Die zeitlose Ayurveda-Küche. Alexander Pollozek
Restaurants Europas nach ayurvedischen Kriterien gekocht
Die Speisen sind, wie in jeder anderen Küchentradition, meist einseitig oder unzeitgemäß zubereitet. Indische Gerichte sind oft viel zu fett. Sie werden in Joghurt oder Sahne gekocht, mit säuernden Tomatensoßen, Brot aus Weißmehl, zu scharf oder schlichtweg überwürzt und mit in altem Frittierfett gebackenen Zutaten serviert. Die Nachtische sind üppig und oft viel zu süß.
Erstaunlich ist, dass diese Küche dennoch vielen Europäern weitaus besser bekommt als jede westliche Fast-Food-Küche. Das liegt vermutlich an den Juwelen der Verdauung – den Gewürzen.
das Prinzip der unterschiedlichen Energetik von Lebensmitteln zu verstehen, erwünschte Eigenschaften gezielt hervorzuheben oder durch einfache Kunstgriffe (z. B. mithilfe von Antidots) Ausgleich zu schaffen. Dieses Prinzip lässt sich auf jede Kochtradition übertragen, sofern man sich mit Energetik befasst. Das haben wir für Sie in wochenlanger Recherche getan.
Ayurvedisch kochen können Sie überall auf der Welt. Indisch kocht man besser nur für indische Mägen. Ayurvedisch kochen heißt stets, ein sensibles Gleichgewicht zwischen Genuss, Sättigung, Befriedigung der Sinne und einem individuellen Maß an Zuträglichkeit zu finden. Die Auswahl der Speisen sollte sich überwiegend auf die Nahrungsmittel heimischer Herkunft, entsprechend der saisonalen Erntezeit, beschränken.
Die vorherrschende Qualität der Jahreszeit bestimmt die Art der Zubereitung:
• warme, ölige Speisen und Gewürze im Herbst und Frühwinter – der Vata-Zeit,
• kühlende Speisen, mehr Rohkost und Früchte im Sommer – der Pitta-Zeit,
• trockene, leichte, schleimlose, eiweiß- und fettarme, gut gewürzte Speisen im Spätwinter und Frühjahr – der Kapha-Zeit. (Näheres dazu siehe Kap. 3, S. 90, 118 ff. 122 ff.).
Speziell in den asiatischen Kochtraditionen kommt genau das gleiche Prinzip zum Einsatz. Chinesen und Japaner haben ebenso feingliedrige Energetiksysteme. Energetisch ausgewogen zu kochen ist also keineswegs nur eine indische Fähigkeit.
Ayurveda und die Azidose/Anti-Milch-Propaganda
Anhänger der sogenannten Azidosetherapie (sie dient der Entsäuerung des Körpers) vertreten die These, dass insbesondere das Milcheiweiß vom erwachsenen Menschen nicht aufgespalten werden kann. In der Folge würden die Lymphgefäße verkleben. Der Zwischenzellraum würde mit zahllosen sauren Schlacken und Zelltrümmern überflutet. Das wird als Grundlage allen zivilisatorischen Übels angesehen. Man rückt den „Milcheiweißsündern“ mit unangenehmen Azidosemassagen zu Leibe, untersagt ihnen den Verzehr von Milchprodukten und verabreicht Basenpulver. Auf diese Weise meint man, den Übeltäter namens „Azidose“ erfolgreich bekämpfen zu können. Aber warum trifft das nur auf einen Teil der Bevölkerung zu? In der Lebensmittelbranche und auch in der klassischen Schulmedizin befasst man sich nur selten mit der Konstitutionslehre.
Die Milchverachtung hat auch genetische Ursachen
Um Milch bzw. den darin enthaltenen Milchzucker überhaupt verdauen zu können, wird das Enzym Lactase benötigt. Dieses Enzym fehlt vielen Völkern rund um den Globus, besonders den Afrikanern, den Chinesen, den Indianern, den Aborigines Australiens und den Ostasiaten – mit Ausnahme der Inder und der Nordeuropäer.
Wird die Laktose nicht aufgespalten, kommt es zu Darmspasmen, Blähungen und Durchfällen. Das Milcheiweiß beginnt im Darm zu gären, führt zu Flüssigkeitsansammlungen und sehr schmerzhaften, kolikartigen Symptomen.
Warum fehlt so vielen Menschen das Enzym Lactase? Die Fähigkeit nordeuropäischer Erwachsener, Milch zu verdauen, ist eine junge entwicklungsgeschichtliche Anpassung. Kein Säugetier verträgt im Erwachsenenalter Milch. Auch unsere Vorfahren sind als Erwachsene über Generationen ohne Milch ausgekommen. Eine populärwissenschaftliche These behauptet, dass die Umstellung unseres Körpers vor 10.000 Jahren mit der Sesshaftigkeit, also durch Ackerbau und Viehzucht, begann. Die Rinder dienten zunächst als Arbeitstiere, später, und besonders in Notzeiten, als Fleisch- und Milchlieferanten. Nur die Menschen in der nördlichen Hemisphäre überlebten, die Milch als primäre Proteinquelle problemlos trinken und verdauen konnten.
Die Mittelmeervölker vertragen hingegen Milch nicht so gut; Käse oder Joghurt sind dagegen weniger ein Problem. Eine Erklärung der Genetiker ist das Wetter. Im Nord-Süd-Gefälle Europas ist die Sonneneinstrahlung sehr unterschiedlich. Die Haut produziert bei Sonneneinstrahlung Vitamin D, was für die Kalziumaufnahme im Dickdarm wesentlich ist. Durch die helle Haut können wir auch bei geringer Sonnenstrahlung mehr UV-Licht absorbieren. Dies reicht aber trotzdem nicht aus, um uns vor Vitamin-D-Mangel (Rachitis) oder Kalziummangel (Osteomalazie) zu schützen. Hier kommt die Milch ins Spiel: Sie enthält große Mengen an Kalzium. Andererseits erleichtert die Lactase die Kalziumaufnahme im Darm erheblich. Die Anpassung unserer Erbanlagen durch unsere helle Haut und das Enzym Lactase brachte uns immerhin 2 % Überlebensvorteil. Dieser Prozess dauerte etwa 5.000 Jahre.
Aus ayurvedischer Sicht kann man in Sachen Ernährung und Therapien nichts zum allein selig machenden Wunderheilmittel erheben Die Kuhmilch wird in der ayurvedischen Ernährungslehre als wertvolles Nahrungsmittel eingestuft – allerdings unter bestimmten Voraussetzungen und nicht für jedermann zu jeder Zeit (weiteres siehe S. 172 und S. 336,). Keine einzelne Diät- wie Therapierichtung kann allen Menschen gerecht werden. Die Antwort liegt in der Betrachtung der individuellen Konstitution – dem genetisch determinierten, individuellen Reiz-Reaktions-Muster eines jeden Menschen (siehe Kap. 2, S. 41 ff.).
• Der Kapha-Typ mit seiner lymphatischen Konstitution sollte Milchprodukte generell eher meiden (Näheres siehe „Prakruti-Typtest“, S. 68 ff.). Er neigt zur Verschleimung der Atemwege, zu vermehrter Lymphaktivität, Ödemen, Diabetes, Stoffwechselträgheit, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Milch besteht wie Kapha aus dem Erd/Wasser-Element. Gleiche Qualitäten verstärken einander. Milch ist süß, schwer, kalt, träge, leicht ölig, schleimig.
• In der Kapha-Jahreszeit erzeugen Schleim vermehrende Nahrungsmittel wie Milchprodukte zahlreiche vermeidbare Krankheiten. In Westeuropa ist das die Zeit vom 1. Februar bis 1. Juni jedes Jahres. Schon in christlichen Urzeiten war das die klassische Fastenzeit. Besonders Kapha-Typen haben in dieser Jahreszeit die o. g. Beschwerden. Aber auch Pitta- und Vata-Typen können bei regelmäßigem Verzehr von Milchprodukten gesundheitliche Probleme bekommen. Vermehrte Magen-Darm-Infekte, periodische Erkältungen, Nebenhöhlenentzündungen, Heuschnupfen o. Ä. treten gehäuft in der Kapha-Jahreszeit auf. Wenn man in jener Zeit weitgehend auf Milchprodukte verzichtet, bleiben erstaunlich viele Symptome aus.
• Milch wirkt, kalt getrunken, wie Gift.
Milch sollte stets allein und mit bestimmten schleimlösenden Gewürzen aufgekocht werden. Dann bezeichnet man Milch als Amrit (Leben spendenden Nektar). Milchprodukte dürfen auf keinen Fall mit bestimmten Nahrungsmitteln kombiniert werden (siehe Kap. 3, S. 144-145