Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book). Regula Windlinger
gemäss den Qualitätsstandards überprüft und müssen die Kosten selbst tragen. Hingegen werden im Kanton Aargau die von Gemeinden oder Schulen angebotenen Einrichtungen der SEBB kaum überprüft und unterliegen wenigen Vorgaben. Das heisst, die Verantwortung für die Qualität wird vollständig an die Gemeinden und Schulen übertragen. Im Kanton Solothurn fehlt bisher eine gesetzliche Grundlage, die die Gemeinden verpflichtet, ein Angebot bereitzustellen. Angebote der SEBB entstanden in den letzten Jahren im Kanton Solothurn sowohl aus neuen Trägerschaften als auch in Schulen bzw. Gemeinden, die allerdings nicht vom Kanton bewilligt werden müssen (private Kommunikation mit ASO, Juni 2019).
Zusammenfassung
Auf internationaler Ebene fordert die Kinderrechtskonvention eine angemessene Kinderbetreuung.
Auf nationaler Ebene bestimmt das PAVO die Grundlagen für eine Eröffnung einer Einrichtung der SEBB.
Das HarmoS-Konkordat schreibt bedarfsgerechte Angebote der SEBB vor (gilt für Bern und Solothurn, nicht aber für Aargau, der dem HarmoS-Konkordat nicht beigetreten ist).
Im Kanton Aargau ist seit 2016 das KiBeG in Kraft. Es verpflichtet die Gemeinden, einen bedarfsgerechten Zugang zu einem Betreuungsangebot sicherzustellen sowie sich je nach Einkommen der Erziehungsberechtigten finanziell an den Betreuungskosten zu beteiligen. Inhaltlich bleibt das Gesetz sehr vage. Die Bedarfsabklärung sowie die Ausarbeitung von Elternbeitragsreglementen und Qualitätsstandards werden den Gemeinden überlassen. Für Empfehlungen wird auf Fachstellen und Verbände verwiesen.
Die Tagesschulen im Kanton Bern sind gesetzlich verankert und es gibt viele Vorgaben und Richtlinien. Für andere Einrichtungen der SEBB wie «Tagis» (Tagesstätten) gelten diese Anforderungen jedoch nicht, sondern jene des Kantonalen Jugendamts.
Der Kanton Solothurn schreibt kein Mindestangebot an Betreuungsplätzen vor. Es bestehen diverse Richtlinien und Anforderungen an Einrichtungen der Kinderbetreuung, damit sie eine Bewilligung erhalten. Eine Bewilligung ist ab mindestens 20 Stunden pro Woche und einer Betreuung von mindestens 6 Kindern notwendig. Für Schulen und Gemeinden als Träger der Angebote besteht keine Bewilligungspflicht beim Kanton.
Die Verbände Kibesuisse, Bildung und Betreuung, Radix, Kinder&Familien und die Gewerkschaft vpod stellen verschiedene Forderungen an Einrichtungen der SEBB. Es besteht in allen drei Kantonen Entwicklungspotenzial.
3 Arbeit und Gesundheit
Nachdem wir im vorangehenden Kapitel die Rahmenbedingungen für die schulergänzende Bildung und Betreuung in den drei Kantonen dargelegt haben, möchten wir nun die Beziehung zwischen Arbeit und Gesundheit beleuchten. Die nachfolgenden Kapitel bauen allesamt auf diesen Darlegungen auf. Mithilfe dieser Grundlagen können wir die dort dargestellten Ergebnisse einordnen.
Die (Erwerbs-)Arbeit gehört neben diversen anderen Faktoren zu den sozialen Determinanten der Gesundheit (Wilkinson & Marmot, 2004). Dabei verstehen wir «Gesundheit» in einem umfassenden Sinn als körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden und nicht nur als Abwesenheit von Krankheit (Definition nach WHO, 1986; für eine Diskussion des Gesundheitsbegriffs siehe Ulich & Wülser, 2005).
Neben der Einkommenssicherung hat die Erwerbsarbeit unterschiedliche psychosoziale Funktionen. Diese werden deutlich, wenn Folgen der Erwerbslosigkeit untersucht werden (Semmer & Udris, 2004). Bei der Arbeit bauen Personen Kompetenzen auf und erleben sich als wirksam, die Arbeit gibt eine zeitliche Struktur und schafft Kontakt- und Kooperationsmöglichkeiten. Zudem ist Erwerbsarbeit mit sozialer Anerkennung und persönlicher Identität verbunden (ebd., S. 159). Diese Faktoren hängen mit Motivation und Arbeitszufriedenheit zusammen. Viele Aspekte der Arbeit können aber auch mit Belastung und Stress verbunden sein (Zapf & Semmer, 2004). Wie sich Aspekte der Arbeit auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Personals auswirken, ist ein komplexes Zusammenspiel von Eigenschaften der Person und Merkmalen der Arbeit. Eine Vielzahl an Theorien und Modellen beschreiben und erklären diese Zusammenhänge (für einen Überblick vgl. ebd.). Dabei wird in der Regel unterschieden zwischen Belastungen, Ressourcen, Beanspruchungsreaktionen und -folgen. Ressourcen sind Merkmale der Arbeitstätigkeit, des sozialen Umfelds oder der Person, die als Motivatoren und Entlastungsfaktoren wirken. Unter Belastungen werden die von aussen wirkenden Einflüsse verstanden und Beanspruchung bezeichnet die Auswirkung auf die Person, welche abhängig ist von deren individuellen Voraussetzungen (Semmer & Udris, 2004). Während viele Modelle vor allem auf Stress und negative Folgen fokussieren, gibt es auch Modelle, die positive und negative Prozesse integrieren. So unterscheidet das Belastungs-Beanspruchungs-Ressourcen-Modell von Rudow (2017) zwischen positiven und negativen Beanspruchungsreaktionen und -folgen. Zu den positiven Beanspruchungsfolgen gehören die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden, zu den negativen Beanspruchungsfolgen gehört beispielsweise Burnout. Ein weiteres Modell, das positive und negative Merkmale der Arbeit integriert, ist das Job-Demands-Resources-Modell (Bakker & Demerouti, 2007), welches wir als Rahmenmodell für unsere Forschung gewählt haben (siehe Abbildung 1). Das Job-Demands-Resources-Modell (JD-R) verbindet zwei Forschungstraditionen, die vorher relativ unabhängig waren: die Stressforschung und die Motivationsforschung (Demerouti & Bakker, 2011). Das Modell integriert Wirkungen von positiven und negativen Merkmalen der Arbeit auf das Belastungserleben und die Motivation sowie auf längerfristige Ergebnisse wie die Leistung, Arbeitszufriedenheit oder Gesundheit der Mitarbeitenden. Das Modell ist sehr flexibel, deshalb kann es auf alle Arten von Arbeit angewendet werden. Die Grundannahmen des Modells wurden wiederholt in Forschungsprojekten bestätigt (für einen Überblick siehe Schaufeli & Taris, 2014) und das JD-R-Modell wurde zu einer umfassenden JD-R-Theorie erweitert (Bakker & Demerouti, 2014).
Abbildung 1: Das Job-Demands-Resources-Modell (nach Bakker und Demerouti, 2007, S. 313)
Das Modell (Abbildung 1) geht von zwei Prozessen aus: Ressourcen in der Arbeit sind Auslöser eines motivationalen Prozesses und arbeitsbezogene Belastungen lösen einen gesundheitsbeeinträchtigenden Prozess aus.
3.1 Ressourcen und der motivationale Prozess
Arbeitsressourcen sind «all jene physischen, psychischen, sozialen, oder organisatorischen Aspekte der Arbeitstätigkeit, welche entweder/oder
funktional sind für das Erreichen von Arbeitszielen
die Belastungen und deren physische und psychische Kosten reduzieren
persönliches Wachstum, Lernen und Entwicklung stimulieren» (Bakker & Demerouti, 2007, S. 312, eigene Übersetzung).
Ressourcen haben also einerseits ein Motivationspotenzial, andererseits sind sie notwendig für den erfolgreichen Umgang mit Belastungen. Gemäss dem motivationalen Prozess führt das Vorhandensein von Ressourcen bei der Arbeitstätigkeit zu hohem Arbeitsengagement. Arbeitsengagement wird beschrieben als ein positiver affektiv-motivationaler arbeitsbezogener Zustand, der das Erleben von Vitalität, Hingabe und Absorbiertheit beinhaltet (Bakker & Leiter, 2011). Engagierte Arbeitende erleben eine hohe Aktiviertheit und sind stark in ihre Aufgaben involviert. Sie sind oft stark in ihre Arbeit vertieft und konzentriert, sodass die Zeit schnell vorbeigeht (Schaufeli, Salanova, Gonzalez-Roma & Bakker, 2002). Arbeitsengagement ist verbunden mit positiven Ergebnissen sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Organisation, zum Beispiel mit der Arbeitsleistung (Bakker & Bal, 2010), der emotionalen Bindung an die Organisation (Hakanen, Bakker & Schaufeli, 2006) oder mit der Gesundheit der Mitarbeitenden (Bakker, Demerouti & Sanz-Vergel, 2014).
3.2 Belastungen und der gesundheitsbeeinträchtigende Prozess
Belastungen sind nach dem Job-Demands-Resources-Modell «all jene physischen, psychischen, sozialen oder organisatorischen Aspekte der Arbeitstätigkeit, die anhaltende, längerfristige physische und oder psychische (kognitive oder emotionale) Anstrengungen oder Fertigkeiten erfordern und dadurch mit gewissen physiologischen und/oder psychischen Kosten verbunden sind» (Bakker & Demerouti, 2007, S. 312, eigene