Gefällt mir!. Marco Wagner

Gefällt mir! - Marco Wagner


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drückte ganz einfach den Blockier-Button und überlegte dabei bereits, wie ich meine Mannschaft für das Elfmeter-Duell zusammenstellen würde.

      Tipp: Füttere keine Facebook-Trolle. Wer dich beleidigt, wird ohne Diskussion blockiert, so hältst du deine Seite frei von Hatern und schaffst ein positives Klima.

      Eines war klar: Wenn wir in der Pause eines Bundesliga-Matches zwischen Sturm Graz und Rapid gegen die U14 von Sturm Elfmeter schossen, dann vertraten wir gewissermaßen die Farben von Rapid. Und natürlich mussten wir dieses Duell genauso gewinnen, wie Rapid das Bundesligaspiel, das den Rahmen für unseren kleinen Auftritt bilden sollte.

      Eine Woche vor dem großen Tag hatte ich meine Mannschaft zusammen: Drei gute Freunde und mein Schwiegervater, keine Antikicker dabei, alles paletti. Trotzdem legten wir ein paar Tage vor der Veranstaltung eine Elfer-Trainingssession ein, blamieren wollten wir uns vor den 10.000 Zuschauern im Stadion schließlich auch nicht. Es lief nicht so schlecht, aber ich musste daran denken, dass nur mein guter Freund Berni und ich Rapid-Fans waren. Die anderen standen normalerweise auf der Seite unserer Gegner. Natürlich waren sie loyal und wollten, dass wir gewinnen, aber ich machte mir doch ein klein wenig Sorgen, dass ihnen im entscheidenden Moment der Fuß zittern könnte, wenn sie gegen die U14-Mannschaft ihres Lieblingsvereins antreten würden.

      Allein, es half nichts, mehr Rapid-Fans als Berni und ich waren im Raum Graz und Umgebung eben nicht aufzutreiben. »Gegen Marco Wagner in Liebenau«, hieß es inzwischen auf einer eigens von Sturm ins Leben gerufenen Facebook-Seite, die innerhalb kürzester Zeit eine beachtliche Anzahl an Fans gewonnen hatte. Viel Feind, viel Ehr, dachte ich und rieb mir vor meinem Computerbildschirm die Hände. Ein Rapidfan aus den eigenen Reihen als Pausen-Kasperl, um mehr Zuschauer ins Stadion zu locken, so stellten sie sich das vor. Oder sollte ich eher das Krokodil sein? Auch dagegen hatte ich nichts einzuwenden, solange am Ende die »Falschen«, also wir als Sieger vom Platz gingen.

      Seitdem ich mit meinen Fotos und Videos auf Facebook populär geworden war, hatte ich schon ein paar Discos gefüllt und war der Stargast auf kleineren bis mittelgroßen Veranstaltungen gewesen. Aber ein Fußballstadion? Das war noch einmal eine etwas andere Sportart. Normalerweise schaute ich mir alle Rapid-Spiele in Graz selbstverständlich im Auswärtssektor an, denn für die Dauer des Spiels war ich kein Steirer, sondern Unterstützer meiner aus Wien angereisten Lieblingsmannschaft. Aber diesmal waren meine vier Freunde und ich von der Clubleitung von Sturm Graz eingeladen, das Spiel im VIP-Sektor zu beobachten. Wir bekamen davor eine Tour durch das Stadion und durften den Mannschaften beim Aufwärmen zusehen. Mit einem Wort, wir wurden nicht wie gegnerische Fans, sondern eher wie Prominente behandelt. Das war natürlich nicht übel, aber ich beschloss, mich davon nicht einlullen zu lassen und gab die Parole auch an meine Mitspieler aus: »Wir machen sie trotzdem fertig«, flüsterte ich meinem Team in einem unbeobachteten Moment zu. Alle nickten entschlossen.

      Zur Halbzeit stand es eins zu null für Rapid, was ja schon einmal nicht schlecht war. Das Stadion war bummvoll, und sämtliche Sturm-Fans wünschten sich in der Pause natürlich nichts sehnlicher, als dass wenigstens ihre U14-Auswahl dem Verräter Marco Wagner zeigen würde, wo der Bartel in Graz Liebenau den Most holt. Das brachte mich auf eine Idee.

      »Die verlassen sich auf euch«, sagte ich zu den fünf U14-Burschen, unmittelbar bevor wir ins Stadion einliefen, »lassts eure Fans nicht im Stich, das müssts ihr jetzt umdrehen!« Mein Team schickte mir verständnislose Blicke, aber ich wusste schon, was ich tat. Noch ein bisschen mehr Druck für unsere Gegner konnte bestimmt nicht schaden.

      Als wir ins Stadion eintrabten, blieb mir wirklich ein bisschen die Spucke weg. Die Moderatorin eines regionalen Radiosenders zelebrierte unseren Auftritt wie den Einmarsch der Gladiatoren. Wobei die Rollen klar verteilt waren: »Unsere Sturm-Jugend!«, rief die Moderatorin begeistert, und die tausenden Zuschauer jubelten ihrer Jugendauswahl zu. »Und jetzt das Team von Marco Wagner«, kündigte sie uns gleich darauf an. Nun hätten wir zumindest auf ein bisschen höflichen Applaus hoffen können. Oder es wäre einfach ruhig geblieben.

      Nichts davon. Ein Großteil des Publikums buhte und pfiff, dass der ganze Fußballplatz davon dröhnte. Was mich dabei besonders beeindruckte war, dass wirklich die allermeisten Zuschauer auf ihren Plätzen geblieben waren, um sich die Chance nicht entgehen zu lassen, den steirischen Judas Marco Wagner auszubuhen. Normalerweise nutzte das Publikum die Halbzeitpause, um die Blase zu entleeren und sich Nachschub an Bier und Hotdogs zu beschaffen. Auf all das hatten die Besitzer dieser von Wut und teilweise auch Hass verzerrten Gesichter, die ich auf den Rängen um uns sah, verzichtet, um mich verlieren zu sehen.

      Ich spuckte auf den Rasen. Die Flüssigkeit in meinem Mund war wieder da, die Pfiffe und »Marco, du Arschloch!«-Rufe waren genau, was ich brauchte, um die Situation so richtig zu genießen. Ich fühlte mich wieder wie damals zu Schulzeiten. Nur, dass ich diesmal selbst auf dem Platz stand und den Mob gegen mich hatte. Ein geiles Gefühl.

      Während ich mir die Tormannhandschuhe überstreifte, suchte ich Blickkontakt mit meinen vier Mitspielern. Sie bemühten sich, cool zu wirken, aber ich befürchtete, dass der eine oder andere von ihnen womöglich die Hosen voll hatte. Nun, das würde sich gleich herausstellen. Als Kapitän hatte ich mir die Doppelbelastung zugemutet, sowohl selbst zu schießen, als auch bei den Schüssen unserer Gegner im Tor zu stehen.

      Von den fünf Schüssen konnte ich immerhin einen parieren. Dem gegnerischen Torwart erging es genauso, oder besser gesagt: Berni, einer meiner besten Freunde und Teil unseres Teams, war so nervös, dass er froh sein musste, die Kugel überhaupt ungefähr Richtung Tor getreten zu haben.

      Auch der Schiedsrichter war nicht unbedingt auf unserer Seite. Als mein Freund Marco mit Schießen an der Reihe war (ja, er heißt wirklich so) und den Ball sicher versenkte, erklärte der Schiedsrichter den Schuss aus irgendeinem Grund, den keiner verstand, für ungültig und bestand darauf, dass der Elfmeter wiederholt wurde. Jetzt lastete natürlich doppelter Druck auf Marco, und ich hatte ein ganz übles Bauchgefühl, dass er verschießen würde. Aber er behielt die Nerven und versenkte den Ball ein zweites Mal – unhaltbar für den gegnerischen Torwart. Menschen, die Marco heißen, sind eben oft coole Hunde.

      So ging es jedenfalls ins Stechen, und als die Rampensau, die ich nun einmal bin, nominierte ich mich selbstverständlich als ersten Schützen unseres Teams. Zuerst aber musste ich selbst noch einmal die Handschuhe anlegen.

      Von der Tribüne regnete es Feuerzeuge, während ich ins Tor spazierte, um mich ein weiteres Mal zwischen die zwei Stangen zu stellen. Die Buhrufe waren jetzt noch lauter, und ich genoss jeden einzelnen Schritt. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich den gegnerischen Schützen. Er schluckte gut sichtbar, während er sich den Ball zurechtlegte und vermied jeden Augenkontakt.

      »Schreit nur noch lauter«, dachte ich, »je mehr ihr buht, umso mehr Druck hat der Kleine.«

      Der Schütze lief an. Ich beschloss, so lange wie möglich stehen zu bleiben und erst zu springen, wenn ich zu erkennen meinte, wohin er schießen würde. Als ich gerade dabei war, mich für die linke Ecke zu entscheiden, sah ich, wie der Fuß des Schützen tief unter den Ball fuhr und die Kugel hoch vom Boden abhob.

      »Entweder geht der ins Kreuzeck, oder drüber«, schoss es mir durch den Kopf, während ich in der falschen Ecke auf den Rasen krachte. Ein Raunen ging durchs Stadion. Ich drehte den Kopf. Kein Ball zappelte im Netz. Der Schütze schlug die Hände vors Gesicht. Er hatte drübergeschossen.

      Jetzt musste ich nur noch selbst verwandeln, und die Sache war gelaufen.

      Ich habe in meiner Jugend vereinsmäßig Fußball gespielt, inzwischen kicke ich noch maximal einmal die Woche. Aber meine Elfmeter-Taktik habe ich mir schon als junger Bursche angewöhnt und seither nicht mehr geändert. Ich schieße scharf in die rechte Ecke und versuche dabei, den Tormann durch eine Körpertäuschung in die falsche Richtung zu schicken. Erwischt er die richtige Ecke, dann ist der Schuss meistens immer noch hart und platziert genug, um dem Goalie keine Chance zu geben.

      Da ich an diesem Tag als einer von fünf Schützen bereits geschossen und getroffen hatte, kannte der Nachwuchstormann von Sturm Graz meine Technik bereits. Ich beschloss trotzdem, das Ganze noch einmal so durchzuziehen, wie ich es einstudiert hatte. Die Pfiffe waren so laut, dass ich eigentlich überhaupt


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