Netzwerke in pastoralen Räumen. Miriam Zimmer
Miriam Zimmer/Matthias Sellmann/Barbara Hucht
Netzwerke in pastoralen Räumen
Herausgegeben von
Prof. Dr. Matthias Sellmann
und Dr. Martin Pott
Angewandte
Pastoralforschung
04
Miriam Zimmer Matthias Sellmann Barbara Hucht
Netzwerke in pastoralen Räumen
Wissenschaftliche Analysen – Fallstudien – Praktische Relevanz
echter
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©2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlaggestaltung Peter Hellmund
ISBN 978-3–429-04336-0 (Print)
ISBN 978-3–429-04911–9 (PDF)
ISBN 978-3–429-06331-3 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
Inhalt
Einleitung
Miriam Zimmer, Matthias Sellmann, Barbara Hucht
WISSENSCHAFTLICHE ANALYSEN
Netzwerkforschung und Pastoraltheologie
Eine Diskursanalyse aus Sicht der Soziologie
Miriam Zimmer
„Christsein in strukturellen Löchern“ oder:
Die pastoraltheologische und pastoralplanerische Bedeutung der soziologischen Netzwerktheorie
Matthias Sellmann
FALLSTUDIE
„Pastoral vernetzt“
Interne und externe Beziehungen von Kirche zum Thema Krankheit im Sozialraum
Miriam Zimmer
PRAKTISCHE RELEVANZ
„Vertrauen und Verantwortung“
Die Idee der Netzwerkmoderation im Zukunftsbild des Erzbistums Paderborn
Barbara Hucht
Beziehungsprofile und Positionsanforderungen
Rollenbewusstsein in sozialen Netzwerken entwickeln
Miriam Zimmer
Wissen, Können und Motivation
Netzwerkkompetenzen stufenweise ausbauen
Miriam Zimmer, Matthias Sellmann, Barbara Hucht
Fazit und Ausblick
Miriam Zimmer, Matthias Sellmann, Barbara Hucht
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Miriam Zimmer, Matthias Sellmann, Barbara Hucht
Einleitung
Netzwerke sind heutzutage in aller Munde. Medien, Stadtquartiere, Wirtschaftsstandorte und Tourismusregionen bilden Netzwerke – nicht nur, um individuelle Chancen zu verbessern, sondern auch, um vor allem gemeinsame, übergeordnete Ziele zu erreichen. Netzwerke versprechen die Kumulation geballter Ressourcen, Vitalität und Innovation. Auch kirchliche AkteurInnen haben das Netzwerk als neue Strategie für sich entdeckt. Der Bedeutungsverlust der Kirchen in der heutigen Gesellschaft ist unabweisbar. Viele Menschen wenden sich von der einst so relevanten und mitgliederstarken Institution ab. Die katholischen Bistümer kämpfen sowohl gegen Priester- als auch gegen Gläubigenmangel und reagieren strukturell mit einer drastischen Vergrößerung der pastoralen Räume. Hier funktionieren jedoch alte pastorale Arbeitsformen nicht mehr und es stellt sich die Frage, wie sich in diesem Wandel angemessene neue Seelsorgebeziehungen gestalten lassen. Neue, der modernen, pluralen und individualisierten Gesellschaft angepasste Formen der religiösen Vergemeinschaftung werden entwickelt und ausprobiert.
Als mögliche Organisationsform dieser großflächigen Räume werden daher zunehmend netzwerkartige Strukturen propagiert (vgl. z. B. Zukunftsbild Paderborn, Köln, München-Freising, DBK-Papier „Gemeinsam Kirche sein“): Als fluide, offene und dezentrale Struktur sollen sie eine neue, lebendige Form der Interaktion von verschiedensten AkteurInnen in Bezug auf kirchliche und gesellschaftliche Themen befördern und dadurch Kirche handlungsfähiger machen. Auch im universitären, pastoraltheologischen Diskurs gelten Netzwerke als zukunftweisend. In der Debatte über die neue Sozialität kirchlicher Akteurinnen, kirchlicher Veranstaltungen und Gruppen wird auch an den theologischen Fakultäten im Netzwerk die Sozialform der Zukunft gesehen. Was dem Netzwerkbegriff aber für pastorale Zusammenhänge vor allem fehlt, ist eine konzeptuelle und praktische Konkretisierung. Was ist ein Netzwerk? Welche sind seine Komponenten? Was kann ein Netzwerk – und was kann es nicht? Wie kann man Netzwerke bilden oder bestehende Strukturen verändern? Sowohl die akademische als auch die praktische Auseinandersetzung bleibt Antworten auf diese Fragen bisher weitgehend schuldig.
Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) und das Erzbistum in Paderborn versuchen im Kooperationsprojekt „Pastoral vernetzt“, Klarheit in diese Debatte zu bringen. Im Februar 2014 ist das Kooperationsprojekt „Denken in Netzwerkdynamiken als Steuerungsmodell großer pastoraler Räume“ gestartet. Als Pilotprojekt begleitet es den Umsetzungsprozess des im selben Jahr veröffentlichten Zukunftsbildes der Diözese Paderborn mit wissenschaftlicher Fundierung und in der pastoralen Praxis verwertbaren Erkenntnissen. Das Zukunftsbild ist das Resultat des zehnjährigen Konsultationsprozesses „Perspektive 2014“, in dem Mitglieder des Erzbistums aus verschiedensten Orten und VertreterInnen unterschiedlicher kirchlicher Ebenen über die Zukunft der Diözese berieten. Die Paderborner Veröffentlichung stellt die Arbeitsprämisse und das Leitbild der zukünftigen diözesanen Arbeitsweisen auf struktureller und inhaltlicher Ebene vor. Im Kooperationsprojekt findet nicht nur die theoretische Auseinandersetzung mit dem soziologischen Netzwerkbegriff statt; auch wurde im Erzbistum Paderborn bereits eine empirische Fallstudie durchgeführt, in deren Folge dort nun modellhaft Netzwerkmoderation praktiziert und reflektiert wird. Dieses Buch präsentiert die ersten Ergebnisse des Projektes. Es ordnet sie in aktuelle pastoraltheologische Debatten ein und bietet praktische Erkenntnisse und Ansatzpunkte zur konkreten Gestaltung kirchlicher Arbeitszusammenhänge in Kooperationen und Interaktionen.
Das Buch nimmt damit aktuelle innerkirchliche und pastoraltheologische Diskurse auf, reiht sich zugleich in kirchensoziologische und ekklesiologische Debatten über neue Sozialgestalten von Kirche ein und versucht die begriffliche Schärfung und Konkretisierung des Netzwerkkonzeptes aus mehreren Perspektiven. So wandelt sich Kirche und ihr Agieren vom institutionellen Akteur,1 der individuelle Wertesysteme und die persönliche Lebensgestaltung langfristig prägt, zum organisationalen Anbieter und Kooperationspartner, dem neue Erwartungen entgegengebracht werden.2 Diese neuen Interaktionsformen und - anforderungen können mithilfe der soziologischen Netzwerktheorie und ihrer empirischen Methoden sichtbar und verständlich gemacht werden. Die organisationssoziologische Frage, ob und inwiefern das Netzwerk an sich im soziologischen Sinne eine genuine Sozialform darstellt, muss hier weiter offenbleiben, ist jedoch in diesem Zusammenhang auch nicht von elementarer