Tatort Oberbayern. Jürgen Ahrens

Tatort Oberbayern - Jürgen Ahrens


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lachte herzhaft in den Hörer: »Alles klar, Chefin. Viel Spaß bei der analogen Suche.«

      Katharina ging nicht mehr ins Büro, sondern holte pünktlich ihre Tochter vom Hort ab. Svenja war recht aufgedreht und erzählte ihr auf dem Heimweg minutiös ihren ganzen Tag. Katharina war nicht ganz bei der Sache.

      »Einverstanden, Mama? Das machen wir.«

      Katharina merkte jetzt erst, dass Svenja ihr eine Frage gestellt hatte. »Schätzchen, entschuldige, ich war gerade in Gedanken, was hast du gesagt?«

      »Oh Mann, Mama.« Svenja rollte genervt mit den Augen, was so süß aussah, dass es Katharina schwerfiel, ernst zu bleiben. »Ich habe dich dreimal gefragt, ob wir uns heute einen Mädelsabend machen mit Pizza und Fernsehen.«

      Nach Fischstäbchen war Pizza Svenjas zweite Lieblingsmahlzeit – natürlich nur mit echtem Mozzarella, frischen Tomaten und gegrilltem Gemüse. Gott sei Dank hatte der Italiener am Weißenburger Platz drei Häuser von ihrer Wohnung entfernt genau diese Pizza. »Klar, Svenjalein, können wir machen. Wir sagen gleich Paolo Bescheid, dass wir in einer halben Stunde die Pizza holen kommen, okay?«

      »Okeeee, Mama«, jauchzte Svenja und hakte sich bei ihrer Mutter unter.

      »Ah, le donne bellissime di Monaco, Svääänja e Katharina, come stai?« Paolo schaffte es sofort, Katharinas Laune zu heben, wenn er sie und ihre Tochter als die schönsten Frauen Münchens begrüßte und in seinem wunderbaren Italienisch fragte, wie es ihnen ging. Sie wartete lächelnd, bis Paolo »Svääänja«, die ihm direkt auf den Arm gehüpft war, runtergelassen hatte. Wie gewohnt nickte sie auf die Frage: »Una Vegetariana e una Quatro Staggione en venti minuti?«, und ging mit zwei Pizzakartons »for bezaubernde Ella e Sibylla, dann brauche sie nicht komme hole« nach Hause. Tatsächlich fand sie ihre beiden Nachbarinnen Ella und Sibylla auch sympathisch, obwohl noch nie Zeit war, länger miteinander zu plaudern. Svenja hatte mehr Kontakt, sie ging regelmäßig Lebensmittel ausleihen, die ihnen fehlten. Katharina hatte sich dafür noch nie revanchiert, wie ihr mit schlechtem Gewissen bewusst wurde. Immerhin eine Glückwunschkarte hatte sie vor Kurzem eingeworfen, als die beiden geheiratet hatten. Ein geschmücktes Auto hatte vor der Tür gestanden und an der Wohnungstür hatte irgendwer ein »just married« angebracht. Ansonsten schienen sie eine Wochenendbeziehung zu führen, Sibylla war selten zu sehen. Heute schienen beide da zu sein, schloss Katharina aus den zwei bestellten Pizzen und klingelte bei Wecker/Sieland. Eine überraschte Sibylla öffnete die Tür und nahm freudig die beiden Kartons entgegen. »Paolo hat sogar netzwerkende Fähigkeiten«, grinste sie. »Wie lange wohnen wir im gleichen Haus und haben bisher kaum miteinander gesprochen?«

      »Das stimmt«, lachte Katharina. »Und das, obwohl ich euch noch Einiges für die diversen Dinge schulde, die Svenja bei euch ausgeliehen hat.«

      Sibylla winkte ab. »Vergiss es, machen wir gerne.«

      »Für Kinder tut meine Gattin alles, musst du wissen«, erläuterte Ella, die auch an die Tür gekommen war und Katharina die Hand reichte.

      »Wenn ihr wie wir Paolo-Fans seid, könnte ich mich bei Gelegenheit mit einer Pizza-Einladung revanchieren«, schlug Katharina vor.

      »Gerne«, freute sich Ella und ihre Frau nickte zustimmend.

      »Was ist eure Lieblingspizza?«, schaltete Svenja sich ein.

      »Meine die Vegetariana und Ellas die Quattro Stagioni«, antwortete Sibylla und kam nicht zur Gegenfrage, weil Svenja begeistert schrie:

      »Wie bei uns, Mama, wie bei uns. Da müssen wir unbedingt alle hin, dann hat es Paolo leicht, weil er nur zwei verschiedene Pizzas machen muss.«

      Alle vier lachten und vereinbarten, baldmöglichst einen Termin zu finden.

      Katharina und Svenja hatten eine Viertelstunde später ihre Pizzen auf dem Teller und Katharina schaute sich mit ihrer Tochter wie versprochen alle Vorabendserien an, bis es um 20 Uhr Zeit für Svenja war, sich bettfertig zu machen. Nach einer Gutenachtgeschichte schlief sie sofort ein. Katharina ging zurück ins Wohnzimmer, als ihr Handy klingelte. Tobias, stellte sie überrascht fest.

      »Tobias, was gibt’s?«, meldete sie sich etwas unruhig.

      »Nichts Dramatisches, Katharina, alles gut.« Er stockte.

      »Ist Svenja im Bett? Ich habe extra gewartet mit meinem Anruf, damit sie nicht enttäuscht ist, dass ich nicht mit ihr reden will.«

      »Ja, sie ist gerade eingeschlafen.«

      »Mir ist unser Gespräch nicht mehr aus dem Kopf gegangen und mir ist eingefallen, dass einer meiner Arbeitskollegen einen Typen kennt, der auch was mit Jana hatte – haben sich indirekt wohl sogar durch mich kennengelernt.« Er lachte verächtlich. »Jana und ich waren zusammen auf einer Fete von besagtem Kollegen, und da war der andere Typ auch. Er scheint einer meiner Nachfolger geworden zu sein. Wenn du willst, kann ich rausfinden, ob der weiß, was sie macht.«

      Katharina war sprachlos. »Tobias, klar, gerne. Warum machst du das?«

      »Ich habe dir ja gesagt, dass es mir reinlaufen würde, wenn die Dame eins ausgewischt bekäme. Das ist aber nicht der einzige Grund. Ich finde, äh, also ich finde, du hast noch was gut bei mir. Vielleicht kann ich zumindest ein bisschen helfen.«

      Katharina schluckte und brachte nur ein »okay, danke« heraus.

      München Bogenhausen

      »Englischer Garten, Nähe Kleinhesseloher See. Da gibt es einen Baum mit einem versteckten Loch. Anbei der Goo­gle-Maps-Link. Am 23. ab ein Uhr nachts steckt dort das Geld. Ab sofort jeden vierten Dienstag im Monat um diese Zeit an diesem Ort. Und schreib mir nie mehr an meinen privaten Account. Auch ich kann ungemütlich werden.«

      Wütend knallte Jana ihren Laptop zu. Drohen? Ihr? Warum? Womit? Das wäre ja noch schöner. Und sie sollte ab sofort einmal im Monat mitten in der Nacht im Englischen Garten das Geld holen? Wie eine Verbrecherin? So weit kam es noch.

      Bisher war es ein Highlight gewesen. Jeden Monat Lukas’ schmachtende Blicke, wenn er ihr das Geld brachte. Das Treffen jedes Mal in einem anderen Café, in Starnberg, am Ammersee oder am Odeonsplatz. Sie hatte es genossen, dass Lukas sich mit ihr treffen musste. Und sie spürte, wie sehr er sie begehrte. Dass die Affäre vorbei war, das musste er verstehen.

      »Ich lieb dich nicht mehr«, hatte sie ihm gesagt, das musste reichen.

      Sie hatte es sowieso nur aus dem einen Grund gemacht, besonders erfüllend war es ja nicht gewesen. Auf ihre Kosten war sie nie gekommen. Jana seufzte angewidert. Er hatte nichts von dem, was Jana an einem Mann schätzte: kein Geld, kein Ansehen und – Jana grinste – keine Beziehung, anhand derer sie testen konnte, wie sehr er sie wirklich wollte.

      Im Gegenteil, Lukas war ein Ladenhüter, irgendwann hatte sie begonnen, ihn zu verachten. Aber als langfristige Investition hatte die Affäre ja dann doch was gebracht. Und die monatlichen Treffen waren super gewesen. Das durch ein Loch im Baum zu ersetzen, ging gar nicht.

      Sie öffnete den Laptop wieder und schrieb – selbstverständlich an den privaten Account: »So geht das nicht. Ich will adäquaten Ersatz für Lukas.«

      Sie grinste bei der Vorstellung, welche Wut es bei ihrem Gegenüber auslösen würde, dass sie auf einem unverschlüsselten Account offen Namen benutzte.

      Sofort kam die Antwort, natürlich an die verschlüsselte Adresse: »Ich warne dich. Du akzeptierst das, was ich anbiete, und schreibst nie mehr an den privaten Account. Unterschätz mich nicht. Ich kann dich fertigmachen.«

      Jana knallte den Laptop zu und rannte ins Bad – Rundumkontrolle im Spiegel: Ihre Frisur saß bombenfest.

      »Gut siehst du aus, Kleine, bleib ruhig. Die können dir nichts, es wird nichts passieren. Dann schreibst du ihm eben in Zukunft auf den anderen Account und holst das Geld im Englischen Garten ab, so what.«

      Aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie dabei war, eine Schlacht zu verlieren – nach Thomas schon


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