Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen. Roland Muller

Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen - Roland Muller


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um die zuverlässige Leistungserbringung zu gewährleisten. So hat der Eigner konkrete Ziele an die Unternehmung zu formulieren (Eignerziele). Diese Aspekte werden in Kapitel 6 (Eignerrolle der öffentlichen Hand, 111 ff.) vertieft und konkretisiert.

      ■ Der Gewährleister formuliert eine Leistungsvereinbarung mit der Unternehmung (siehe Kapitel 7 Gewährleistung durch Leistungsvereinbarung und Finanzierung, 141 ff.) Dies zeigt bereits an dieser Stelle, dass die Steuerung vielfach über zwei oder mehrere Kanäle erfolgt.

      Aufgrund der dargestellten Aspekte stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis die verschiedenen Governance-Konzepte zueinander stehen. Vereinfachend unterscheiden die Autoren an dieser Stelle die Public Governance von der Public Corporate Governance. Das erste, die Public Governance, bezeichnet die Steuerung im öffentlichen Raum, die auch nichthierarchische Elemente mit einbezieht. Erstellt das Gemeinwesen Leistungen selbst, so geschieht dies im Rahmen der eigenen Organisation, also in der Form hierarchischer Führung – das traditionelle Government. Werden hingegen Dritte mit einbezogen, so entstehen marktähnliche oder netzwerkartige Kooperationsformen, die nicht hierarchisch sind. Andere Formen von Steuerung sind daher notwendig – die moderne Governance. Public Corporate Governance ist damit ein Teilbereich der Public Governance, der den Spielregeln der Public Governance untergeordnet ist. Public Corporate Governance ist für all jene Fälle der Public Governance relevant, in denen sich der Staat für eine Leistungserfüllung durch verselbständigte Organisationen im Eigentum des Staates (öffentliche Unternehmen) entscheidet (Schedler, Gulde et al. 2007, 12 ff.).

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      Abbildung 3: Einbettung der Public Corporate Governance in die Public Governance (Schedler, Gulde et al. 2007)

      Wie bei jeder staatlichen Tätigkeit, steht das öffentliche Interesse im Vordergrund der Betrachtung. Es definiert den Spielraum der Public Governance, oder mit anderen Worten: Das öffentliche Interesse legt die Grenzen für die Public Governance-Arrangements fest, die für eine konkrete Lösung zur Verfügung stehen. Die Ausformulierung des öffentlichen Interesses entsteht in einem politischen Prozess. Jegliche Form der Public Governance-Arrangements, sei dies nun ein Netzwerk, eine Public Private Partnership, ein Regulatormodell (wie z.B. auf der Grundlage des Stromversorgungsgesetzes), oder auch eine Erfüllung durch ein öffentliches Unternehmen, muss aus unterschiedlichen Perspektiven des öffentlichen Interesses beurteilt werden:

      ■ Politisch/demokratisch: Sicherstellung einer demokratisch legitimierten Definition der Aufgaben, die erfüllt werden (politische Definition des Gemeinwohls/des öffentlichen Interesses, dem die Aufgaben dienen sollen); sodann demokratische Überwachung der Aufgabenerfüllung; politische Sicherstellung der definierten Aufgabenerfüllung; politische Verantwortlichkeit der Zuständigen. Im Fokus steht damit die Legitimität des staatlichen Handelns.

      ■ Rechtlich: Basierung des staatlichen Handelns auf eine rechtliche, d. h. gesetzlich definierte Grundlage; gestützt darauf Sicherstellung des Rechtsschutzes für alle Betroffenen; Wahrung von Rechten und Durchsetzung von Pflichten. Im Fokus steht die Legalität des staatlichen Handelns.

      ■ Betrieblich: Die Organisation der Aufgabenerfüllung ist so zu wählen, dass vorgegebene Ziele kostengünstig und termingerecht erreicht werden. Im Fokus stehen die Effizienz und Effektivität des staatlichen Handelns. Nicht selten wird eine Erfüllungsform gewählt, die marktnahe operieren muss, um vom Effizienzdruck des Wettbewerbs zu profitieren. In diesen Fällen ist die Marktfähigkeit der Unternehmung ein Indikator für die Qualität der Leistungserbringung. Mit anderen Worten: Die Unternehmung muss sich gegenüber einer allfälligen Konkurrenz im Markt behaupten können. Werden hingegen Leistungen erbracht, die nicht in wettbewerblich organisierten Märkten angeboten werden, so ist die Effizienz und Effektivität der Leistungserbringung anders zu messen, beispielsweise über Indikatoren.

      Es gibt gute Gründe, weshalb Leistungen in öffentlichen Unternehmen erbracht werden anstatt in der klassischen Verwaltung:

      ■ Entkoppelung der Leistungserbringung von der operativen Regulierung der klassischen Verwaltung.

      ■ Entkoppelung der leistungserbringenden Organisation von der – oft operativen – politisierten Steuerung über das Budget.

      ■ Ermöglichung von Kooperationen zwischen Gemeinwesen (public-public) oder zwischen Gemeinwesen und Privaten (public-private).

      ■ Stärkung der unternehmerischen Eigenverantwortung der leistungserbringenden Organisation, damit aber auch Verpflichtung zu mehr Effizienz und Effektivität.

      Gerade der letzte Punkt ist oft die offizielle Rechtfertigung für die Schaffung einer öffentlichen Unternehmung. Effizienz und Effektivität sind oft schlecht messbar, so dass nicht selten ein direkter Vergleich mit dem Markt angestrebt wird. Ist nun Marktfähigkeit das Ziel der Politik für die Unternehmung, wird sie zum Indikator für gute Leistungserbringung – kaum je zum Hauptzweck des öffentlichen Unternehmens. Diesen Anforderungen muss der Staat in seinem Verantwortungsbereich immer gerecht werden, sei er nun selbst Leistungserbringer oder Dritte, sei er selbst Eigner oder Dritte. Legalität, Legitimität, Effizienz und Effektivität sind damit die Richtschnur für die Beurteilung von Public Governance-Arrangements. Da sie in ihren Anliegen regelmässig widersprüchlich sind, muss für jede einzelne Situation eine optimale Balance gefunden werden.

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      Tabelle 1: Erfüllungsformen im Vergleich (eigene Darstellung)

      Die Tabelle 1 zeigt, dass bezüglich Steuerung die Erfüllung durch die zentrale Verwaltung den direktesten Zugriff erlaubt. Wird nun eine Aufgabe ausgelagert und erfolgt die Aufgabenerfüllung durch ein öffentliches Unternehmen im Besitz des Staates, so sollen insbesondere Effektivitäts- und Effizienzvorteile realisiert werden. Darüber hinaus ist zu beachten:

      ■ Über Delegierte in der Strategischen Führungsebene und/oder Vorgaben bezüglich zu erreichender Ziele und einzuhaltender Leitplanken (siehe Kapitel 6 Eignerrolle der öffentlichen Hand, 111 ff.) findet eine indirekte Steuerung statt.

      ■ Im Weiteren sind in der Leistungsvereinbarung die zu erreichenden konkreten Ziele definiert (siehe dazu Kapitel 7 Gewährleistung durch Leistungsvereinbarung und Finanzierung, 141).

      ■ Allfällige Konflikte sind mittelbar hierarchisch zu klären. Im verantwortlichen Gremium (Strategische Führungsebene) muss ein Prozess initialisiert werden, welcher über die eigene Körperschaft hinaus auch den Eigentümer mit einbezieht.

      ■ Sanktionen sind im Rahmen des Organisations- oder Unternehmensrechts geregelt. Handelt es sich beim Unternehmen um eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, sind die entsprechenden Mittel im Obligationenrecht geregelt. Für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sind sie aus verschiedenen Dokumenten abzuleiten.

      Gegenüber der Auslagerung einer Aufgabe an eine private Unternehmung besteht der Vorteil eines Staatsunternehmens darin, dass es einer stärkeren demokratischen und rechtlichen Kontrolle unterliegt. Die Aspekte der Legitimität und der Legalität sind daher, so erforderlich, ein Vorteil dieser Variante. Für die Interpretation der Tabelle 1 ist deshalb folgendes zu beachten:

      ■ Das primäre Steuerungsmedium ist die Leistungsvereinbarung, in welcher alle Aspekte der Leistungserfüllung und der Art der Umsetzung definiert werden müssen.

      ■ Die Konfliktbewältigung geschieht ausserhalb der Hierarchie und bedient sich der Methoden, welche unter Vertragspartnern üblich sind.

      ■ Eskalationen von Konflikten geschehen unter Einbezug der Sanktionen, welche im Vertragsrecht vorgesehen sind.

      Die Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen (Erfüllung durch ein öffentliches oder ein privates Unternehmen) erfolgt im Rahmen der Entscheidung, ob eine Aufgabe ausgelagert werden soll oder nicht (siehe


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