Unterrichtsentwicklung begleiten - Bildungsreform konkret (E-Book). Thomas Balmer

Unterrichtsentwicklung begleiten - Bildungsreform konkret (E-Book) - Thomas Balmer


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      Thomas Balmer, Silvia Gfeller, Ueli Hirt

      Unterrichtsentwicklung begleiten – Bildungsreform konkret

      ISBN Print: 978-3-0355-1518-3

      ISBN E-Book: 978-3-0355-1519-0

      1. Auflage 2020

      Alle Rechte vorbehalten

      © 2020 hep Verlag AG, Bern

       hep-verlag.com

      Einleitung

      Lehrpersonen unterrichten je auf ihre eigene Art. Routinen haben sich über die Jahre der Berufserfahrung aufgebaut. Eigene Überzeugungen und Vorstellungen zur Gestaltung des Unterrichts haben sich stabilisiert. Aus ihrer Sicht praktizieren sie guten Unterricht im Wissen darum, «Best Practice» nur in seltenen Fällen zu erreichen. Angesichts der grossen Herausforderungen im Unterricht ist die Bereitschaft vieler Lehrpersonen hoch, den eigenen Unterricht weiterzuentwickeln. Lehrpersonen praktizieren Unterrichtsentwicklung häufig jedoch mehr oder weniger allein, mehr oder weniger zufällig.

      Sich mit einem neuen Lehrplan auseinanderzusetzen, die Kompetenzorientierung ins eigene Unterrichtshandeln aufzunehmen, steht nicht unbedingt auf der Prioritätenliste von Lehrpersonen. Dennoch setzen sie sich mit Neuem auseinander. Das erfordert Zeit, ist anstrengend, bricht in jedem Fall Routinen auf, wenn auch nicht immer im Unterricht, so doch in den Diskussionen in und um die Schule. Ein systematisches Vorgehen ist erforderlich, welches bestehende Vorstellungen und das vielfältige Unterrichtshandeln von Lehrpersonen einbezieht. An dieses schliesst Neues an.

      Diese Überzeugungen liegen der Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Bern und der damit verbundenen Umsetzung der Kompetenzorientierung zugrunde. Aus einer Bildungsreform entsteht Unterrichtsentwicklung: in der Schule organisiert, im Fachbezug, als Kern von Schulentwicklung und aufnehmend, was Lehrpersonen eh tun, nämlich unterrichten.

      In diesem Buch werden Erfahrungen dargelegt mit systematisch angelegter fachspezifischer Unterrichtsentwicklung zur Umsetzung einer Bildungsreform, die letztlich und optimal genutzt die Unterrichtsqualität verbessert. Die Bildungsreform umfasst die Einführung des Lehrplans 21 für die Volksschule im Kanton Bern. Der Lehrplan 21 wurde im Rahmen eines interkantonalen Projekts der 21 deutschsprachigen Kantone der Schweiz unter der Leitung der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz, der interkantonalen Ebene im föderalen Bildungssystem der Schweiz, entwickelt. Er ist im Wesentlichen durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

       Er beschreibt das Lern- und Unterrichtsverständnis eines kompetenzorientierten Unterrichts.

       Die Unterrichtsziele werden als Kompetenzen auf der Basis fachspezifischer Kompetenzmodelle beschrieben, die fachliche Inhalte und Handlungsaspekte zueinander in Beziehung setzen.

       An den meisten Kompetenzen soll während der ganzen Schulzeit von elf Jahren gearbeitet werden.

       Jede Kompetenz wird durch die Beschreibung von Kompetenzstufen konkretisiert, die als Hinweise für Zwischenschritte dienen, was die Schülerinnen und Schüler wissen und können sollen, um am Ende des Lernprozesses über die entsprechende Kompetenz zu verfügen; sie signalisieren, dass der Lernprozess kumulativ gedacht ist.

      Die Einführung des Lehrplans 21 erfolgte im Sinne des Föderalismus in der Hoheit und in der Verantwortung der Kantone. Der Kanton Bern hat sich unter Einbezug verschiedener Akteure entschieden, die Einführung des Lehrplans 21 als mehrjährigen Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozess anzulegen. Die Erziehungsdirektion des Kantons Bern erteilte dem Institut für Weiterbildung und Medienbildung (IWM) der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern) den Auftrag, dazu ein Weiterbildungsangebot zu konzipieren und durchzuführen. Im Zentrum steht das Format «Fachdidaktisches Begleitangebot», das dem Anspruch einer systematischen Unterrichtsentwicklung entspricht.

      Seine Entstehung und die daraus gewonnenen Erfahrungen werden in diesem Buch vorgestellt. Sie basieren auf der ersten Phase der Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Bern. Zur Entwicklung der fachdidaktischen Begleitangebote wurden folgende Bezugspunkte aufgenommen: Theorien zu Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie Reformeinführungen, Ergebnisse der Professions- und Weiterbildungsforschung und der fachdidaktischen Unterrichtsforschung sowie historische Erfahrungen bei bisherigen Lehrplaneinführungen und Bildungsreformen im Kanton Bern.

      Der erste Beitrag beschreibt historisch und theoretisch-empirisch die Grundlagen zur Entwicklung des Weiterbildungsangebots. Zentral ist die These, dass es einer Inszenierung individuellen und kollektiven Weiterlernens im Beruf bedarf, damit die Lehrpersonen als die zentralen Akteure einer Reformumsetzung ihren Unterricht vermehrt kompetenzorientiert gestalten. Das Unterstützungsangebot fokussiert auf den Unterricht und begleitet dessen Weiterentwicklung mittels fachdidaktischer Expertise und Strukturierungsmassnahmen.

      Der zweite Beitrag zeigt die Geschichte der Bildungsreformen und Lehrplaneinführungen im Kanton Bern über die letzten 30 Jahre. Die Entwicklung eines spezifischen Angebotsformats zur Einführung des Lehrplans 21 zeigt sich aus historischer Perspektive als Entwicklung vom «Fortbildungskurs» zu einem ausgebauten Unterstützungssystem für Bildungsreformen.

      Die Beschreibung dieses spezifischen Formats, des fachdidaktischen Begleitangebots, bildet den Kern des dritten Beitrags. Es wird sichtbar, in welcher Art und Weise fachspezifische systematische Unterrichtsentwicklung angelegt ist, in deren Rahmen Lehrpersonen ihre Unterrichtspraxis hin zur Kompetenzorientierung mit externer Unterstützung weiterentwickeln. Beschrieben werden auch die Rollen und Aufgaben aller Beteiligten, jene der Lehrpersonen, der Dozierenden als extern Unterstützende sowie der Fachbereichsverantwortlichen vor Ort wie auch der Schulleitung. Dieser Beitrag wird eingeleitet mit sechs Kernideen zur Unterrichtsentwicklung.

      Die vier fachspezifischen Beiträge geben Einblicke in die Durchführung des fachdidaktischen Begleitangebots in den Fachbereichen Mathematik, Deutsch, Natur – Mensch – Gesellschaft sowie Bewegung und Sport. Aufträge und didaktische Impulse, aber auch Umsetzungsbeispiele, Austauschsequenzen und Erkenntnisse wie auch Beobachtungen und Erfahrungen werden beispielhaft dargestellt. Somit wird die Weiterentwicklung des Unterrichts von Lehrpersonen und eine Praxis fachspezifischer systematischer Unterrichtsentwicklung konkret sichtbar.

      Der abschliessende Bilanzbeitrag enthält ein Gespräch mit drei Dozierenden, die an der Planung und Durchführung fachdidaktischer Begleitangebote beteiligt waren und verschiedene Aspekte einer fachspezifischen systematischen Unterrichtsentwicklung reflektieren. Erfahrungen und Einschätzungen zum Handeln der verschiedenen Akteure – Lehrpersonen, Fachbereichsverantwortliche und Schulleitungen – zeigen Stärken und Schwächen einer so gewählten Einführung des Lehrplans 21 beziehungsweise einer Bildungsreform. Auch zeigt sich unter dem Gesichtspunkt «Verbindlichkeit» die Bedeutsamkeit klarer Ansagen im Hinblick auf Unterrichtsentwicklung. Der Nutzen des Formats «fachdidaktisches Begleitangebot» wird schliesslich auch basierend auf einer datengestützten Evaluation eingeschätzt.

      Beitrag 1

      Unterrichtsentwicklung: Lernen von Lehrpersonen im Kontext von Reformen mit wirksamer Weiterbildung unterstützen

      Thomas Balmer

      Von der Einführung eines neuen Lehrplans wird erwartet, dass Schulen und Lehrpersonen seine Vorgaben übernehmen und ihre Praxis darauf ausrichten. Dieser Beitrag beschreibt Grundlagen, auf die das Institut für Weiterbildung und Medienbildung der PHBern für die Entwicklung des Angebots zur Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Bern Bezug genommen hat. Zentral ist die Erwartung an das Angebot, dass es Lernprozesse bei den Lehrpersonen auslöst, ihren Unterricht vermehrt kompetenzorientiert zu gestalten. Unterrichtsentwicklung als Kern der Schulentwicklung wird als eine Inszenierung individuellen und kollektiven Weiterlernens im Beruf verstanden. Dieser Prozess unterliegt gerade im Kontext einer Innovation, als die ein neuer Lehrplan verstanden werden kann, besonderen Voraussetzungen. Die professionelle Kompetenz der Lehrpersonen, ihre aktuellen Unterrichtskonzeptionen


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