Lebendige Seelsorge 6/2018. Verlag Echter

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äußerlicher, aber unablegbarer Unterschiede wie Herkunft, Abstammung, körperliche Eigenschaften u. ä. unterscheiden rechte Ideologien Menschen hinsichtlich ihrer Rechte und ihrer Würde. Damit sind rechte Politiken nicht einfach irgendwelche politischen Positionen, zu denen Christ/innen auf der Grundlage ihres Glaubens diese oder jene Haltung einnehmen können, sondern sie widersprechen diametral der unverhandelbaren christlichen Grundüberzeugung der Gottebenbildlichkeit ausnahmslos aller Menschen. Sie sind keinesfalls „konservativ“- wertebewahrend, sondern stellen die Grundlagen einer wertorientierten menschenrechtsbasierten Demokratie infrage.

      Rechte Politiken, Ideologien und Ideologiefragmente fordern daher christlichen Widerspruch und Widerstand heraus (vgl. Nostra aetate 5), auch, wenn sie in bürgerlicher Gewandung daherkommen, wie dies bisweilen in rechtspopulistischen Parteien und neurechten Brückenmedien („Junge Freiheit“) geschieht. Und auch, wenn sie von Gemeindemitgliedern vertreten werden. Sie erfordern eine kirchliche Streitkultur. Als Christ/in oder Kirche angesichts der Infragestellung der Menschenwürde aller „neutral“ bleiben zu wollen, ist keine Option (vgl. Neutral bleiben; Scheidler).

      RECHTE STRATEGIEN: DER DIALOGVERWEIGERUNG

      Ein Zweites muss man wissen: Seit den 1960er Jahren entwarfen Rechtsintellektuelle (u. a. Allain de Benoist, Karlheinz Weißmann, heute: Götz Kubitschek) ein Tableau rhetorischer Strategien und manipulativer Taktiken, die inzwischen alle rechten Gruppierungen unter ihren Sympathisant/innen kommunizieren. Deren Anhänger/innen gehen nicht unvorbereitet in Gespräche hinein, sondern verfolgen das erklärte Ziel, das Gesprächsgeschehen zu kontrollieren und zu dominieren, die Ausführung von Gegenpositionen zu behindern sowie kritische Diskussionen über rechte Ideologien, Initiativen und Akteure zu torpedieren und zu unterbinden. Statt durch gute Argumente zu überzeugen, werden Emotionen wie Angst und Wut absichtsvoll geschürt und politisch instrumentalisiert.

      Im Unterschied zu vielen anderen Interessengruppen geht es ihnen nicht darum, ihre Meinung als eine unter mehreren konstruktiv in ein größeres Ganzes einzubringen und womöglich im Dialog mit Andersdenkenden einen gemeinsamen Konsens oder Kompromiss zu erzielen, denn zur rechtspopulistischen Überzeugung gehört der Anspruch, allein die eigene Position sei „Volkes Stimme“, und gesellschaftliche Spaltung als Mittel zum „Systemsturz“ ist gewollt.

      Ziel einer Aktion kann auch sein, die eigene Gruppe in einem harmlosen, bürgerlichen oder gar „christlichen“ Licht darzustellen, um über die eigentliche politische Ausrichtung hinweg-

       zutäuschen. Gezielte offen propagierte Verstellung („Mimikry“) sowie das Besetzen von Themen, die bisher ausdrücklich nicht im rechten Spektrum angesiedelt waren, und der Versuch, Allianzen mit nicht-rechten Gruppen zu bilden (Querfrontstrategie), sind dann Mittel der Wahl. Das Entern christlicher Milieus gelingt über die Themen Familien- und Lebensschutz, Christenverfolgungen und Islam (vgl. Strube 2016a).

      Zum Instrumentarium gehören das Unterwandern von öffentlichen Veranstaltungen, konzertierte Wortergreifungen, Desinformation und Falschbehauptungen ebenso wie wortloses körpersprachlich martialisches Auftreten, das einschüchtern und verunsichern soll, oder die Mitleid heischende Selbstdarstellung als Opfer der „Meinungsdiktatur“ Andersdenkender. Solche bewusst auf die Destruktion der Rahmenbedingungen eines freien und ehrlichen Austauschs zielenden Strategien verändern die Voraussetzungen jedes Gesprächs grundlegend: Ein echter Dialog, ein ehrlicher Austausch von Mensch zu Mensch sind nicht mehr möglich, wenn ein Teil der Gesprächspartner/innen eine demokratische Gesprächskultur nicht pflegen, sondern zerstören will (vgl. Strube 2016b).

      RECHTE EINSTELLUNGEN: BETREFFEN UNS ALLE

      Abwertende Einstellungen und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ebenso wie Strukturen der Diskriminierung sind kein Randgruppenphänomen, sondern eines der gesellschaftlichen Mitte; sie finden sich in allen gesellschaftlichen Milieus, auch unter Christ/innen und in den Kirchen (vgl. Zick/ Küpper). Mehr noch: Manche Formen von Religiosität können Vorurteiligkeit und feindselige Haltungen gegenüber bestimmten Menschengruppen verstärken und ihrer Rechtfertigung dienen (vgl. Klein).

      Ebenso gibt es Christ/innen, die in extrem rechten politischen Zusammenhängen aktiv sind (vgl. Strube 2016a). Eine Exklusion des Problems aus der Kirche ist schon deshalb gar nicht möglich. Eher stellt die kirchlicher- und christlicherseits verbreitete Tendenz, „rein“ sein und das „Böse“ außerhalb der eigenen Mauern halten zu wollen, ein Teil des Problems dar: Sie spiegelt, moralisch aufgeladen, dualistisches Schwarz-Weiß- und Freund-Feind-Denken ebenso wie eine – in diesem Fall an Reinheit orientierte – Homogenitätsideologie, beides Charakteristika rechten Denkens, bei Carl Schmitt und Götz Kubitschek zu finden. Angesichts der rechtspopulistischen Herausforderung geht es deshalb nicht um generelle Denk- oder Sprechverbote oder den Abbruch von Beziehungen, sondern: um den Mut zu inhaltlicher Klarheit, um das Entwickeln einer echten Diskussions- und Streitkultur und um die Frage des Umgangs mit Agitator/innen, ideologischen Aussagen und bewusst eingesetzten Manipulationsstrategien (vgl. Strube 2017b).

      KONSEQUENZEN FÜR KIRCHLICHE GESPRÄCHSZUSAMMENHÄNGE

      Klarsein in der Sache. Jedes Gespräch mit Menschen, die rechte, menschenfeindliche oder autoritäre Positionen vertreten, verlangt nach einer inhaltlich und sprachlich klaren Positionierung, die Respekt vor der anderen Person nicht mit Zustimmung in der Sache verwechselt. So selbstverständlich diese Unterscheidung in der Theorie erscheinen mag, so schwer fällt sie vielen verständnisvollen Menschen in der Praxis. Zu Respekt gehört immer auch Ehrlichkeit – und damit der Mut zu widersprechen. Wer problematischen Äußerungen seines Gegenübers nicht widerspricht, sondern sie als „sicherlich gar nicht so gemeint“ bewertet, nimmt ihn als mündige Person nicht ernst. Inhaltlich hilfreicher als eine Etikettierung der kritisierten Position (oder gar einer Stigmatisierung der kritisierten Person) als „rechts“ ist es, genau zu beschreiben, was man an der Position problematisch findet und warum. Dialogverweigerung erkennen und als solche behandeln. Dialogprozesse können Individuen und Menschengruppen entfeinden. Sie können ermöglichen, dass Menschen sich verändern. Voraussetzung für ihr Gelingen ist allerdings, dass sich die Beteiligten auf den Prozess einlassen, die von der eigenen Meinung abweichende Position wirklich bedenken und an sich herankommen lassen. Und noch grundlegender: dass sich die Beteiligten an gemeinsame Dialogregeln halten und deren Einhaltung von den Moderator/innen konsequent durchgesetzt wird – ggf. bis hin zum Ausschluss von Personen. Wo ein Teil der Beteiligten Strategien der Dialogverweigerung anwendet (s. o.), dominiert, manipuliert, mit falschen Behauptungen jongliert, verbal oder nonverbal droht, wird echter Dialog unmöglich. Deshalb gilt es, Strategien der Dialogverweigerung auch dann zu erkennen, wenn sie wortreich daherkommen.

      Dialogverweigerer kann man nicht zum Dialog zwingen – die klare Beendigung eines Gesprächs unter Angabe der Gründe ist deshalb letztlich sogar eine Form des Respekts: Es respektiert, dass manch ein Gegenüber keinen Dialog, sondern ein Publikum für den eigenen Monolog will, und zieht daraus sinnvolle Konsequenzen.

      Bei Gesprächen in Gruppen ist es sinnvoller, mit erreichbaren Menschen zu diskutieren, als sich in Wortgefechte mit besonders Hartgesottenen zu verbeißen und ihnen so einen unverhältnismäßig großen Rederaum zu bieten, den man anderen dadurch nimmt. Wichtiger als einzelne unerreichbare Gegenüber sind zudem die zuhörenden und oft noch unentschiedenen Dritten im Raum. Ihnen durch die eigenen Diskussionsbeiträge gute Argumente gegen Menschenfeindlichkeit an die Hand zu geben, ist das lohnende Ziel.

      Das individuell passende Gesprächsformat finden. Eine öffentliche Podiumsdiskussion politischer Kontrahent/innen unter Beteiligung rechter Gruppierungen und Parteien ist immer eine heikle und oft keine konstruktive Form, um sich als Gemeinde oder kirchlicher Bildungsträger mit Rechtspopulismus auseinanderzusetzen oder gar Emotionen, Erfahrungen und mögliche soziale Verwerfungen hinter diesem Phänomen zu thematisieren. Protagonist/ innen der rechten Szene wird dadurch eine Bühne geboten, der kirchennahe Auftritt verhilft ihnen zu einem bürgerlichen Image, ggf. wird einer gedanklichen Normalitätsverschiebung nach Rechts und sprachlicher Verrohrung Vorschub geleistet.

      Unabhängig von Persönlichkeit und Argumenten der Gegenredner/innen haben die rechten Redner/innen immer einen Benefit: Tritt ihr Gegenüber defensiv und schwach auf, so erscheinen sie stark und


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