Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche. Группа авторов
zur Teilnahme am Konzil beurlaubt.“38 Erwähnung fand bei dieser Konferenz allerdings nicht, dass der Erfurter Professor Dr. Erich Kleineidam39 seit dem 8. März 1961 zum Mitarbeiter in der Vorbereitunsgkommission „De Studiis et Seminariis“ berufen worden war.40 Er, der bisher seine Mitarbeit auf „schriftlichem Wege“ erledigt hatte, war durch Kardinal Pizzardo zu der Sitzung vom 26. Februar-20. März 1962 nach Rom eingeladen worden, erhielt aber trotz Intervention von Weihbischof Freusberg und Prälat Zinke41 keine Ausreisegenehmigung. Dr. Werner Becker42, Oratorianer aus Leipzig, der 1961 Konsultor im Sekretariat für die Einheit der Christen wurde, war erst zur 2. Sessio in Rom. Man durfte gespannt sein, wie der Staat die Reiseanträge der Konzilsteilnehmer behandeln würde.
Auf der Septemberkonferenz der BOK (19./20. September 1962) teilte Erzbischof Bengsch den Teilnehmern mit, dass er am 14. September 1962 aus Anlass der Reisegenehmigung zum 2. Vatikanischen Konzil ein Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen geführt habe und die Erteilung der Reisegenehmigung für alle zwölf vorgesehenen Konzilsteilnehmer mit Sicherheit zu erwarten sei.43
Der Bericht, den Erzbischof Bengsch der BOK vorlegte, machte bereits deutlich, welche Absichten die DDR mit einer Teilnahme der katholischen Kirche der DDR verband. Nachdem Bengsch erläuternd darlegte, dass es internationalen Gepflogenheiten entspräche, dass die Bischöfe und Weihbischöfe zum Konzil mit einem Theologen und einem persönlichem Begleiter fahren, formulierte Staatssekretär Seigewasser44 die Erwartungen der DDR-Regierung:
Falls es beim Konzil zu einer Hetze (gegen die DDR) komme, erwarte die Regierung von den Konzilsteilnehmern aus der DDR, dass sie sich daran nicht beteiligen.45
Zweitens bat der Staatssekretär den Erzbischof, seinen großen Einfluss geltend zu machen, dass die Diskriminierung der DDR-Bürger in Bezug auf Auslandsreisen aufhöre. Seltsam mutet es an, wenn der Vertreter des Staates, der seine Bürger nicht reisen ließ, formulierte: „Während Italien die Bischöfe aus der DDR einreisen lasse, würde dies anderen Gruppen etwa Sportlern und Wissenschaftlern nicht gewährt. Diese Auswahl gehe gegen die Souveränität der DDR.“46 Bengsch erwiderte Seigewasser, dass es unmöglich sei, dass das Konzil zu politischen Fragen Stellung nehme; deshalb könne der Weltepiskopat sich auch nicht mit der deutschen Frage beschäftigen. Seigewasser nannte ergänzend für die von der Regierung gewünschte Haltung der Konzilsteilnehmer aus den Diözesangebieten der DDR als Beispiel die Frage der Diözesangrenzen. Er halte es für möglich, dass der polnische Episkopat diese Frage vor das Konzil bringe. Um nicht selbst die Forderung nach Verselbstständigung der Jurisdiktionsgebiete zu erheben, hatte er nicht ungeschickt mögliche polnische Forderungen genannt.
Bengsch erwiderte, „daß der Hl. Stuhl Diözesangrenzen immer nur und deshalb auch bei uns erst nach Abschluß eines Friedensvertrages festlegen würde. Außerdem sei die Frage der Diözesangrenzen in Deutschland konkordatär geregelt und daher eine Änderung durch Konzilsbeschluß nicht möglich”47.
Nach der 1. Sitzung des II. Vatikanischen Konzils gab der Bischof von Meißen einen eingehenden Bericht auf der Konferenz vom 8./9. Januar 1963. Die Konferenzmitglieder, besonders die, die nicht in Rom sein konnten, waren dankbar für die Berichterstattung, die „ihnen einen Einblick in die für die Weltkirche so bedeutsamen Wochen vom 11. Oktober-8. Dezember 1962“48 gab. In dem vorausgehenden Bericht zur kirchenpolitischen Lage war eindeutig die Frage beantwortet worden, was die DDR-Regierung dazu bewogen habe, so relativ freizügig Reisegenehmigungen zu erteilen. Offenbar hat „Moskau die entscheidenden Weisungen gegeben“49, resümiert Erzbischof Bengsch. „Und offenbar hat auch Moskau die Weisungen gegeben, wie sich Regierungen der sozialistischen Länder in der Konzilsfrage verhalten sollten“, ergänzt er. „Nachdem Moskau seit langer Zeit Erfahrungen damit hat, wie man die Russisch-Orthodoxe Kirche vor den Wagen spannen kann, und nachdem man damit in Neu Delhi auch einen beträchtlichen Erfolg erzielt hat, der im Blick auf die neutralen Staaten auf die afro-asiatischen und die Entwicklungsländer als außenpolitischer Erfolg angesprochen werden kann, lag die Frage nahe, wie man beim Konzil zu einem ähnlichen Erfolg kommen könnte.“ „Der Kommunismus hofft, und zwar nicht ganz zu Unrecht“, analysiert der Erzbischof, „daß die Teilnahme der Bischöfe aus sozialistischen Ländern neben der Dämpfung der antikommunistischen Tendenzen auch den Eindruck erzielt: So schlimm können die Kommunisten ja schließlich nicht sein, man wird schon einen modus vivendi finden“.
Auch wenn im Folgenden auf staatliche Versuche, das Konzil zu beeinflussen, kaum noch eingegangen werden wird, sollten die latenten Bemühungen einer staatlichen Vereinnahmung als kirchenpolitischer Hintergrund präsent bleiben.50
Zu den folgenden Sitzungsperioden des Konzils konnten alle ernannten und ausgewählten Teilnehmer reisen. Lediglich vor der 4. Sitzungsperiode einigte man sich, „um die Gefahr politischer Auflagen zu vermeiden, grundsätzlich nur für die gleiche Zahl wie im vergangenen Jahr die Genehmigung zur Reise zu beantragen“51. Dennoch überschritt man die Teilnehmerzahl der 3. Sessio.
2. Reisemodalitäten
Die Anträge auf Erteilung von Reisegenehmigungen wurden gemeinsam eingereicht und durch Prälat Zinke, dem Geschäftsführer des Commissariates der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin, den verschiedenen staatlichen Stellen in Ost- und Westberlin zur Bearbeitung vorgelegt. Bei der Westberliner Behörde handelte es sich um das westalliierte „Allied Travel Office“. Zu den zwei ersten Sitzungen des Konzils wurden die von ihr ausgestellten sogenannten Travel-Dokumente auch mit Duldung der DDR benutzt.52 Die Antragstellung erfolgte einerseits bei der Regierung der DDR zur Aus- und Einreise und in Westberlin andererseits wegen der notwendigen Visa beim Kontrollrat, wobei Anträge an das italienische und österreichische Konsulat und die schweizerische Delegation ausgefüllt werden mussten. 14 Antragsformulare hatte man im Normalfall vorzulegen, dazu 13 Passbilder. Wer bisher keinen Alliierten-Reisepass besaß, musste zudem eine Geburtsurkunde oder einen Taufschein vorlegen. Ein Konzilsteilnehmer beschrieb in seinem Tagebuch das Abholen der Pässe: „Dank für Pässe, Ankunft bei Prälat Zinke, Übergangsscheine. Alle Pässe dort (in Westberlin) sicher, Invalidenstraße zum Kontrollrat. Zu Zinke.“53
Zur 2. Sitzungsperiode weigerte sich zunächst der Staat, die Benutzung der Travel-Dokumente zu gestatten.54 Der Vorschlag, die Visa zur Einreise nach Italien über die Italienische Botschaft in Prag zu besorgen, wurde vom Italienischen Außenministerium abgelehnt. Über die Nuntiatur werde man künftig versuchen, erklärten die kirchlichen Verhandlungsführer, zeitlich befristete Vatikanpässe zu erhalten. Es blieb schließlich beim alten Modus und der Staatssekretär für Kirchenfragen erklärte am 19. September, dass „der Herr Erzbischof sich in Rom anmelden könne“55. Erst zur 3. Sitzungsperiode musste man „Vatikanpässe“ benutzen, da trotz anderer Versuche nur noch diese Möglichkeit übrigblieb56, die auch zur 4. Sessio genutzt wurde. Ausdrücklich betonte der Staat bei der erneuten Weigerung, die „Machenschaften des alliierten Reisebüros torpedieren“57 zu wollen.
Den Teilnehmern aus der DDR war es nicht erlaubt und möglich, über die Bundesrepublik zu reisen. Es blieb der Weg über die frühere Tschechoslowakei, Österreich oder die Schweiz nach Italien. Reiste man per Flugzeug, führte der Weg von Berlin-Schönefeld nach Wien und von dort per Bahn oder Flugzeug – manchmal mit Zwischenstation in Zürich – nach Rom. Die Zugreise begann in Dresden, führte über Prag nach Wien und Innsbruck und von dort nach Italien, wobei in Österreich und Südtirol häufig Pausen eingelegt wurden. Einige Konzilsteilnehmer benutzten das Auto, mussten aber ebenfalls über die Tschechoslowakei durch Österreich oder auch durch die Schweiz nach Italien reisen. Am meisten Aufsehen dürfte der Schweriner Weihbischof Schräder58 mit seinem „Wolga“ erregt haben, einem sowjetischen Auto, das in DDR-Zeiten als „Funktionärsfahrzeug“ galt.
Da im Normalfall DDR-Bürger kein „Westgeld“ besaßen und sogenannte „Devisenvergehen“ strafbar waren, reiste man ohne Geld; lediglich für die über die Tschechoslowakei Reisenden waren Bons ausgegeben, die es ihnen erlaubten, damit Speisen zu erwerben. Manche Schwierigkeiten ergaben sich, wenn man beispielsweise in Österreich oder Italien etwas zu Essen kaufen wollte.