimetern vor der Abschlagsmarkierung verschafft sich der Bewerber durch das Aufsetzen des Schlägers im Hindernis aber einen deutlichen Vorteil durch die somit erhöhte Schwungstabilität. Insofern würde ich es selbst bei Anfängern nicht als Wadenbeißerei ansehen, diesen Verstoß zu ahnden. Regelkundigkeit hätte hier geholfen, Stress zu vermeiden!
Aber auch hier gilt: Wird die Tendenz zum Regelverstoß bereits vor dem Schlagen erkannt, können dezente Hinweise („Du weißt ja, dass man den Schläger im Hindernis nicht aufsetzen darf“) unschöne Verbalkollisionen in der Folge vermeiden helfen. Gelingt es dem Spieler anschließend unter Regeleinhaltung einen sauberen Schlag zu produzieren, so ist die Freude hierüber gleich um einiges größer als im Falle eines erschlichenen Spielerfolges.
Merke: Ein regelkundiger Spieler hat das Zeug sowohl zum beliebten als auch zum glücklichen Spieler!
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