Lebendige Seelsorge 5/2020. Erich Garhammer

Lebendige Seelsorge 5/2020 - Erich Garhammer


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kostet. Sie brauchen Zeit, die Männer oft nicht haben oder sich nicht nehmen.

       DIE SCHEU VOR NÄHE

      Nicht wenige Männer haben Angst vor zu viel Nähe zu anderen Männern und unser Thema hat auch mit der Homophobie zu tun, der Angst schwul zu sein bzw. als schwul zu gelten. Unter Jugendlichen ist heute noch das schlimmste Schimpfwort: „Du schwule Sau!“ Diese Angst sitzt tief und sie wurzelt vielleicht sogar in einem existentiellen Faktum. Wir alle werden von einer Frau geboren und das macht einen Unterschied. Für die Mädchen ist die Mutter eine Person desselben Geschlechts. Sie haben in der Mutter eine geschlechtliche Identifikationsfigur: Sie dürfen werden wie Mama; auch wenn sie später genau das Gegenteil wollen, aber das nennt man Pubertät. Für Jungen schaut das ganz anders aus. Schon die kleinen Buben merken sehr früh, dass die Mama eine Frau ist und sie ein Mann. So lautet schon sehr früh die Grunddevise des männlichen Daseins: Du darfst nicht werden wie Mama! Darin wurzelt zum einen das bekannte Machotum und die vielen Formen von übertriebenem Männlichkeitsgehabe. Es wirkt, als ob sie sich ständig beweisen müssten, dass sie männlich sind, dass sie nicht sind wie Mama. Oft genug sind es ausgesprochene Muttersöhne, die nie vom Vater die männliche Bestätigung bekommen haben, die ein gefestigtes Mannsein ermöglichen würde, das man nicht ständig beweisen muss und um dessen Verlust man keine Angst zu haben braucht. Eine derart tiefgehende Verunsicherung in der geschlechtlichen Identität gibt es vermutlich bei Frauen kaum.

      Aus genau derselben Quelle wird die männliche Homophobie gespeist. Einmal habe ich das Thema Freundschaft in einer Gruppe junger Männer angesprochen. Zuerst wurde es schnell still, dann auf eine verklemmte Art unruhig, der eine oder andere bekam einen roten Kopf, keiner wollte zuerst reden. Durch mein Nachstoßen wurde es bald eindeutig. Die Gefahr als schwul zu gelten, ist bei jungen Männern wesentlich größer, wenn sie zu viel Nähe untereinander zulassen. Das sei der ausschlaggebende Grund, bekannten sie, warum sie nur „Kollegen“ hätten und keine „Freunde“; zumindest würden sie Freunde nie so benennen.

       DER EINSAME WOLF

      „Männer sind halt einsame Wölfe“, meinte ein anderer aus dieser Gruppe junger Männer und diese Haltung zieht sich durch alle Altersgruppen. Männer haben meist viele Kollegen, und wenn sie ein Bier trinken wollen, sind sie selten allein. Doch im Grunde sind viele von ihnen einsame Wölfe, die allein am Lagerfeuer sitzen und wenig wirkliche Freunde haben.

      Viele dieser Helden sitzen abends am Lagerfeuer und tauschen ihre Geschichten aus. Viel Jägerlatein wird dabei gedroschen. Doch dann muss er das gemeinsame Feuer wieder verlassen und reitet einsam neuen Herausforderungen entgegen. Helden sind meistens allein, nur selten haben sie einen Blutsbruder. Sie sind auch dann allein, wenn sie verletzt sind – innerlich oder äußerlich – und lecken meist einsam ihre Wunden.

      Männer bräuchten Freunde – nicht nur zum Fußball schauen oder Bier trinken, sondern auch für die Gesundheit. Das ging aus einer schwedischen Studie eindeutig hervor: Männer mit guten Freundschaften leben länger. Sie leiden halb so oft unter Herzkrankheiten wie der einsame Wolf. Der lebt ungesund und weder gut noch lange: Der einsame Wolf stirbt eindeutig früher.

       DIE SCHEU VOR GEFÜHLEN

      Die Quintessenz im Gespräch mit den jungen Männern war für mich die Aussage: „Männer wollen andere Männer nicht mit Gefühlen belasten.“ Damit haben sie zweifellos etwas Entscheidendes benannt.

      Einerseits stehen wir Männer oft genug vorerst als Konkurrenten einander gegenüber und da gilt es cool zu bleiben, nicht zu viel preiszugeben. Wenn Männer zusammenkommen, sind sie im Normalfall zuerst einmal Konkurrenten. Das geschieht heute sehr subtil, aber man klopft sich mehr oder weniger gegenseitig ab, sondiert das Revier und unter dem Strich geht es um die Rangordnung, um den Platz auf der Hühnerleiter. Es ist vorerst fast, als würden sich Ritter in Rüstungen gegenüberstehen, das Visier vorsichtshalber erst mal unten; es könnte ja auch gefährlich werden. Es wird, wenn auch sehr dezent, gerangelt, die Hierarchie ausgetestet; jeder muss schauen, auf welche Sprosse der Hühnerleiter er gehört. Dabei ist ganz wichtig: Sich ja nicht blamieren! Auch wenn man sich nach gewisser Zeit oder ein paar Bier schulterklopfend in den Armen liegt, bleibt oft genug das Innerste ausgespart, der persönliche Bereich versperrt. Wer da zu schnell Gefühle bekundet, könnte sich vor den anderen lächerlich machen.

      Warum verschont man sich aber auch unter Kollegen mit den eigenen Gefühlen? Es sind vermutlich tiefe Ängste, die uns da hemmen. Die Angst, uns lächerlich zu machen, die Angst, die Kontrolle zu verlieren und die Angst zu überfordern. Denn es sind nicht immer nur laue Lüftchen, die in uns wehen. Nicht zuletzt ist es auch das traditionelle Männerbild, das von uns die Kontrolle der eigenen Gefühle verlangt.

       DAS GEWEIH AN DEN ZAUN

      Das Zusammensein mit Kumpeln und Kollegen ist ein wesentlicher Teil unserer Männerkultur. Das sollte auch nicht abgewertet werden, auch wenn es manchmal eher oberflächlich wirken mag. Im Zusammensein von Männern läuft unter der Oberfläche mehr als es vordergründig den Anschein hat. Es tut Männern schon gut, wenn sie ihre Reviere haben, wo die Platzhirsche das Geweih an den Zaun hängen dürfen und sie auch aus der verdeckten Rivalität aussteigen können.

      Manchmal dürfte es aber auch ein bisschen mehr sein, mehr Nähe, mehr Vertrautheit, näher dran – auch am Eingemachten. Einmal habe ich gelesen: „Ein Freund ist einer, der alles von dir weiß und der dich trotzdem liebt.“ Das gilt zwar für meine Frau auch, aber es ist auch schön, so einen Mann zu haben. Es ist eine Beziehung, um die ich nicht buhlen muss, wegen der ich mich nicht verstellen muss und die verlässlich ist. Dazu muss man etwas investieren, aber es lohnt sich.

       Männer-Freundschaften und die Frage nach ihren gesellschaftlichen Implikationen

      Ich hatte Freude, als ich den Artikel von Markus Hofer gelesen habe. Seine wohlwollenden und zugleich kritischen Analysen der Männer-Freundschaften in einer eindrücklichen und bildreichen Sprache konnte ich gut nachvollziehen. Er führt in Erfahrungen einer Männerwelt ein, die ich nur von außen kenne, der ich aber doch auf Schritt und Tritt begegne. Gerade für die Pastoral und die kirchliche Männerarbeit sind seine Analysen und Differenzierungen sehr hilfreich.

      Der Artikel regt zum Nachdenken und Weiterdenken an. In dieser Replik möchte ich der Frage nachgehen, welche Implikationen die beschriebenen Männer-Freundschaften für Frauen und die Gesellschaft haben. Doch zunächst möchte ich bei den gemeinsamen Elementen von guten Freundschaften zwischen Männern und zwischen Frauen ansetzen, die in den beiden Artikeln deutlich geworden sind.

      Hofer beschreibt eine echte Freundschaft zwischen Männern als Nähe, Vertrautheit und Verlässlichkeit. Sie ist eine Beziehung, in der sich niemand verstellen muss, um die man nicht buhlen muss. Sie ist keine funktionale oder interessenbezogene Beziehung, sondern setzt die Entscheidung voraus, eine tiefere Verbindung zu einem anderen Mann einzugehen. Ein Freund ist jemand, „der alles von dir weiß und dich trotzdem liebt“, vor dem man seine Schwächen nicht verbergen muss und der einen trotzdem akzeptiert. Freunde können sich ohne Angst vor Blamage einander öffnen, die Übereinstimmung zwischen den Freunden kann sich aber auch im gemeinsamen Schweigen ausdrücken.

      Diese Aspekte können auch in der Freundschaft zwischen Frauen gefunden werden. Es gibt also Gemeinsamkeiten, aber es gibt auch Unterschiede zwischen Männer-Freundschaften und Frauen-Freundschaften, die in unterschiedlichen geschlechterspezifischen Kulturen liegen. Das Problem dabei sind nicht die Unterschiede an sich, sondern die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, in denen sie wirken, bzw. die sie bewirken. Freundschaften sind eine sehr persönliche Angelegenheit, aber sie haben auch gesellschaftliche Implikationen, über die Hofers Text wenig sagt, durch die aber Machtverhältnisse zementiert werden. Welche gesellschaftliche Funktionen können Männer-Freundschaften haben, und wie gehen Frauen damit um?

      Hofer spricht zunächst im weiteren Sinn von freundschaftlichen Männerbeziehungen, von Kumpeln, Kollegen und Kameraden. Hier gibt es ein unkompliziertes Zusammensein unter Männern. Sie sind letztlich funktional ausgerichtet und mit der Pflege gemeinsamer Interessen verbunden, wie


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